jetzt, werde ich mir dieser hagebüchenen Leere und Nüchternheit bewußt -- und dann krampft's sich in mir zusammen -- ach! ... Varus! Varus! Gieb mir meine Legionen wieder! ..."
Lydia sah den ihr gegenübersitzenden Adam ge- spannt an. Sie hielt sein Gesicht auch mit dem Auge fest, als August eintrat und den Wein brachte. Frau Lange verstand den Herrn Doctor im Grunde wohl kaum. Aber mit dem feinen Instinkt des Weibes fühlte sie, daß ihr Gast da etwas aus seinem Seelenleben preisgab, was für ihn schmerzliche Wahr- heit und Gültigkeit besaß.
"Nun ... nun, Herr Doctor .. in diesem Sinne -- -- ich wollte durchaus keine Beichte herausfordern .. verzeihen Sie, wenn ich Ihnen Gelegenheit zu einem Mißverständniß gab .. Bei meinem Vetter übrigens .. neulich Abends ... er- schienen Sie mir durchaus nicht so pessimistisch ... haben Sie inzwischen -- doch pardon! .. Und ... und damals empfing ich auch den Eindruck von Ihnen, daß man Sie durchaus nicht mit dem ersten besten Strohmann -- bewundern Sie nur meine Scatkennt- nisse! -- mir schien es also, als ob man Sie durch- aus nicht für einen Strohmann des Lebens halten dürfte .. Und darum meinte ich vorhin -- -- ach! ... Wissen Sie übrigens, Herr Doctor, daß ich Ihnen eigentlich .. eigentlich ein Wenig böse sein sollte? Sie --"
Lydia hatte sich erhoben und füllte die Gläser. Dabei sah sie, am Tische diskret eingewinkelt nach
jetzt, werde ich mir dieſer hagebüchenen Leere und Nüchternheit bewußt — und dann krampft's ſich in mir zuſammen — ach! ... Varus! Varus! Gieb mir meine Legionen wieder! ...“
Lydia ſah den ihr gegenüberſitzenden Adam ge- ſpannt an. Sie hielt ſein Geſicht auch mit dem Auge feſt, als Auguſt eintrat und den Wein brachte. Frau Lange verſtand den Herrn Doctor im Grunde wohl kaum. Aber mit dem feinen Inſtinkt des Weibes fühlte ſie, daß ihr Gaſt da etwas aus ſeinem Seelenleben preisgab, was für ihn ſchmerzliche Wahr- heit und Gültigkeit beſaß.
„Nun ... nun, Herr Doctor .. in dieſem Sinne — — ich wollte durchaus keine Beichte herausfordern .. verzeihen Sie, wenn ich Ihnen Gelegenheit zu einem Mißverſtändniß gab .. Bei meinem Vetter übrigens .. neulich Abends ... er- ſchienen Sie mir durchaus nicht ſo peſſimiſtiſch ... haben Sie inzwiſchen — doch pardon! .. Und ... und damals empfing ich auch den Eindruck von Ihnen, daß man Sie durchaus nicht mit dem erſten beſten Strohmann — bewundern Sie nur meine Scatkennt- niſſe! — mir ſchien es alſo, als ob man Sie durch- aus nicht für einen Strohmann des Lebens halten dürfte .. Und darum meinte ich vorhin — — ach! ... Wiſſen Sie übrigens, Herr Doctor, daß ich Ihnen eigentlich .. eigentlich ein Wenig böſe ſein ſollte? Sie —“
Lydia hatte ſich erhoben und füllte die Gläſer. Dabei ſah ſie, am Tiſche diskret eingewinkelt nach
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jetzt, werde ich mir dieſer hagebüchenen Leere und
Nüchternheit bewußt — und dann krampft's ſich in
mir zuſammen — ach! ... Varus! Varus! Gieb
mir meine Legionen wieder! ...“
Lydia ſah den ihr gegenüberſitzenden Adam ge-
ſpannt an. Sie hielt ſein Geſicht auch mit dem
Auge feſt, als Auguſt eintrat und den Wein brachte.
Frau Lange verſtand den Herrn Doctor im Grunde
wohl kaum. Aber mit dem feinen Inſtinkt des
Weibes fühlte ſie, daß ihr Gaſt da etwas aus ſeinem
Seelenleben preisgab, was für ihn ſchmerzliche Wahr-
heit und Gültigkeit beſaß.
„Nun ... nun, Herr Doctor .. in dieſem
Sinne — — ich wollte durchaus keine Beichte
herausfordern .. verzeihen Sie, wenn ich Ihnen
Gelegenheit zu einem Mißverſtändniß gab .. Bei
meinem Vetter übrigens .. neulich Abends ... er-
ſchienen Sie mir durchaus nicht ſo peſſimiſtiſch ...
haben Sie inzwiſchen — doch pardon! .. Und ...
und damals empfing ich auch den Eindruck von Ihnen,
daß man Sie durchaus nicht mit dem erſten beſten
Strohmann — bewundern Sie nur meine Scatkennt-
niſſe! — mir ſchien es alſo, als ob man Sie durch-
aus nicht für einen Strohmann des Lebens halten
dürfte .. Und darum meinte ich vorhin — —
ach! ... Wiſſen Sie übrigens, Herr Doctor, daß
ich Ihnen eigentlich .. eigentlich ein Wenig böſe
ſein ſollte? Sie —“
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/144>, abgerufen am 31.01.2025.
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