ganz eingepökelt werden .. in eine neue Umgebung ... in neue Verhältnisse kommen ... gegen den Strom jedweder Gewohnheit schwimmen .. natürlich "schwimmen" .. der Nüchternheit durch feinstes, epicureisches Lebensraffinement den Kopf zertreten ... Talent und Glück besitzen, um große, tiefe, volle Stimmungen provociren, genießen, festhalten zu können --: ich denke mir, wenn man das so könnte, wie man das so wollte, es müßte diesem sogenannten Dasein doch Reiz, Gestalt, Werth verleihen .. Ich glaube: so blasirt -- oder wenn nicht im Welt- mannssinne des Wortes blasirt, so doch: so gleich- gültig ich gegen das Alles auch bin, was ich jetzt besitzen, genießen .. oder mit forcirter Resignation verschmähen darf -- ich glaube: käme ich in eine Sphäre hinein, wo ich allen meinen Launen und Bedürfnissen fröhnen, wo ich mir Natur- und Kunst- genüsse ... wo ich mir Frauen, Wein, Spiel Sport, Luxus, kurz ein im großen Stile gehaltenes, im großen Stile ausgegebenes, ästhetisch feingeistig bestimmtes, reich nuancirtes Leben gestatten dürfte -- ich würde mit beiden Händen zugreifen und mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit vergessen, daß ich einmal in Schopenhauer'schem Panillusionismus gemacht habe -- das Märchen von den Trauben, die man sauer findet, weil sie zu hoch hängen, Herr Doctor -- nicht? Und mir scheint zudem auch: die individuelle Seelendisposition läßt sich in jungen Jahren noch ganz gehörig von den Verhält- nissen, also auch von eventuell neuen Einflüssen,
ganz eingepökelt werden .. in eine neue Umgebung ... in neue Verhältniſſe kommen ... gegen den Strom jedweder Gewohnheit ſchwimmen .. natürlich „ſchwimmen“ .. der Nüchternheit durch feinſtes, epicureiſches Lebensraffinement den Kopf zertreten ... Talent und Glück beſitzen, um große, tiefe, volle Stimmungen provociren, genießen, feſthalten zu können —: ich denke mir, wenn man das ſo könnte, wie man das ſo wollte, es müßte dieſem ſogenannten Daſein doch Reiz, Geſtalt, Werth verleihen .. Ich glaube: ſo blaſirt — oder wenn nicht im Welt- mannsſinne des Wortes blaſirt, ſo doch: ſo gleich- gültig ich gegen das Alles auch bin, was ich jetzt beſitzen, genießen .. oder mit forcirter Reſignation verſchmähen darf — ich glaube: käme ich in eine Sphäre hinein, wo ich allen meinen Launen und Bedürfniſſen fröhnen, wo ich mir Natur- und Kunſt- genüſſe ... wo ich mir Frauen, Wein, Spiel Sport, Luxus, kurz ein im großen Stile gehaltenes, im großen Stile ausgegebenes, äſthetiſch feingeiſtig beſtimmtes, reich nuancirtes Leben geſtatten dürfte — ich würde mit beiden Händen zugreifen und mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit vergeſſen, daß ich einmal in Schopenhauer'ſchem Panilluſionismus gemacht habe — das Märchen von den Trauben, die man ſauer findet, weil ſie zu hoch hängen, Herr Doctor — nicht? Und mir ſcheint zudem auch: die individuelle Seelendispoſition läßt ſich in jungen Jahren noch ganz gehörig von den Verhält- niſſen, alſo auch von eventuell neuen Einflüſſen,
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ganz eingepökelt werden .. in eine neue Umgebung ...
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jedweder Gewohnheit ſchwimmen .. natürlich
„ſchwimmen“ .. der Nüchternheit durch feinſtes,
epicureiſches Lebensraffinement den Kopf zertreten ...
Talent und Glück beſitzen, um große, tiefe, volle
Stimmungen provociren, genießen, feſthalten zu
können —: ich denke mir, wenn man das ſo könnte,
wie man das ſo wollte, es müßte dieſem ſogenannten
Daſein doch Reiz, Geſtalt, Werth verleihen .. Ich
glaube: ſo blaſirt — oder wenn nicht im Welt-
mannsſinne des Wortes blaſirt, ſo doch: ſo gleich-
gültig ich gegen das Alles auch bin, was ich jetzt
beſitzen, genießen .. oder mit forcirter Reſignation
verſchmähen darf — ich glaube: käme ich in eine
Sphäre hinein, wo ich allen meinen Launen und
Bedürfniſſen fröhnen, wo ich mir Natur- und Kunſt-
genüſſe ... wo ich mir Frauen, Wein, Spiel
Sport, Luxus, kurz ein im großen Stile gehaltenes,
im großen Stile ausgegebenes, äſthetiſch feingeiſtig
beſtimmtes, reich nuancirtes Leben geſtatten dürfte —
ich würde mit beiden Händen zugreifen und mit
liebenswürdiger Bereitwilligkeit vergeſſen, daß ich
einmal in Schopenhauer'ſchem Panilluſionismus
gemacht habe — das Märchen von den Trauben,
die man ſauer findet, weil ſie zu hoch hängen,
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jungen Jahren noch ganz gehörig von den Verhält-
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/126>, abgerufen am 05.01.2025.
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