Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

die wirkend werden, durchcorrigiren .. Man verbeißt
sich nun so oft in sich, weil -- nun, weil es Einem
unbequem -- ja! eben unbequem ist, mit der größten
Freundin der Menschheit, mit der dreimal heiligen,
dreimal gebenedeiten Gewohnheit zu rechnen,
die Alles ebnet, Alles siebt, Alles schlichtet, Alles
glättet und versöhnt .... Das ist gewißlich wahr!."

Irmer lächelte, halb gutmüthig-belustigt, halb
ironisch. "Ich habe das Gefühl, Herr Doctor,"
begann er sodann, nachdem er eine kleine Pause
nach der buntscheckigen Rede Adams hatte verstreichen
lassen, -- "daß das Alles gar nicht Ihr Ernst
ist .. Ich höre nicht gut .. und Sie sprechen auch
nicht sehr laut, aber mir kommt es vor, als ob
Ihre Stimme etwas spöttisch geklungen hätte vor-
hin. Nun .. ich habe eine andere Art ... wenn
ich damit auch nicht gesagt haben will, daß ich nicht
auch einmal so wie Sie gedacht, gewollt und ge-
wünscht hätte .. das ist aber schon ein Weilchen
her .. so ein paar Jahrzehnte. Gehen Sie hinaus
in die Welt, lieber Doctor! Sie sind noch jung ..
Und wenn Sie älter ... alt -- älter ist manchmal
weniger, als alt -- geworden sind, auf ganz ge-
wöhnliche, hergebrachte Weise alt .. physiologisch
kühler und enger .. dann kommen Sie wieder ...
und Sie sind wieder "Pessimist", wie es Kant,
Schopenhauer, Goethe, Humboldt und die ganze
Gesellschaft von Kerlen, die Etwas bedeutet haben,
gewesen sind .. On revient toujours .. Sie ver-
stehen -- das ist auch in der philosophischen Welt-

die wirkend werden, durchcorrigiren .. Man verbeißt
ſich nun ſo oft in ſich, weil — nun, weil es Einem
unbequem — ja! eben unbequem iſt, mit der größten
Freundin der Menſchheit, mit der dreimal heiligen,
dreimal gebenedeiten Gewohnheit zu rechnen,
die Alles ebnet, Alles ſiebt, Alles ſchlichtet, Alles
glättet und verſöhnt .... Das iſt gewißlich wahr!.“

Irmer lächelte, halb gutmüthig-beluſtigt, halb
ironiſch. „Ich habe das Gefühl, Herr Doctor,“
begann er ſodann, nachdem er eine kleine Pauſe
nach der buntſcheckigen Rede Adams hatte verſtreichen
laſſen, — „daß das Alles gar nicht Ihr Ernſt
iſt .. Ich höre nicht gut .. und Sie ſprechen auch
nicht ſehr laut, aber mir kommt es vor, als ob
Ihre Stimme etwas ſpöttiſch geklungen hätte vor-
hin. Nun .. ich habe eine andere Art ... wenn
ich damit auch nicht geſagt haben will, daß ich nicht
auch einmal ſo wie Sie gedacht, gewollt und ge-
wünſcht hätte .. das iſt aber ſchon ein Weilchen
her .. ſo ein paar Jahrzehnte. Gehen Sie hinaus
in die Welt, lieber Doctor! Sie ſind noch jung ..
Und wenn Sie älter ... alt — älter iſt manchmal
weniger, als alt — geworden ſind, auf ganz ge-
wöhnliche, hergebrachte Weiſe alt .. phyſiologiſch
kühler und enger .. dann kommen Sie wieder ...
und Sie ſind wieder „Peſſimiſt“, wie es Kant,
Schopenhauer, Goethe, Humboldt und die ganze
Geſellſchaft von Kerlen, die Etwas bedeutet haben,
geweſen ſind .. On revient toujours .. Sie ver-
ſtehen — das iſt auch in der philoſophiſchen Welt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="119"/>
die wirkend werden, durchcorrigiren .. Man verbeißt<lb/>
&#x017F;ich nun &#x017F;o oft in &#x017F;ich, weil &#x2014; nun, weil es Einem<lb/>
unbequem &#x2014; ja! eben unbequem i&#x017F;t, mit der größten<lb/>
Freundin der Men&#x017F;chheit, mit der dreimal heiligen,<lb/>
dreimal gebenedeiten <hi rendition="#g">Gewohnheit</hi> zu rechnen,<lb/>
die Alles ebnet, Alles &#x017F;iebt, Alles &#x017F;chlichtet, Alles<lb/>
glättet und ver&#x017F;öhnt .... Das i&#x017F;t gewißlich wahr!.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Irmer lächelte, halb gutmüthig-belu&#x017F;tigt, halb<lb/>
ironi&#x017F;ch. &#x201E;Ich habe das Gefühl, Herr Doctor,&#x201C;<lb/>
begann er &#x017F;odann, nachdem er eine kleine Pau&#x017F;e<lb/>
nach der bunt&#x017F;checkigen Rede Adams hatte ver&#x017F;treichen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; &#x201E;daß das Alles gar nicht Ihr Ern&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t .. Ich höre nicht gut .. und Sie &#x017F;prechen auch<lb/>
nicht &#x017F;ehr laut, aber mir kommt es vor, als ob<lb/>
Ihre Stimme etwas &#x017F;pötti&#x017F;ch geklungen hätte vor-<lb/>
hin. Nun .. ich habe eine andere Art ... wenn<lb/>
ich damit auch nicht ge&#x017F;agt haben will, daß ich nicht<lb/>
auch einmal &#x017F;o wie Sie gedacht, gewollt und ge-<lb/>
wün&#x017F;cht hätte .. das i&#x017F;t aber &#x017F;chon ein Weilchen<lb/>
her .. &#x017F;o ein paar Jahrzehnte. Gehen Sie hinaus<lb/>
in die Welt, lieber Doctor! Sie &#x017F;ind noch jung ..<lb/>
Und wenn Sie älter ... alt &#x2014; älter i&#x017F;t manchmal<lb/>
weniger, als alt &#x2014; geworden &#x017F;ind, auf ganz ge-<lb/>
wöhnliche, hergebrachte Wei&#x017F;e alt .. phy&#x017F;iologi&#x017F;ch<lb/>
kühler und enger .. dann kommen Sie wieder ...<lb/>
und Sie &#x017F;ind wieder &#x201E;Pe&#x017F;&#x017F;imi&#x017F;t&#x201C;, wie es Kant,<lb/>
Schopenhauer, Goethe, Humboldt und die ganze<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Kerlen, die Etwas bedeutet haben,<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ind .. <hi rendition="#aq">On revient toujours</hi> .. Sie ver-<lb/>
&#x017F;tehen &#x2014; das i&#x017F;t auch in der philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Welt-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0127] die wirkend werden, durchcorrigiren .. Man verbeißt ſich nun ſo oft in ſich, weil — nun, weil es Einem unbequem — ja! eben unbequem iſt, mit der größten Freundin der Menſchheit, mit der dreimal heiligen, dreimal gebenedeiten Gewohnheit zu rechnen, die Alles ebnet, Alles ſiebt, Alles ſchlichtet, Alles glättet und verſöhnt .... Das iſt gewißlich wahr!.“ Irmer lächelte, halb gutmüthig-beluſtigt, halb ironiſch. „Ich habe das Gefühl, Herr Doctor,“ begann er ſodann, nachdem er eine kleine Pauſe nach der buntſcheckigen Rede Adams hatte verſtreichen laſſen, — „daß das Alles gar nicht Ihr Ernſt iſt .. Ich höre nicht gut .. und Sie ſprechen auch nicht ſehr laut, aber mir kommt es vor, als ob Ihre Stimme etwas ſpöttiſch geklungen hätte vor- hin. Nun .. ich habe eine andere Art ... wenn ich damit auch nicht geſagt haben will, daß ich nicht auch einmal ſo wie Sie gedacht, gewollt und ge- wünſcht hätte .. das iſt aber ſchon ein Weilchen her .. ſo ein paar Jahrzehnte. Gehen Sie hinaus in die Welt, lieber Doctor! Sie ſind noch jung .. Und wenn Sie älter ... alt — älter iſt manchmal weniger, als alt — geworden ſind, auf ganz ge- wöhnliche, hergebrachte Weiſe alt .. phyſiologiſch kühler und enger .. dann kommen Sie wieder ... und Sie ſind wieder „Peſſimiſt“, wie es Kant, Schopenhauer, Goethe, Humboldt und die ganze Geſellſchaft von Kerlen, die Etwas bedeutet haben, geweſen ſind .. On revient toujours .. Sie ver- ſtehen — das iſt auch in der philoſophiſchen Welt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/127
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/127>, abgerufen am 12.05.2024.