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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Schuld", von "persönlicher Verantwortung" -- sie hat
ein freier und klarer und gegenständlicher denkendes
Geschlecht in die Rumpelkammer der Vergangenheit
geworfen. Oh! Es könnte immerhin eine Lust
sein, in dieser neuen Epoche zu leben! ... in dieser
Zeit, wo auch die Schranken zwischen den beiden
Geschlechtern gefallen sein werden -- diese dummen,
einfältigen, nichtswürdigen Schranken, die jeden na-
türlichen, naiven Verkehr zwischen Mann und Weib
unmöglich machen ... Das wiedergeborene germa-
nische
Grundgefühl wird das barbarisch unappetit-
liche, über Alles ekelhafte Verhüllen und Verschweigen,
das in der christlich-semitischen Auffassung der Sinn-
lichkeit die Hauptrolle spielt, als brutal unsittlich
erkannt und zurückgewiesen haben. Es wird --
verzeihen Sie, liebe Hedwig, meine Offenheit ...
und lächeln Sie zugleich -- -- nein! wenden Sie
sich nicht ab und erröthen Sie nicht! -- beschämen
Sie mich vielmehr und lächeln Sie darüber, daß
ich Sie um Entschuldigung bitte ... als hätte ich
das Gefühl ... das Bewußtsein -- was ich leider,
offen gesagt, auch habe -- daß ich hier ein "unan-
ständiges," "heikles" Thema berühre, wo ich doch
nur von den natürlichsten Dingen der Welt spreche!
-- also -- aber was wollte ich sagen --? ja --!
es wird -- es wird -- nein! es wird dann keine
"verbotenen Genüsse" -- keine heimlich großge-
zogene, versteckte Lüsternheit -- keine -- also ...
ich darf ganz offen sein --? keine künstlich gezüchtete
Selbstbefriedigung mehr geben ... Unendlich Viele

Schuld“, von „perſönlicher Verantwortung“ — ſie hat
ein freier und klarer und gegenſtändlicher denkendes
Geſchlecht in die Rumpelkammer der Vergangenheit
geworfen. Oh! Es könnte immerhin eine Luſt
ſein, in dieſer neuen Epoche zu leben! ... in dieſer
Zeit, wo auch die Schranken zwiſchen den beiden
Geſchlechtern gefallen ſein werden — dieſe dummen,
einfältigen, nichtswürdigen Schranken, die jeden na-
türlichen, naiven Verkehr zwiſchen Mann und Weib
unmöglich machen ... Das wiedergeborene germa-
niſche
Grundgefühl wird das barbariſch unappetit-
liche, über Alles ekelhafte Verhüllen und Verſchweigen,
das in der chriſtlich-ſemitiſchen Auffaſſung der Sinn-
lichkeit die Hauptrolle ſpielt, als brutal unſittlich
erkannt und zurückgewieſen haben. Es wird —
verzeihen Sie, liebe Hedwig, meine Offenheit ...
und lächeln Sie zugleich — — nein! wenden Sie
ſich nicht ab und erröthen Sie nicht! — beſchämen
Sie mich vielmehr und lächeln Sie darüber, daß
ich Sie um Entſchuldigung bitte ... als hätte ich
das Gefühl ... das Bewußtſein — was ich leider,
offen geſagt, auch habe — daß ich hier ein „unan-
ſtändiges,“ „heikles“ Thema berühre, wo ich doch
nur von den natürlichſten Dingen der Welt ſpreche!
— alſo — aber was wollte ich ſagen —? ja —!
es wird — es wird — nein! es wird dann keine
„verbotenen Genüſſe“ — keine heimlich großge-
zogene, verſteckte Lüſternheit — keine — alſo ...
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[236/0244] Schuld“, von „perſönlicher Verantwortung“ — ſie hat ein freier und klarer und gegenſtändlicher denkendes Geſchlecht in die Rumpelkammer der Vergangenheit geworfen. Oh! Es könnte immerhin eine Luſt ſein, in dieſer neuen Epoche zu leben! ... in dieſer Zeit, wo auch die Schranken zwiſchen den beiden Geſchlechtern gefallen ſein werden — dieſe dummen, einfältigen, nichtswürdigen Schranken, die jeden na- türlichen, naiven Verkehr zwiſchen Mann und Weib unmöglich machen ... Das wiedergeborene germa- niſche Grundgefühl wird das barbariſch unappetit- liche, über Alles ekelhafte Verhüllen und Verſchweigen, das in der chriſtlich-ſemitiſchen Auffaſſung der Sinn- lichkeit die Hauptrolle ſpielt, als brutal unſittlich erkannt und zurückgewieſen haben. Es wird — verzeihen Sie, liebe Hedwig, meine Offenheit ... und lächeln Sie zugleich — — nein! wenden Sie ſich nicht ab und erröthen Sie nicht! — beſchämen Sie mich vielmehr und lächeln Sie darüber, daß ich Sie um Entſchuldigung bitte ... als hätte ich das Gefühl ... das Bewußtſein — was ich leider, offen geſagt, auch habe — daß ich hier ein „unan- ſtändiges,“ „heikles“ Thema berühre, wo ich doch nur von den natürlichſten Dingen der Welt ſpreche! — alſo — aber was wollte ich ſagen —? ja —! es wird — es wird — nein! es wird dann keine „verbotenen Genüſſe“ — keine heimlich großge- zogene, verſteckte Lüſternheit — keine — alſo ... ich darf ganz offen ſein —? keine künſtlich gezüchtete Selbſtbefriedigung mehr geben ... Unendlich Viele

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/244>, abgerufen am 25.11.2024.