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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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allerhand Bedenken auf, deren Begründung hinter dem hellen
Geiste der Rednerin zurückblieb.*)

Es war auch vergeblich, einen etwaigen Unterschied zwischen
den wesentlichen Zielen der seit einem Menschenalter in Deutsch-
land thätigen Frauenbewegung und den Zielen der Rednerin
zu behaupten. Der sachliche Unterschied, wenn davon überhaupt
geredet werden konnte, war gering; der in der That etwa vor-
handene Unterschied lag in der Form, lag in der Anordnung
des Gegenstandes, in der Klarheit der Gründe und der Forde-
rungen. Auch das ästhetisch-romantische Element, welches etwas
stärker hervortrat, war doch nur ein berechtigtes Mittel rednerischen
Schmuckes und wirksamer Zuspitzung für den gegebenen Zweck
und für die anwesenden Hörer.

Jn den Tageszeitungen entstand daher ein Streit darüber,
ob hier etwas Neues gesagt sei gegenüber der so viel älteren
Bewegung, welche wesentlich von liberaler Seite unterstützt
worden war. Jn der That löst sich dieser Gegensatz in das
Zugeständniß auf, daß hier eine so lange als fortschrittlich oder
radical angesehene Reformbewegung Beifall fand in einer Ver-
sammlung von Männern (und Frauen), die sich ihrer Mehrzahl
nach conservativ nennen und es zum großen Theil auch sind.
Daß hierbei freilich jene Kreuzung von kirchlich-conservativen
und social-radicalen Elementen mitbeteiligt war, welche neuer-

*) "Es ist für die Männer beschämend, daß fraglos die bedeu-
tendste und zwar formell wie inhaltlich bedeutendste Leitung, das,
was dem ganzen heurigen Congreß das Colorit, die entscheidende
Stimmung gab, von einer Frau dargeboten worden ist; beschämend
zumal für Diejenigen, welche ... schwerste Bedenken gegen das
Auftreten einer Frau ausgesprochen haben." So lauten die Worte
eines Theilnehmers am Congresse, der eine treffliche Kritik desselben
in der Zeitschrift "Die Wahrheit" (Nr. 43, 1895) geliefert hat.

allerhand Bedenken auf, deren Begründung hinter dem hellen
Geiste der Rednerin zurückblieb.*)

Es war auch vergeblich, einen etwaigen Unterschied zwischen
den wesentlichen Zielen der seit einem Menschenalter in Deutsch-
land thätigen Frauenbewegung und den Zielen der Rednerin
zu behaupten. Der sachliche Unterschied, wenn davon überhaupt
geredet werden konnte, war gering; der in der That etwa vor-
handene Unterschied lag in der Form, lag in der Anordnung
des Gegenstandes, in der Klarheit der Gründe und der Forde-
rungen. Auch das ästhetisch-romantische Element, welches etwas
stärker hervortrat, war doch nur ein berechtigtes Mittel rednerischen
Schmuckes und wirksamer Zuspitzung für den gegebenen Zweck
und für die anwesenden Hörer.

Jn den Tageszeitungen entstand daher ein Streit darüber,
ob hier etwas Neues gesagt sei gegenüber der so viel älteren
Bewegung, welche wesentlich von liberaler Seite unterstützt
worden war. Jn der That löst sich dieser Gegensatz in das
Zugeständniß auf, daß hier eine so lange als fortschrittlich oder
radical angesehene Reformbewegung Beifall fand in einer Ver-
sammlung von Männern (und Frauen), die sich ihrer Mehrzahl
nach conservativ nennen und es zum großen Theil auch sind.
Daß hierbei freilich jene Kreuzung von kirchlich-conservativen
und social-radicalen Elementen mitbeteiligt war, welche neuer-

*) „Es ist für die Männer beschämend, daß fraglos die bedeu-
tendste und zwar formell wie inhaltlich bedeutendste Leitung, das,
was dem ganzen heurigen Congreß das Colorit, die entscheidende
Stimmung gab, von einer Frau dargeboten worden ist; beschämend
zumal für Diejenigen, welche … schwerste Bedenken gegen das
Auftreten einer Frau ausgesprochen haben.“ So lauten die Worte
eines Theilnehmers am Congresse, der eine treffliche Kritik desselben
in der Zeitschrift „Die Wahrheit“ (Nr. 43, 1895) geliefert hat.
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[44/0060] allerhand Bedenken auf, deren Begründung hinter dem hellen Geiste der Rednerin zurückblieb. *) Es war auch vergeblich, einen etwaigen Unterschied zwischen den wesentlichen Zielen der seit einem Menschenalter in Deutsch- land thätigen Frauenbewegung und den Zielen der Rednerin zu behaupten. Der sachliche Unterschied, wenn davon überhaupt geredet werden konnte, war gering; der in der That etwa vor- handene Unterschied lag in der Form, lag in der Anordnung des Gegenstandes, in der Klarheit der Gründe und der Forde- rungen. Auch das ästhetisch-romantische Element, welches etwas stärker hervortrat, war doch nur ein berechtigtes Mittel rednerischen Schmuckes und wirksamer Zuspitzung für den gegebenen Zweck und für die anwesenden Hörer. Jn den Tageszeitungen entstand daher ein Streit darüber, ob hier etwas Neues gesagt sei gegenüber der so viel älteren Bewegung, welche wesentlich von liberaler Seite unterstützt worden war. Jn der That löst sich dieser Gegensatz in das Zugeständniß auf, daß hier eine so lange als fortschrittlich oder radical angesehene Reformbewegung Beifall fand in einer Ver- sammlung von Männern (und Frauen), die sich ihrer Mehrzahl nach conservativ nennen und es zum großen Theil auch sind. Daß hierbei freilich jene Kreuzung von kirchlich-conservativen und social-radicalen Elementen mitbeteiligt war, welche neuer- *) „Es ist für die Männer beschämend, daß fraglos die bedeu- tendste und zwar formell wie inhaltlich bedeutendste Leitung, das, was dem ganzen heurigen Congreß das Colorit, die entscheidende Stimmung gab, von einer Frau dargeboten worden ist; beschämend zumal für Diejenigen, welche … schwerste Bedenken gegen das Auftreten einer Frau ausgesprochen haben.“ So lauten die Worte eines Theilnehmers am Congresse, der eine treffliche Kritik desselben in der Zeitschrift „Die Wahrheit“ (Nr. 43, 1895) geliefert hat.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/60>, abgerufen am 18.04.2024.