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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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schauer zu sein? Auch nicht, schließlich auch nicht.
Auch nicht der Mühe wert. Und dem Adam eben
noch in instinctivem Daseinsgefühl zugejauchzt, das
ihn werthvoll gedünkt und begehrenswerth, verwarf er
jetzt und verachtete er. Eine große, trübe Leere
war in ihm ... und sein Interesse am Weibe,
das immer so groß und so stark gewesen, und sein
Interesse an der Kunst und an der Natur mit ihren
magischen Trostreizen zerstäubte, zerfiel und erstarb
in dieser Stimmung, wo er nur noch lebte, weil
zufällig über seinen Organismus noch keine an-
dere, fremde, äußere Macht Herr geworden.

Adam ging an einem Nachtcafe vorüber. Sollte
er eintreten? Er hatte oft dort gesessen, hatte
manchen Scat mit Kameraden und Kumpanen dort
gedroschen, manchen faulen Witz gerissen und eine
schwere Menge Unflätereien angehört. Sollte er
eintreten? Es hatte keinen Zweck. Diese Talmireize
des Lebens sind wirklich zu blöde und zu geschmack-
los. Er ging weiter. Eine hellerleuchtete Bahn-
hofsuhr kam in Sicht. Es war Eins durch. Adam
blieb stehen. Eine gewaltige Sehnsucht packte ihn,
eine fanatische Sehnsucht in die Ferne hinein. Wenn
er sich jetzt in den ersten besten Zug warf und
hinausfuhr, war er all' den dummen, rüden Krempel
los, hatte er alle diese abgeschmackten Lügen hinter
sich, verschwamm Alles, schlug Alles zusammen hinter
ihm. Da war die Thür. Eine Pforte zu auch
einer Zukunft. Er schüttelte wehmütig den Kopf.
Ach! Er stak zu tief, zu tief im Schlamme dieses

ſchauer zu ſein? Auch nicht, ſchließlich auch nicht.
Auch nicht der Mühe wert. Und dem Adam eben
noch in inſtinctivem Daſeinsgefühl zugejauchzt, das
ihn werthvoll gedünkt und begehrenswerth, verwarf er
jetzt und verachtete er. Eine große, trübe Leere
war in ihm ... und ſein Intereſſe am Weibe,
das immer ſo groß und ſo ſtark geweſen, und ſein
Intereſſe an der Kunſt und an der Natur mit ihren
magiſchen Troſtreizen zerſtäubte, zerfiel und erſtarb
in dieſer Stimmung, wo er nur noch lebte, weil
zufällig über ſeinen Organismus noch keine an-
dere, fremde, äußere Macht Herr geworden.

Adam ging an einem Nachtcafé vorüber. Sollte
er eintreten? Er hatte oft dort geſeſſen, hatte
manchen Scat mit Kameraden und Kumpanen dort
gedroſchen, manchen faulen Witz geriſſen und eine
ſchwere Menge Unflätereien angehört. Sollte er
eintreten? Es hatte keinen Zweck. Dieſe Talmireize
des Lebens ſind wirklich zu blöde und zu geſchmack-
los. Er ging weiter. Eine hellerleuchtete Bahn-
hofsuhr kam in Sicht. Es war Eins durch. Adam
blieb ſtehen. Eine gewaltige Sehnſucht packte ihn,
eine fanatiſche Sehnſucht in die Ferne hinein. Wenn
er ſich jetzt in den erſten beſten Zug warf und
hinausfuhr, war er all' den dummen, rüden Krempel
los, hatte er alle dieſe abgeſchmackten Lügen hinter
ſich, verſchwamm Alles, ſchlug Alles zuſammen hinter
ihm. Da war die Thür. Eine Pforte zu auch
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[414/0422] ſchauer zu ſein? Auch nicht, ſchließlich auch nicht. Auch nicht der Mühe wert. Und dem Adam eben noch in inſtinctivem Daſeinsgefühl zugejauchzt, das ihn werthvoll gedünkt und begehrenswerth, verwarf er jetzt und verachtete er. Eine große, trübe Leere war in ihm ... und ſein Intereſſe am Weibe, das immer ſo groß und ſo ſtark geweſen, und ſein Intereſſe an der Kunſt und an der Natur mit ihren magiſchen Troſtreizen zerſtäubte, zerfiel und erſtarb in dieſer Stimmung, wo er nur noch lebte, weil zufällig über ſeinen Organismus noch keine an- dere, fremde, äußere Macht Herr geworden. Adam ging an einem Nachtcafé vorüber. Sollte er eintreten? Er hatte oft dort geſeſſen, hatte manchen Scat mit Kameraden und Kumpanen dort gedroſchen, manchen faulen Witz geriſſen und eine ſchwere Menge Unflätereien angehört. Sollte er eintreten? Es hatte keinen Zweck. Dieſe Talmireize des Lebens ſind wirklich zu blöde und zu geſchmack- los. Er ging weiter. Eine hellerleuchtete Bahn- hofsuhr kam in Sicht. Es war Eins durch. Adam blieb ſtehen. Eine gewaltige Sehnſucht packte ihn, eine fanatiſche Sehnſucht in die Ferne hinein. Wenn er ſich jetzt in den erſten beſten Zug warf und hinausfuhr, war er all' den dummen, rüden Krempel los, hatte er alle dieſe abgeſchmackten Lügen hinter ſich, verſchwamm Alles, ſchlug Alles zuſammen hinter ihm. Da war die Thür. Eine Pforte zu auch einer Zukunft. Er ſchüttelte wehmütig den Kopf. Ach! Er ſtak zu tief, zu tief im Schlamme dieſes

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/422>, abgerufen am 25.11.2024.