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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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nur einen Augenblick von seinen blödsinnigen Vor-
würfen verblüffen zu lassen! Glaubte es etwa, ihn
auf diese Weise wieder zu gewinnen? Da konnte
sich die Dame doch gewaltig schneiden! Oh! Sie
hatte ja längst alle Reize für ihn verloren.

Und doch konnte sich Adam nicht ganz dem Ein-
drucke ihrer in furchtbarster Seelenangst herausge-
schrieenen Anklagen entziehen. Er hatte ihr nun
einmal sein Wort gebrochen, so gut wie sein Wort
gebrochen, sie zieh ihn mit Recht der Absicht, sich
mit dem Golde von ihr loszukaufen, sie hatte ihn,
darin durchschaut, obwohl er doch eigentlich schon
vorher entschlossen gewesen war, Irmers die tausend
Mark auf irgend eine Weise zu verschaffen, ehe ihm,
zumeist wohl nur in dem Bestreben, einen Namen
für die Sache zu finden, der Gedanke gekommen
war, sein Thun im Sinne eines Rückkaufes seiner
Freiheit aufzufassen. Es war schließlich im tiefsten
Grunde blutige Selbstironie gewesen -- und dafür
sollte er sich jetzt abkanzeln lassen, als wäre er ein
Hallunke ersten Ranges? Und dennoch kam er von
einem unklaren Schuldgefühl nicht los. Die Wuth,
die er in sich aufkochen spürte, brach nicht aus, seine
Entrüstung zersplitterte sich, sein Aerger verzettelte sich,
schließlich knirschte er nur ein paar banale Redensarten,
wie "verrückte Faselei --" "-- thut mir leid, aber es
ist nun einmal so --" -- "wer kann wider seine Natur?"
-- heraus, zuckte die Achseln, lächelte spöttisch, steckte mit
forcirter Gleichgültigkeit den zerknitterten Brief Irmers
in seine Rocktasche und wandte sich ab -- -- -- --

nur einen Augenblick von ſeinen blödſinnigen Vor-
würfen verblüffen zu laſſen! Glaubte es etwa, ihn
auf dieſe Weiſe wieder zu gewinnen? Da konnte
ſich die Dame doch gewaltig ſchneiden! Oh! Sie
hatte ja längſt alle Reize für ihn verloren.

Und doch konnte ſich Adam nicht ganz dem Ein-
drucke ihrer in furchtbarſter Seelenangſt herausge-
ſchrieenen Anklagen entziehen. Er hatte ihr nun
einmal ſein Wort gebrochen, ſo gut wie ſein Wort
gebrochen, ſie zieh ihn mit Recht der Abſicht, ſich
mit dem Golde von ihr loszukaufen, ſie hatte ihn,
darin durchſchaut, obwohl er doch eigentlich ſchon
vorher entſchloſſen geweſen war, Irmers die tauſend
Mark auf irgend eine Weiſe zu verſchaffen, ehe ihm,
zumeiſt wohl nur in dem Beſtreben, einen Namen
für die Sache zu finden, der Gedanke gekommen
war, ſein Thun im Sinne eines Rückkaufes ſeiner
Freiheit aufzufaſſen. Es war ſchließlich im tiefſten
Grunde blutige Selbſtironie geweſen — und dafür
ſollte er ſich jetzt abkanzeln laſſen, als wäre er ein
Hallunke erſten Ranges? Und dennoch kam er von
einem unklaren Schuldgefühl nicht los. Die Wuth,
die er in ſich aufkochen ſpürte, brach nicht aus, ſeine
Entrüſtung zerſplitterte ſich, ſein Aerger verzettelte ſich,
ſchließlich knirſchte er nur ein paar banale Redensarten,
wie „verrückte Faſelei —“ „— thut mir leid, aber es
iſt nun einmal ſo —“ — „wer kann wider ſeine Natur?“
— heraus, zuckte die Achſeln, lächelte ſpöttiſch, ſteckte mit
forcirter Gleichgültigkeit den zerknitterten Brief Irmers
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[439/0447] nur einen Augenblick von ſeinen blödſinnigen Vor- würfen verblüffen zu laſſen! Glaubte es etwa, ihn auf dieſe Weiſe wieder zu gewinnen? Da konnte ſich die Dame doch gewaltig ſchneiden! Oh! Sie hatte ja längſt alle Reize für ihn verloren. Und doch konnte ſich Adam nicht ganz dem Ein- drucke ihrer in furchtbarſter Seelenangſt herausge- ſchrieenen Anklagen entziehen. Er hatte ihr nun einmal ſein Wort gebrochen, ſo gut wie ſein Wort gebrochen, ſie zieh ihn mit Recht der Abſicht, ſich mit dem Golde von ihr loszukaufen, ſie hatte ihn, darin durchſchaut, obwohl er doch eigentlich ſchon vorher entſchloſſen geweſen war, Irmers die tauſend Mark auf irgend eine Weiſe zu verſchaffen, ehe ihm, zumeiſt wohl nur in dem Beſtreben, einen Namen für die Sache zu finden, der Gedanke gekommen war, ſein Thun im Sinne eines Rückkaufes ſeiner Freiheit aufzufaſſen. Es war ſchließlich im tiefſten Grunde blutige Selbſtironie geweſen — und dafür ſollte er ſich jetzt abkanzeln laſſen, als wäre er ein Hallunke erſten Ranges? Und dennoch kam er von einem unklaren Schuldgefühl nicht los. Die Wuth, die er in ſich aufkochen ſpürte, brach nicht aus, ſeine Entrüſtung zerſplitterte ſich, ſein Aerger verzettelte ſich, ſchließlich knirſchte er nur ein paar banale Redensarten, wie „verrückte Faſelei —“ „— thut mir leid, aber es iſt nun einmal ſo —“ — „wer kann wider ſeine Natur?“ — heraus, zuckte die Achſeln, lächelte ſpöttiſch, ſteckte mit forcirter Gleichgültigkeit den zerknitterten Brief Irmers in ſeine Rocktaſche und wandte ſich ab — — — —

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/447>, abgerufen am 11.05.2024.