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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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vornüber gebeugt stehend, ihren Gast mit einem
reizenden Lächeln von der Seite an.

"Böse? Sie erschrecken mich, gnädige Frau!
Warum böse, wenn ich fragen darf?"

"Verstellen Sie sich nur nicht! Sie wissen
ganz genau, was ich ... was ich ... meine --
oder sollten Sie ... sollten Sie? Das wäre doch
zu naiv! . Nicht wahr --?"

"Ich bin immer noch rathlos --"

"Vergessen wir den Wein nicht! .. Und nun
lassen Sie Ihre Reserve ein Wenig fahren, Herr
Doctor -- ja? Sie geben sich in der Unterhaltung
so ohne Pathos ... so -- ich weiß gar nicht ..
ich liebe die Force, das Spontane ... das Unbe-
rechenbare ... und Sie scheinen doch sonst das
Zeug zu haben, ein eigenes Gesicht zu machen ..
einen eigenen Menschen vorzustellen -- heute sind
Sie so conventionell -- wie ich schon vorhin sagte ...
so ... so ... nun! ... man erwartet gar Nichts
von Ihnen .. kurz: heute sind Sie ganz schrecklich,
Herr Doktor! ... Was fehlt Ihnen nur --?"

"Mir? .. Nichts ... gar Nichts, gnädige Frau! ..
Im Gegentheil: ich fühle mich sehr wohl ... sehr
behaglich ..."

"Nun! dann wollen wir 'mal anstoßen --
bitte!"

Die Gläser trafen sich, aber auch die Augen.
Schlumernde Flammen wurden da geweckt, brachen her-
aus und züngelten heftig in einander.

"Also ... Sie wissen noch nicht --?"

vornüber gebeugt ſtehend, ihren Gaſt mit einem
reizenden Lächeln von der Seite an.

„Böſe? Sie erſchrecken mich, gnädige Frau!
Warum böſe, wenn ich fragen darf?“

„Verſtellen Sie ſich nur nicht! Sie wiſſen
ganz genau, was ich ... was ich ... meine —
oder ſollten Sie ... ſollten Sie? Das wäre doch
zu naiv! . Nicht wahr —?“

„Ich bin immer noch rathlos —“

„Vergeſſen wir den Wein nicht! .. Und nun
laſſen Sie Ihre Reſerve ein Wenig fahren, Herr
Doctor — ja? Sie geben ſich in der Unterhaltung
ſo ohne Pathos ... ſo — ich weiß gar nicht ..
ich liebe die Force, das Spontane ... das Unbe-
rechenbare ... und Sie ſcheinen doch ſonſt das
Zeug zu haben, ein eigenes Geſicht zu machen ..
einen eigenen Menſchen vorzuſtellen — heute ſind
Sie ſo conventionell — wie ich ſchon vorhin ſagte ...
ſo ... ſo ... nun! ... man erwartet gar Nichts
von Ihnen .. kurz: heute ſind Sie ganz ſchrecklich,
Herr Doktor! ... Was fehlt Ihnen nur —?“

„Mir? .. Nichts ... gar Nichts, gnädige Frau! ..
Im Gegentheil: ich fühle mich ſehr wohl ... ſehr
behaglich ...“

„Nun! dann wollen wir 'mal anſtoßen —
bitte!“

Die Gläſer trafen ſich, aber auch die Augen.
Schlumernde Flammen wurden da geweckt, brachen her-
aus und züngelten heftig in einander.

„Alſo ... Sie wiſſen noch nicht —?“

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[137/0145] vornüber gebeugt ſtehend, ihren Gaſt mit einem reizenden Lächeln von der Seite an. „Böſe? Sie erſchrecken mich, gnädige Frau! Warum böſe, wenn ich fragen darf?“ „Verſtellen Sie ſich nur nicht! Sie wiſſen ganz genau, was ich ... was ich ... meine — oder ſollten Sie ... ſollten Sie? Das wäre doch zu naiv! . Nicht wahr —?“ „Ich bin immer noch rathlos —“ „Vergeſſen wir den Wein nicht! .. Und nun laſſen Sie Ihre Reſerve ein Wenig fahren, Herr Doctor — ja? Sie geben ſich in der Unterhaltung ſo ohne Pathos ... ſo — ich weiß gar nicht .. ich liebe die Force, das Spontane ... das Unbe- rechenbare ... und Sie ſcheinen doch ſonſt das Zeug zu haben, ein eigenes Geſicht zu machen .. einen eigenen Menſchen vorzuſtellen — heute ſind Sie ſo conventionell — wie ich ſchon vorhin ſagte ... ſo ... ſo ... nun! ... man erwartet gar Nichts von Ihnen .. kurz: heute ſind Sie ganz ſchrecklich, Herr Doktor! ... Was fehlt Ihnen nur —?“ „Mir? .. Nichts ... gar Nichts, gnädige Frau! .. Im Gegentheil: ich fühle mich ſehr wohl ... ſehr behaglich ...“ „Nun! dann wollen wir 'mal anſtoßen — bitte!“ Die Gläſer trafen ſich, aber auch die Augen. Schlumernde Flammen wurden da geweckt, brachen her- aus und züngelten heftig in einander. „Alſo ... Sie wiſſen noch nicht —?“

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/145>, abgerufen am 13.05.2024.