Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Das in ihre Umgebung neu eingetretene Moment
lockerte wohl die Decke ihres Schlafes. Ihr Kopf rutschte
einige Male, wie suchend, wie in der Absicht, sich
zu entwirren und sich einem anderen, dem wirk-
lichen
Leben wieder anzupassen, hin und her, der
Mund, der vorher ein klein Wenig geöffnet gewesen,
schloß sich, nun schlug sie die Augen auf, noch ein-
mal fielen die Lider nieder, jetzt wurden sie abermals
mit jähem Rucke emporgezogen, die weit geöffneten
Augen starrten Adam wie eine fremde, unheimliche
Erscheinung an. Das Weib schnellte empor, sank
wieder zurück --: "Adam! -- Mein Gott! Ich
habe wohl geschlafen --? Aber Du bist lange ge-
blieben --! -- Wo bin ich denn nur --? --"

"Bei mir, Emmy -- und ich danke Dir, daß
Du hier bist --" Das hatte Adam in fast feier-
lichem Tone gesprochen. Er war mit steifen, cor-
recten Schritten durch das Zimmer geschritten, als
wäre er zum Automaten eingedrillt. Emmys Blicke
waren erstaunt seiner Curve gefolgt. Es lag ein
stummer Schrecken, der sich nur noch nicht ordentlich
hervorwagte, in ihren Augen.

"Ich habe lange auf Dich gewartet --" begann
sie leise, zaghaft -- "sei mir nicht böse, Adam --
nachher bin ich wohl eingeschlafen -- ich hatte erst
gelesen -- aber ich hatte keine Ruhe mehr -- Du
hättest doch 'mal zu mir kommen können, Du
Böser --"

Adam stieß ein rauhes, gezacktes, blechernes
Lachen aus: "Ah! zur Mätresse dieses -- dieses

Das in ihre Umgebung neu eingetretene Moment
lockerte wohl die Decke ihres Schlafes. Ihr Kopf rutſchte
einige Male, wie ſuchend, wie in der Abſicht, ſich
zu entwirren und ſich einem anderen, dem wirk-
lichen
Leben wieder anzupaſſen, hin und her, der
Mund, der vorher ein klein Wenig geöffnet geweſen,
ſchloß ſich, nun ſchlug ſie die Augen auf, noch ein-
mal fielen die Lider nieder, jetzt wurden ſie abermals
mit jähem Rucke emporgezogen, die weit geöffneten
Augen ſtarrten Adam wie eine fremde, unheimliche
Erſcheinung an. Das Weib ſchnellte empor, ſank
wieder zurück —: „Adam! — Mein Gott! Ich
habe wohl geſchlafen —? Aber Du biſt lange ge-
blieben —! — Wo bin ich denn nur —? —“

„Bei mir, Emmy — und ich danke Dir, daß
Du hier biſt —“ Das hatte Adam in faſt feier-
lichem Tone geſprochen. Er war mit ſteifen, cor-
recten Schritten durch das Zimmer geſchritten, als
wäre er zum Automaten eingedrillt. Emmys Blicke
waren erſtaunt ſeiner Curve gefolgt. Es lag ein
ſtummer Schrecken, der ſich nur noch nicht ordentlich
hervorwagte, in ihren Augen.

„Ich habe lange auf Dich gewartet —“ begann
ſie leiſe, zaghaft — „ſei mir nicht böſe, Adam —
nachher bin ich wohl eingeſchlafen — ich hatte erſt
geleſen — aber ich hatte keine Ruhe mehr — Du
hätteſt doch 'mal zu mir kommen können, Du
Böſer —“

Adam ſtieß ein rauhes, gezacktes, blechernes
Lachen aus: „Ah! zur Mätreſſe dieſes — dieſes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0428" n="420"/>
Das in ihre Umgebung neu eingetretene Moment<lb/>
lockerte wohl die Decke ihres Schlafes. Ihr Kopf rut&#x017F;chte<lb/>
einige Male, wie &#x017F;uchend, wie in der Ab&#x017F;icht, &#x017F;ich<lb/>
zu entwirren und &#x017F;ich einem anderen, dem <hi rendition="#g">wirk-<lb/>
lichen</hi> Leben wieder anzupa&#x017F;&#x017F;en, hin und her, der<lb/>
Mund, der vorher ein klein Wenig geöffnet gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;chloß &#x017F;ich, nun &#x017F;chlug &#x017F;ie die Augen auf, noch ein-<lb/>
mal fielen die Lider nieder, jetzt wurden &#x017F;ie abermals<lb/>
mit jähem Rucke emporgezogen, die weit geöffneten<lb/>
Augen &#x017F;tarrten Adam wie eine fremde, unheimliche<lb/>
Er&#x017F;cheinung an. Das Weib &#x017F;chnellte empor, &#x017F;ank<lb/>
wieder zurück &#x2014;: &#x201E;Adam! &#x2014; Mein Gott! Ich<lb/>
habe wohl ge&#x017F;chlafen &#x2014;? Aber Du bi&#x017F;t lange ge-<lb/>
blieben &#x2014;! &#x2014; Wo bin ich denn nur &#x2014;? &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bei mir, Emmy &#x2014; und ich danke Dir, daß<lb/>
Du hier bi&#x017F;t &#x2014;&#x201C; Das hatte Adam in fa&#x017F;t feier-<lb/>
lichem Tone ge&#x017F;prochen. Er war mit &#x017F;teifen, cor-<lb/>
recten Schritten durch das Zimmer ge&#x017F;chritten, als<lb/>
wäre er zum Automaten eingedrillt. Emmys Blicke<lb/>
waren er&#x017F;taunt &#x017F;einer Curve gefolgt. Es lag ein<lb/>
&#x017F;tummer Schrecken, der &#x017F;ich nur noch nicht ordentlich<lb/>
hervorwagte, in ihren Augen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe lange auf Dich gewartet &#x2014;&#x201C; begann<lb/>
&#x017F;ie lei&#x017F;e, zaghaft &#x2014; &#x201E;&#x017F;ei mir nicht bö&#x017F;e, Adam &#x2014;<lb/>
nachher bin ich wohl einge&#x017F;chlafen &#x2014; ich hatte er&#x017F;t<lb/>
gele&#x017F;en &#x2014; aber ich hatte keine Ruhe mehr &#x2014; Du<lb/>
hätte&#x017F;t doch 'mal zu mir kommen können, Du<lb/>&#x017F;er &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Adam &#x017F;tieß ein rauhes, gezacktes, blechernes<lb/>
Lachen aus: &#x201E;Ah! zur Mätre&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es &#x2014; die&#x017F;es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0428] Das in ihre Umgebung neu eingetretene Moment lockerte wohl die Decke ihres Schlafes. Ihr Kopf rutſchte einige Male, wie ſuchend, wie in der Abſicht, ſich zu entwirren und ſich einem anderen, dem wirk- lichen Leben wieder anzupaſſen, hin und her, der Mund, der vorher ein klein Wenig geöffnet geweſen, ſchloß ſich, nun ſchlug ſie die Augen auf, noch ein- mal fielen die Lider nieder, jetzt wurden ſie abermals mit jähem Rucke emporgezogen, die weit geöffneten Augen ſtarrten Adam wie eine fremde, unheimliche Erſcheinung an. Das Weib ſchnellte empor, ſank wieder zurück —: „Adam! — Mein Gott! Ich habe wohl geſchlafen —? Aber Du biſt lange ge- blieben —! — Wo bin ich denn nur —? —“ „Bei mir, Emmy — und ich danke Dir, daß Du hier biſt —“ Das hatte Adam in faſt feier- lichem Tone geſprochen. Er war mit ſteifen, cor- recten Schritten durch das Zimmer geſchritten, als wäre er zum Automaten eingedrillt. Emmys Blicke waren erſtaunt ſeiner Curve gefolgt. Es lag ein ſtummer Schrecken, der ſich nur noch nicht ordentlich hervorwagte, in ihren Augen. „Ich habe lange auf Dich gewartet —“ begann ſie leiſe, zaghaft — „ſei mir nicht böſe, Adam — nachher bin ich wohl eingeſchlafen — ich hatte erſt geleſen — aber ich hatte keine Ruhe mehr — Du hätteſt doch 'mal zu mir kommen können, Du Böſer —“ Adam ſtieß ein rauhes, gezacktes, blechernes Lachen aus: „Ah! zur Mätreſſe dieſes — dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/428
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/428>, abgerufen am 11.05.2024.