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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Blätter --" Er fürchtete den Tod, er liebte das
Leben, die Bewegung, das beflügelte Blut. Plötzlich
erschien ihm das Leben sehr werthvoll, er fand mit
auffallender Geschicklichkeit tausende seiner Reize,
seiner feineren, geistvolleren Freuden. Er beschloß,
sich das Leben um jeden Preis zu wahren, selbst wenn
er ein Lump, ein Ehrloser, ein Verbrecher darüber
werden sollte. Zuweilen hatte er wohl in trister Ent-
sagungsphilosophie gemacht. Er mußte jetzt über diese
Bubenstreiche lachen. Er lachte laut, unheimlich laut.
Wünsche, Begierden, Hoffnungen, kühne, bedeutende
Hoffnungen sproßten auf in seiner Brust. Er wollte
leben, wollte leben um jeden Preis. Was? Ent-
sagen, ohne genossen zu haben? Da wäre der Tod
ein schlechter Witz ohne Pointe. Ah! das ver-
achtete Leben rächt sich. Adam war damit ein-
verstanden. Er wollte sich an sich selber rächen.
Und doch durchschaute er den ganzen, brutalen
Egoismus des Weltapparats: die Reize und Freuden
des Lebens schoben sich wieder zurück vor ihm, weit,
weit in einen dämmerungsverschwommenen Hinter-
grund zurück. Vor sich sah er jetzt nur steinichte
Wege, ziellose Bahnen. Das Andere lag ja Alles
nur in der bestechenden Nähe, war Augenblicksgenuß
aus geschwollener Börse, mit vollen, kauenden Backen.
So dumm! Und doch gabs große, unabhängige, ge-
bundene Kräfte hier und da in besonderen Menschen-
herzen, die nach kosmischer Ungebundenheit lechzten.
Dabei lebten sie sich aus und entfalteten seltene
Schauspiele. War's nicht der Mühe werth, da Zu-


Blätter —“ Er fürchtete den Tod, er liebte das
Leben, die Bewegung, das beflügelte Blut. Plötzlich
erſchien ihm das Leben ſehr werthvoll, er fand mit
auffallender Geſchicklichkeit tauſende ſeiner Reize,
ſeiner feineren, geiſtvolleren Freuden. Er beſchloß,
ſich das Leben um jeden Preis zu wahren, ſelbſt wenn
er ein Lump, ein Ehrloſer, ein Verbrecher darüber
werden ſollte. Zuweilen hatte er wohl in triſter Ent-
ſagungsphiloſophie gemacht. Er mußte jetzt über dieſe
Bubenſtreiche lachen. Er lachte laut, unheimlich laut.
Wünſche, Begierden, Hoffnungen, kühne, bedeutende
Hoffnungen ſproßten auf in ſeiner Bruſt. Er wollte
leben, wollte leben um jeden Preis. Was? Ent-
ſagen, ohne genoſſen zu haben? Da wäre der Tod
ein ſchlechter Witz ohne Pointe. Ah! das ver-
achtete Leben rächt ſich. Adam war damit ein-
verſtanden. Er wollte ſich an ſich ſelber rächen.
Und doch durchſchaute er den ganzen, brutalen
Egoismus des Weltapparats: die Reize und Freuden
des Lebens ſchoben ſich wieder zurück vor ihm, weit,
weit in einen dämmerungsverſchwommenen Hinter-
grund zurück. Vor ſich ſah er jetzt nur ſteinichte
Wege, zielloſe Bahnen. Das Andere lag ja Alles
nur in der beſtechenden Nähe, war Augenblicksgenuß
aus geſchwollener Börſe, mit vollen, kauenden Backen.
So dumm! Und doch gabs große, unabhängige, ge-
bundene Kräfte hier und da in beſonderen Menſchen-
herzen, die nach kosmiſcher Ungebundenheit lechzten.
Dabei lebten ſie ſich aus und entfalteten ſeltene
Schauſpiele. War's nicht der Mühe werth, da Zu-

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[413/0421] Blätter —“ Er fürchtete den Tod, er liebte das Leben, die Bewegung, das beflügelte Blut. Plötzlich erſchien ihm das Leben ſehr werthvoll, er fand mit auffallender Geſchicklichkeit tauſende ſeiner Reize, ſeiner feineren, geiſtvolleren Freuden. Er beſchloß, ſich das Leben um jeden Preis zu wahren, ſelbſt wenn er ein Lump, ein Ehrloſer, ein Verbrecher darüber werden ſollte. Zuweilen hatte er wohl in triſter Ent- ſagungsphiloſophie gemacht. Er mußte jetzt über dieſe Bubenſtreiche lachen. Er lachte laut, unheimlich laut. Wünſche, Begierden, Hoffnungen, kühne, bedeutende Hoffnungen ſproßten auf in ſeiner Bruſt. Er wollte leben, wollte leben um jeden Preis. Was? Ent- ſagen, ohne genoſſen zu haben? Da wäre der Tod ein ſchlechter Witz ohne Pointe. Ah! das ver- achtete Leben rächt ſich. Adam war damit ein- verſtanden. Er wollte ſich an ſich ſelber rächen. Und doch durchſchaute er den ganzen, brutalen Egoismus des Weltapparats: die Reize und Freuden des Lebens ſchoben ſich wieder zurück vor ihm, weit, weit in einen dämmerungsverſchwommenen Hinter- grund zurück. Vor ſich ſah er jetzt nur ſteinichte Wege, zielloſe Bahnen. Das Andere lag ja Alles nur in der beſtechenden Nähe, war Augenblicksgenuß aus geſchwollener Börſe, mit vollen, kauenden Backen. So dumm! Und doch gabs große, unabhängige, ge- bundene Kräfte hier und da in beſonderen Menſchen- herzen, die nach kosmiſcher Ungebundenheit lechzten. Dabei lebten ſie ſich aus und entfalteten ſeltene Schauſpiele. War's nicht der Mühe werth, da Zu-

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/421>, abgerufen am 25.11.2024.