nur mit geringen Sinnlichkeitsaffecten verbundene Sympathie in ihm ausgelöst. Nun denn! -- so mußte es eben ihr Schicksal sein, was ihn reizte. Oder etwa ihre Sprödigkeit? Ihre Art, kalt und bestimmt abzuweisen ... ihre wie selbstverständlich dargestellte ... Selbständigkeit? Es war doch merk- würdig! Und da! ... da schäumte es auch in ihm auf ... da begehrte er plötzlich, diese Unge- berdigkeit zu zähmen, diesen Trotz zu brechen, diese Kälte zu bezwingen ... Da mußte er, wie süß und berauschend es sein müßte ... es wahr und wahrhaftig sein würde, diese herben Lippen zu küssen ... diesen verschlossenen Mund zu köstlichen Geständnissen zu bewegen ... Ein fanatischer Sehn- suchtsrausch war jäh über ihn gekommen. Ein starkes Leben durchpulste ihn ... ein einziges Wollen erfüllte ihn ganz. Seine Phantasie umhing die Geliebte mit Reizen, die sie kaum besaß. Aus allen Poren strömte Adam der Drang ... quoll ihm das glühende Begehren der entfesselten Leiden- schaft heraus ... Aber da verflüchtigte sich auch die heiße Sehnsucht des Blutes schon wieder. Eben war Adam noch der Gedanke gekommen, daß es doch eigentlich ganz praktisch sei, in dieser sinnlich- empfänglichen Stimmung zu Lydia zu gehen. Hedwig ... oh! Die Erinnerung an sie konnte seine Phantasie wohl mit tausend verführerisch-reizvollen Bildern speisen. Aber die Wirklichkeit? Die Dame war doch eigentlich schon zu eingefroren, zu steif, zu erkaltet. Und Adam liebte das Spontane, das Tu-
nur mit geringen Sinnlichkeitsaffecten verbundene Sympathie in ihm ausgelöſt. Nun denn! — ſo mußte es eben ihr Schickſal ſein, was ihn reizte. Oder etwa ihre Sprödigkeit? Ihre Art, kalt und beſtimmt abzuweiſen ... ihre wie ſelbſtverſtändlich dargeſtellte ... Selbſtändigkeit? Es war doch merk- würdig! Und da! ... da ſchäumte es auch in ihm auf ... da begehrte er plötzlich, dieſe Unge- berdigkeit zu zähmen, dieſen Trotz zu brechen, dieſe Kälte zu bezwingen ... Da mußte er, wie ſüß und berauſchend es ſein müßte ... es wahr und wahrhaftig ſein würde, dieſe herben Lippen zu küſſen ... dieſen verſchloſſenen Mund zu köſtlichen Geſtändniſſen zu bewegen ... Ein fanatiſcher Sehn- ſuchtsrauſch war jäh über ihn gekommen. Ein ſtarkes Leben durchpulſte ihn ... ein einziges Wollen erfüllte ihn ganz. Seine Phantaſie umhing die Geliebte mit Reizen, die ſie kaum beſaß. Aus allen Poren ſtrömte Adam der Drang ... quoll ihm das glühende Begehren der entfeſſelten Leiden- ſchaft heraus ... Aber da verflüchtigte ſich auch die heiße Sehnſucht des Blutes ſchon wieder. Eben war Adam noch der Gedanke gekommen, daß es doch eigentlich ganz praktiſch ſei, in dieſer ſinnlich- empfänglichen Stimmung zu Lydia zu gehen. Hedwig ... oh! Die Erinnerung an ſie konnte ſeine Phantaſie wohl mit tauſend verführeriſch-reizvollen Bildern ſpeiſen. Aber die Wirklichkeit? Die Dame war doch eigentlich ſchon zu eingefroren, zu ſteif, zu erkaltet. Und Adam liebte das Spontane, das Tu-
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nur mit geringen Sinnlichkeitsaffecten verbundene
Sympathie in ihm ausgelöſt. Nun denn! — ſo
mußte es eben ihr Schickſal ſein, was ihn reizte.
Oder etwa ihre Sprödigkeit? Ihre Art, kalt und
beſtimmt abzuweiſen ... ihre wie ſelbſtverſtändlich
dargeſtellte ... Selbſtändigkeit? Es war doch merk-
würdig! Und da! ... da ſchäumte es auch in
ihm auf ... da begehrte er plötzlich, dieſe Unge-
berdigkeit zu zähmen, dieſen Trotz zu brechen, dieſe
Kälte zu bezwingen ... Da mußte er, wie ſüß
und berauſchend es ſein müßte ... es wahr und
wahrhaftig ſein würde, dieſe herben Lippen zu
küſſen ... dieſen verſchloſſenen Mund zu köſtlichen
Geſtändniſſen zu bewegen ... Ein fanatiſcher Sehn-
ſuchtsrauſch war jäh über ihn gekommen. Ein
ſtarkes Leben durchpulſte ihn ... ein einziges
Wollen erfüllte ihn ganz. Seine Phantaſie umhing
die Geliebte mit Reizen, die ſie kaum beſaß. Aus
allen Poren ſtrömte Adam der Drang ... quoll
ihm das glühende Begehren der entfeſſelten Leiden-
ſchaft heraus ... Aber da verflüchtigte ſich auch
die heiße Sehnſucht des Blutes ſchon wieder. Eben
war Adam noch der Gedanke gekommen, daß es
doch eigentlich ganz praktiſch ſei, in dieſer ſinnlich-
empfänglichen Stimmung zu Lydia zu gehen.
Hedwig ... oh! Die Erinnerung an ſie konnte ſeine
Phantaſie wohl mit tauſend verführeriſch-reizvollen
Bildern ſpeiſen. Aber die Wirklichkeit? Die Dame
war doch eigentlich ſchon zu eingefroren, zu ſteif, zu
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/135>, abgerufen am 19.02.2025.
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