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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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dings in Deutschland eine immer größere Rolle zu spielen be-
ginnt, wird sich nicht leugnen lassen. Aber das Eine ist nur
ein relativer Widerspruch zum Anderen, und die hauptsächliche
Thatsache bleibt eben die, welche wir hervorgehoben haben.
Es kann einer Reformbewegung nichts willkommener sein, als
wenn Links und Rechts sich um ihre Autorschaft streiten -
dann pflegt der Augenblick gekommen zu sein, da die Ecclesia
pressa
sich in eine Ecclesia triumphans verwandelt.

Weil nun aber mit diesem Referate die beste Darstellung
von dem Jnhalte der deutschen Frauenbewegung gegeben ist,
die ich habe finden können, so mag sie hier in Kürze wieder-
gegeben sein.

Die Frauen der unteren Classen gelangen in relativ größerer
Zahl zur Eheschließung, als die Frauen der höheren (mittleren)
Classen, und damit zur Erfüllung ihres Berufes in der Familie.
Sie sind aber daneben vielfach in der Jndustrie und sonst in
Lohnarbeit beschäftigt. Daher leiden sie durch Ueberlastung
mit Arbeit. Jm Gegensatz zu ihnen leiden die Frauen der
höheren Classen durch Mangel an Arbeit und Pflichten. Denn
die Schwierigkeit des Lebensunterhaltes hält den gebildeten
Mann häufiger und länger von der Eheschließung zurück, als
den Proletarier, dem die Frau den Lebensunterhalt erwerben
hilft. Und die Frauen der gebildeten Classen bleiben in so viel
größerer Zahl ledig, ohne daß sie für ihre Kräfte in fremden
Haushaltungen oder in anderen Berufsarten Beschäftigung
finden. Die Frauenbewegung will dieser Noth abhelfen. Zu
einem gerechten Urtheil über die Frauenbewegung gelangen wir
erst, wenn wir die Ursache der Nothlage verstehen. Sie liegt
vornehmlich in der Umwälzung der häuslichen Wirthschaft.
Die Familienwirthschaft alten Stils war eine kleine Welt, die
in der Frau ihren festen Punkt hatte. Die Frau schuf diese

dings in Deutschland eine immer größere Rolle zu spielen be-
ginnt, wird sich nicht leugnen lassen. Aber das Eine ist nur
ein relativer Widerspruch zum Anderen, und die hauptsächliche
Thatsache bleibt eben die, welche wir hervorgehoben haben.
Es kann einer Reformbewegung nichts willkommener sein, als
wenn Links und Rechts sich um ihre Autorschaft streiten –
dann pflegt der Augenblick gekommen zu sein, da die Ecclesia
pressa
sich in eine Ecclesia triumphans verwandelt.

Weil nun aber mit diesem Referate die beste Darstellung
von dem Jnhalte der deutschen Frauenbewegung gegeben ist,
die ich habe finden können, so mag sie hier in Kürze wieder-
gegeben sein.

Die Frauen der unteren Classen gelangen in relativ größerer
Zahl zur Eheschließung, als die Frauen der höheren (mittleren)
Classen, und damit zur Erfüllung ihres Berufes in der Familie.
Sie sind aber daneben vielfach in der Jndustrie und sonst in
Lohnarbeit beschäftigt. Daher leiden sie durch Ueberlastung
mit Arbeit. Jm Gegensatz zu ihnen leiden die Frauen der
höheren Classen durch Mangel an Arbeit und Pflichten. Denn
die Schwierigkeit des Lebensunterhaltes hält den gebildeten
Mann häufiger und länger von der Eheschließung zurück, als
den Proletarier, dem die Frau den Lebensunterhalt erwerben
hilft. Und die Frauen der gebildeten Classen bleiben in so viel
größerer Zahl ledig, ohne daß sie für ihre Kräfte in fremden
Haushaltungen oder in anderen Berufsarten Beschäftigung
finden. Die Frauenbewegung will dieser Noth abhelfen. Zu
einem gerechten Urtheil über die Frauenbewegung gelangen wir
erst, wenn wir die Ursache der Nothlage verstehen. Sie liegt
vornehmlich in der Umwälzung der häuslichen Wirthschaft.
Die Familienwirthschaft alten Stils war eine kleine Welt, die
in der Frau ihren festen Punkt hatte. Die Frau schuf diese

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[45/0061] dings in Deutschland eine immer größere Rolle zu spielen be- ginnt, wird sich nicht leugnen lassen. Aber das Eine ist nur ein relativer Widerspruch zum Anderen, und die hauptsächliche Thatsache bleibt eben die, welche wir hervorgehoben haben. Es kann einer Reformbewegung nichts willkommener sein, als wenn Links und Rechts sich um ihre Autorschaft streiten – dann pflegt der Augenblick gekommen zu sein, da die Ecclesia pressa sich in eine Ecclesia triumphans verwandelt. Weil nun aber mit diesem Referate die beste Darstellung von dem Jnhalte der deutschen Frauenbewegung gegeben ist, die ich habe finden können, so mag sie hier in Kürze wieder- gegeben sein. Die Frauen der unteren Classen gelangen in relativ größerer Zahl zur Eheschließung, als die Frauen der höheren (mittleren) Classen, und damit zur Erfüllung ihres Berufes in der Familie. Sie sind aber daneben vielfach in der Jndustrie und sonst in Lohnarbeit beschäftigt. Daher leiden sie durch Ueberlastung mit Arbeit. Jm Gegensatz zu ihnen leiden die Frauen der höheren Classen durch Mangel an Arbeit und Pflichten. Denn die Schwierigkeit des Lebensunterhaltes hält den gebildeten Mann häufiger und länger von der Eheschließung zurück, als den Proletarier, dem die Frau den Lebensunterhalt erwerben hilft. Und die Frauen der gebildeten Classen bleiben in so viel größerer Zahl ledig, ohne daß sie für ihre Kräfte in fremden Haushaltungen oder in anderen Berufsarten Beschäftigung finden. Die Frauenbewegung will dieser Noth abhelfen. Zu einem gerechten Urtheil über die Frauenbewegung gelangen wir erst, wenn wir die Ursache der Nothlage verstehen. Sie liegt vornehmlich in der Umwälzung der häuslichen Wirthschaft. Die Familienwirthschaft alten Stils war eine kleine Welt, die in der Frau ihren festen Punkt hatte. Die Frau schuf diese

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/61>, abgerufen am 28.11.2024.