anschauung nicht anders. Der Pessimismus des Alters unterscheidet sich von dem der Jugend nur dadurch .. oder wenigstens in der Hauptsache nur dadurch, daß ihm auch starke ethische Elemente legirt sind .."
"Hm! Ich muß allerdings gestehen, daß es mit meinen ethischen Principien ziemlich schlecht bestellt ist .. Aber ... verzeihen Sie, Herr Doctor .. da kommt mir eine Frage -- ich will im Himmelswillen nicht indiscret sein -- nun -- also: finden Sie es mit Ihren ethischen Normen vereinbar, daß Sie Ihr Fräulein Tochter, die jung ist, wie ich, und gewiß Stimmungen, Bedürfnisse, Wünsche hat, wie ich -- ich schließe einzig und allein per Analogie -- daß Sie Ihr Fräulein Tochter also ganz in die Hände Ihrer Entsagungsphilosophie liefern? -- Halten Sie diese Praxis für absolut richtig --?"
Adam sah bei diesen, nicht ganz sicher und unbe- fangen gesprochenen Worten auf die Fingernägel seiner rechten, nach innen gekrümmten, in Schrittweite dem Gesicht genäherten Hand -- er hatte die Glaces, die ihm nicht besonders zu der schlichten Umgebung zu passen schienen, schon vorher abgezogen -- er sah auf die Fingernägel seiner rechten Hand, als wollte er sich in den kleinen, glänzenden Flächen spiegeln.
"Ah ... Hedwig! .. Nun ... Nun ... ich .. ich -- meine Tochter hat schon viel durchgemacht, Herr Doctor .. sehr viel. Ich glaube, es ist Zeit, daß sie zum Frieden kommt. Und dann ... warum soll ich's nicht gestehen? ..
anſchauung nicht anders. Der Peſſimismus des Alters unterſcheidet ſich von dem der Jugend nur dadurch .. oder wenigſtens in der Hauptſache nur dadurch, daß ihm auch ſtarke ethiſche Elemente legirt ſind ..“
„Hm! Ich muß allerdings geſtehen, daß es mit meinen ethiſchen Principien ziemlich ſchlecht beſtellt iſt .. Aber ... verzeihen Sie, Herr Doctor .. da kommt mir eine Frage — ich will im Himmelswillen nicht indiscret ſein — nun — alſo: finden Sie es mit Ihren ethiſchen Normen vereinbar, daß Sie Ihr Fräulein Tochter, die jung iſt, wie ich, und gewiß Stimmungen, Bedürfniſſe, Wünſche hat, wie ich — ich ſchließe einzig und allein per Analogie — daß Sie Ihr Fräulein Tochter alſo ganz in die Hände Ihrer Entſagungsphiloſophie liefern? — Halten Sie dieſe Praxis für abſolut richtig —?“
Adam ſah bei dieſen, nicht ganz ſicher und unbe- fangen geſprochenen Worten auf die Fingernägel ſeiner rechten, nach innen gekrümmten, in Schrittweite dem Geſicht genäherten Hand — er hatte die Glacés, die ihm nicht beſonders zu der ſchlichten Umgebung zu paſſen ſchienen, ſchon vorher abgezogen — er ſah auf die Fingernägel ſeiner rechten Hand, als wollte er ſich in den kleinen, glänzenden Flächen ſpiegeln.
„Ah ... Hedwig! .. Nun ... Nun ... ich .. ich — meine Tochter hat ſchon viel durchgemacht, Herr Doctor .. ſehr viel. Ich glaube, es iſt Zeit, daß ſie zum Frieden kommt. Und dann ... warum ſoll ich's nicht geſtehen? ..
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anſchauung nicht anders. Der Peſſimismus des
Alters unterſcheidet ſich von dem der Jugend nur
dadurch .. oder wenigſtens in der Hauptſache nur
dadurch, daß ihm auch ſtarke ethiſche Elemente
legirt ſind ..“
„Hm! Ich muß allerdings geſtehen, daß es mit
meinen ethiſchen Principien ziemlich ſchlecht beſtellt
iſt .. Aber ... verzeihen Sie, Herr Doctor .. da kommt
mir eine Frage — ich will im Himmelswillen nicht
indiscret ſein — nun — alſo: finden Sie es mit Ihren
ethiſchen Normen vereinbar, daß Sie Ihr Fräulein
Tochter, die jung iſt, wie ich, und gewiß Stimmungen,
Bedürfniſſe, Wünſche hat, wie ich — ich ſchließe
einzig und allein per Analogie — daß Sie Ihr
Fräulein Tochter alſo ganz in die Hände Ihrer
Entſagungsphiloſophie liefern? — Halten Sie dieſe
Praxis für abſolut richtig —?“
Adam ſah bei dieſen, nicht ganz ſicher und unbe-
fangen geſprochenen Worten auf die Fingernägel
ſeiner rechten, nach innen gekrümmten, in Schrittweite
dem Geſicht genäherten Hand — er hatte die Glacés,
die ihm nicht beſonders zu der ſchlichten Umgebung zu
paſſen ſchienen, ſchon vorher abgezogen — er ſah auf
die Fingernägel ſeiner rechten Hand, als wollte
er ſich in den kleinen, glänzenden Flächen ſpiegeln.
„Ah ... Hedwig! .. Nun ... Nun ... ich ..
ich — meine Tochter hat ſchon viel durchgemacht,
Herr Doctor .. ſehr viel. Ich glaube, es
iſt Zeit, daß ſie zum Frieden kommt. Und
dann ... warum ſoll ich's nicht geſtehen? ..
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/128>, abgerufen am 08.01.2025.
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