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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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dazu aber gehöre eine besonnene Prüfung. Jn der Debatte
war es ein namhaftes Mitglied der conservativen Partei (Stöcker),
welches erklärte, man müsse der deutschen Frauenbewegung für
Erweiterung des weiblichen Berufes das Zeugniß geben, daß
sie unter allen Völkern die maßvollste, besonnenste und ruhigste
ist. Es sei gewiß richtig, wenn man den Grundsatz aufstellte,
die Frau gehöre ins Haus; aber obwohl diesem Grundsatz will-
fahrt werde, bleiben doch Tausende und Abertausende von ge-
bildeten Frauen zurück, welche einen Beruf suchen und keinen
finden. Man stehe vor einem Nothstand, den man durch bloßes
Abweisen nicht beseitigen könne. Für diese Tausende von
Frauen müssen die Schranken des weiblichen Erwerbs erweitert
werden; und da bieten sich zweierlei Thätigkeiten dar - die
höhere Schule und der ärztliche Beruf. Lehrerinnen bis in die
obersten Classen unterrichten zu lassen, habe sich vollkommen
bewährt. Das zweite Feld ist die ärztliche Praxis an Frauen
und Kindern. Daß die Schwierigkeiten des ärztlichen Berufes
die Kraft der Frau übersteigen, sei unrichtig. Was Diakonissen,
barmherzige Schwestern, Hebammen leisten, zeige, was auf diesen
Gebieten eine Frau zu leisten vermag. Die Schwierigkeiten
liegen in der Ausbildung zu den studirten Berufsarten. Ein
gemeinsames medicinisches Studium von Studentinnen und
Studenten sei etwas Unmögliches nach den deutschen Begriffen
von der Scheidung der Geschlechter. Vielleicht könnte man an
Krankenhäuser Akademien anschließen, wo Frauen für den ärzt-
lichen Beruf ausgebildet werden.

Welchen Fortschritt seit jenen Debatten die Angelegenheit
gemacht hat, zeigte sich in den Verhandlungen der Unterrichts-
commission des preußischen Abgeordnetenhauses zu Anfang Juli
1895. Hier lagen zwei neue Petitionen vor, deren eine die
Ablegung der Reifeprüfung für die Universität, sowie den Besuch

dazu aber gehöre eine besonnene Prüfung. Jn der Debatte
war es ein namhaftes Mitglied der conservativen Partei (Stöcker),
welches erklärte, man müsse der deutschen Frauenbewegung für
Erweiterung des weiblichen Berufes das Zeugniß geben, daß
sie unter allen Völkern die maßvollste, besonnenste und ruhigste
ist. Es sei gewiß richtig, wenn man den Grundsatz aufstellte,
die Frau gehöre ins Haus; aber obwohl diesem Grundsatz will-
fahrt werde, bleiben doch Tausende und Abertausende von ge-
bildeten Frauen zurück, welche einen Beruf suchen und keinen
finden. Man stehe vor einem Nothstand, den man durch bloßes
Abweisen nicht beseitigen könne. Für diese Tausende von
Frauen müssen die Schranken des weiblichen Erwerbs erweitert
werden; und da bieten sich zweierlei Thätigkeiten dar – die
höhere Schule und der ärztliche Beruf. Lehrerinnen bis in die
obersten Classen unterrichten zu lassen, habe sich vollkommen
bewährt. Das zweite Feld ist die ärztliche Praxis an Frauen
und Kindern. Daß die Schwierigkeiten des ärztlichen Berufes
die Kraft der Frau übersteigen, sei unrichtig. Was Diakonissen,
barmherzige Schwestern, Hebammen leisten, zeige, was auf diesen
Gebieten eine Frau zu leisten vermag. Die Schwierigkeiten
liegen in der Ausbildung zu den studirten Berufsarten. Ein
gemeinsames medicinisches Studium von Studentinnen und
Studenten sei etwas Unmögliches nach den deutschen Begriffen
von der Scheidung der Geschlechter. Vielleicht könnte man an
Krankenhäuser Akademien anschließen, wo Frauen für den ärzt-
lichen Beruf ausgebildet werden.

Welchen Fortschritt seit jenen Debatten die Angelegenheit
gemacht hat, zeigte sich in den Verhandlungen der Unterrichts-
commission des preußischen Abgeordnetenhauses zu Anfang Juli
1895. Hier lagen zwei neue Petitionen vor, deren eine die
Ablegung der Reifeprüfung für die Universität, sowie den Besuch

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[36/0052] dazu aber gehöre eine besonnene Prüfung. Jn der Debatte war es ein namhaftes Mitglied der conservativen Partei (Stöcker), welches erklärte, man müsse der deutschen Frauenbewegung für Erweiterung des weiblichen Berufes das Zeugniß geben, daß sie unter allen Völkern die maßvollste, besonnenste und ruhigste ist. Es sei gewiß richtig, wenn man den Grundsatz aufstellte, die Frau gehöre ins Haus; aber obwohl diesem Grundsatz will- fahrt werde, bleiben doch Tausende und Abertausende von ge- bildeten Frauen zurück, welche einen Beruf suchen und keinen finden. Man stehe vor einem Nothstand, den man durch bloßes Abweisen nicht beseitigen könne. Für diese Tausende von Frauen müssen die Schranken des weiblichen Erwerbs erweitert werden; und da bieten sich zweierlei Thätigkeiten dar – die höhere Schule und der ärztliche Beruf. Lehrerinnen bis in die obersten Classen unterrichten zu lassen, habe sich vollkommen bewährt. Das zweite Feld ist die ärztliche Praxis an Frauen und Kindern. Daß die Schwierigkeiten des ärztlichen Berufes die Kraft der Frau übersteigen, sei unrichtig. Was Diakonissen, barmherzige Schwestern, Hebammen leisten, zeige, was auf diesen Gebieten eine Frau zu leisten vermag. Die Schwierigkeiten liegen in der Ausbildung zu den studirten Berufsarten. Ein gemeinsames medicinisches Studium von Studentinnen und Studenten sei etwas Unmögliches nach den deutschen Begriffen von der Scheidung der Geschlechter. Vielleicht könnte man an Krankenhäuser Akademien anschließen, wo Frauen für den ärzt- lichen Beruf ausgebildet werden. Welchen Fortschritt seit jenen Debatten die Angelegenheit gemacht hat, zeigte sich in den Verhandlungen der Unterrichts- commission des preußischen Abgeordnetenhauses zu Anfang Juli 1895. Hier lagen zwei neue Petitionen vor, deren eine die Ablegung der Reifeprüfung für die Universität, sowie den Besuch

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/52>, abgerufen am 05.12.2024.