Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

"Nein! Noch nicht, gnädige Frau --!"

Lydia wandte sich ab. Sie nestelte an ihrer
Uhrkette und sah nach dem Schreibtische hinüber.

"Wie geht es eigentlich Fräulein Irmer, Herr
Doctor"? fragte sie nach einer kleinen Pause leichthin,
ohne Adam anzusehen.

Jetzt hatte der Herr Doctor allerdings verstan-
den. In seinem Gesicht zuckte es. Und da wandte
sich ihm Frau Lange auch wieder voll zu. Sie be-
merkte den ironischen Zug um Adams Mund und
Nase, bemerkte die etwas zusammengekniffenen Augen.
Ein sehr verzweigter, im Ganzen aber doch mehr
angedeuteter, als erschöpfend ausgeführter Gefühls-
complex: momentane Wuth .. Haß .. Zorn ... Neid
... drängte sich ihr auf. Dieser Mensch konnte
doch zu impertinent, zu moquant sein. --

"Nun?" fragte Frau Lange indignirt.

"Hedwig Irmer, gnädige Frau ..." -- Adam
setzte absichtlich, mit einer kleinen, unscheinbaren und
doch, wie er wußte, nicht wirkungslosen Betonung
den Rufnamen voran -- "Hedwig Irmer -- ja!
... habe ich die Dame denn seitdem -- -- seit-
dem? -- richtig! ich machte ihrem Vater neulich
einen Besuch -- und da --"

"Gefällt Ihnen Hedwig, Herr Doctor --?"
Frau Lange hatte sich zurückgelehnt und streckte die
Hand nach ihrem Weinglase aus. Die wundervolle
Plastik des Armes trat berückend hervor. Der
Aermel straffte sich zurück, und das volle, runde
Handgelenk schimmerte verführerisch auf in seiner

„Nein! Noch nicht, gnädige Frau —!“

Lydia wandte ſich ab. Sie neſtelte an ihrer
Uhrkette und ſah nach dem Schreibtiſche hinüber.

„Wie geht es eigentlich Fräulein Irmer, Herr
Doctor“? fragte ſie nach einer kleinen Pauſe leichthin,
ohne Adam anzuſehen.

Jetzt hatte der Herr Doctor allerdings verſtan-
den. In ſeinem Geſicht zuckte es. Und da wandte
ſich ihm Frau Lange auch wieder voll zu. Sie be-
merkte den ironiſchen Zug um Adams Mund und
Naſe, bemerkte die etwas zuſammengekniffenen Augen.
Ein ſehr verzweigter, im Ganzen aber doch mehr
angedeuteter, als erſchöpfend ausgeführter Gefühls-
complex: momentane Wuth .. Haß .. Zorn ... Neid
... drängte ſich ihr auf. Dieſer Menſch konnte
doch zu impertinent, zu moquant ſein. —

„Nun?“ fragte Frau Lange indignirt.

„Hedwig Irmer, gnädige Frau ...“ — Adam
ſetzte abſichtlich, mit einer kleinen, unſcheinbaren und
doch, wie er wußte, nicht wirkungsloſen Betonung
den Rufnamen voran — „Hedwig Irmer — ja!
... habe ich die Dame denn ſeitdem — — ſeit-
dem? — richtig! ich machte ihrem Vater neulich
einen Beſuch — und da —“

„Gefällt Ihnen Hedwig, Herr Doctor —?“
Frau Lange hatte ſich zurückgelehnt und ſtreckte die
Hand nach ihrem Weinglaſe aus. Die wundervolle
Plaſtik des Armes trat berückend hervor. Der
Aermel ſtraffte ſich zurück, und das volle, runde
Handgelenk ſchimmerte verführeriſch auf in ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0146" n="138"/>
        <p>&#x201E;Nein! Noch nicht, gnädige Frau &#x2014;!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Lydia wandte &#x017F;ich ab. Sie ne&#x017F;telte an ihrer<lb/>
Uhrkette und &#x017F;ah nach dem Schreibti&#x017F;che hinüber.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie geht es eigentlich Fräulein Irmer, Herr<lb/>
Doctor&#x201C;? fragte &#x017F;ie nach einer kleinen Pau&#x017F;e leichthin,<lb/>
ohne Adam anzu&#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Jetzt hatte der Herr Doctor allerdings ver&#x017F;tan-<lb/>
den. In &#x017F;einem Ge&#x017F;icht zuckte es. Und da wandte<lb/>
&#x017F;ich ihm Frau Lange auch wieder voll zu. Sie be-<lb/>
merkte den ironi&#x017F;chen Zug um Adams Mund und<lb/>
Na&#x017F;e, bemerkte die etwas zu&#x017F;ammengekniffenen Augen.<lb/>
Ein &#x017F;ehr verzweigter, im Ganzen aber doch mehr<lb/>
angedeuteter, als er&#x017F;chöpfend ausgeführter Gefühls-<lb/>
complex: momentane Wuth .. Haß .. Zorn ... Neid<lb/>
... drängte &#x017F;ich ihr auf. Die&#x017F;er Men&#x017F;ch konnte<lb/>
doch zu impertinent, zu moquant &#x017F;ein. &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun?&#x201C; fragte Frau Lange indignirt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hedwig Irmer, gnädige Frau ...&#x201C; &#x2014; Adam<lb/>
&#x017F;etzte ab&#x017F;ichtlich, mit einer kleinen, un&#x017F;cheinbaren und<lb/>
doch, wie er wußte, nicht wirkungslo&#x017F;en Betonung<lb/>
den Rufnamen voran &#x2014; &#x201E;Hedwig Irmer &#x2014; ja!<lb/>
... habe ich die Dame denn &#x017F;eitdem &#x2014; &#x2014; &#x017F;eit-<lb/>
dem? &#x2014; richtig! ich machte ihrem Vater neulich<lb/>
einen Be&#x017F;uch &#x2014; und da &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gefällt Ihnen Hedwig, Herr Doctor &#x2014;?&#x201C;<lb/>
Frau Lange hatte &#x017F;ich zurückgelehnt und &#x017F;treckte die<lb/>
Hand nach ihrem Weingla&#x017F;e aus. Die wundervolle<lb/>
Pla&#x017F;tik des Armes trat berückend hervor. Der<lb/>
Aermel &#x017F;traffte &#x017F;ich zurück, und das volle, runde<lb/>
Handgelenk &#x017F;chimmerte verführeri&#x017F;ch auf in &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0146] „Nein! Noch nicht, gnädige Frau —!“ Lydia wandte ſich ab. Sie neſtelte an ihrer Uhrkette und ſah nach dem Schreibtiſche hinüber. „Wie geht es eigentlich Fräulein Irmer, Herr Doctor“? fragte ſie nach einer kleinen Pauſe leichthin, ohne Adam anzuſehen. Jetzt hatte der Herr Doctor allerdings verſtan- den. In ſeinem Geſicht zuckte es. Und da wandte ſich ihm Frau Lange auch wieder voll zu. Sie be- merkte den ironiſchen Zug um Adams Mund und Naſe, bemerkte die etwas zuſammengekniffenen Augen. Ein ſehr verzweigter, im Ganzen aber doch mehr angedeuteter, als erſchöpfend ausgeführter Gefühls- complex: momentane Wuth .. Haß .. Zorn ... Neid ... drängte ſich ihr auf. Dieſer Menſch konnte doch zu impertinent, zu moquant ſein. — „Nun?“ fragte Frau Lange indignirt. „Hedwig Irmer, gnädige Frau ...“ — Adam ſetzte abſichtlich, mit einer kleinen, unſcheinbaren und doch, wie er wußte, nicht wirkungsloſen Betonung den Rufnamen voran — „Hedwig Irmer — ja! ... habe ich die Dame denn ſeitdem — — ſeit- dem? — richtig! ich machte ihrem Vater neulich einen Beſuch — und da —“ „Gefällt Ihnen Hedwig, Herr Doctor —?“ Frau Lange hatte ſich zurückgelehnt und ſtreckte die Hand nach ihrem Weinglaſe aus. Die wundervolle Plaſtik des Armes trat berückend hervor. Der Aermel ſtraffte ſich zurück, und das volle, runde Handgelenk ſchimmerte verführeriſch auf in ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/146
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/146>, abgerufen am 13.05.2024.