Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts anderes. Die uns unverständliche Wichtigkeit, welche der
Sache beigelegt wird*), hängt mit einer Seite derselben zu-
sammen, die für deutsche Universitäten längst etwas Unbekanntes
ist. Es ist die Bedeutung, welche die Gemeinschaft der Gra-
duirten für das Leben der Universitäts-Corporation hat. Nur
durch diese Bedeutung kann es uns begreiflich werden, wenn
der Kampf die Leidenschaften der sonst so ruhigen Engländer,
und gar der Ruhe von Oxford und Cambridge, in einer Weise
erregt hat, wie es uns in einem Nachklange etwa der Artikel
von Goldwin Smith zeigt, der den Weltuntergang nahe herbei-
gekommen sieht**):

"Es ist nicht der Grad des Baccalaureus Artium, sondern
das ganze Universitätssystem, welches in Frage steht. Gebt
den B. A.-Grad und Jhr werdet auch den Magister Artium
gewähren müssen mit dem Sitze in der Convocation, der Con-
gregation und dem Council. Jhr werdet dann die Frauen zur
Bewerbung um Preise und Auszeichnungen, um Stipendien
u. s. w. zulassen müssen. Dann wird der Anspruch auf die
Professuren folgen. Fortwährend und immer von neuem, von
Stufe zu Stufe, wird an die Galanterie appellirt werden und
die zarten Einflüsse werden sich erneut bewähren. Bei dieser
Strömung fange ich an daran zu denken, daß, wenn ich noch
ein paar Jahre lebe, ich den letzten Dichter, das letzte Roß
und das letzte Weib sehen werde. An die Stelle des Dichters
wird der experimentelle Forscher, an die Stelle des Rosses das
Stahlroß, an die Stelle des Weibes das ,neue Weib' treten."

Jn der That haben die Freunde des Alten Grund zu Be-

*) Vergl. einen Bericht darüber in den "Hochschul-Nachrichten",
München, Februar 1896, Nr. 65 p. 55-57.
**) Saturday Review, April 18, 1896.

nichts anderes. Die uns unverständliche Wichtigkeit, welche der
Sache beigelegt wird*), hängt mit einer Seite derselben zu-
sammen, die für deutsche Universitäten längst etwas Unbekanntes
ist. Es ist die Bedeutung, welche die Gemeinschaft der Gra-
duirten für das Leben der Universitäts-Corporation hat. Nur
durch diese Bedeutung kann es uns begreiflich werden, wenn
der Kampf die Leidenschaften der sonst so ruhigen Engländer,
und gar der Ruhe von Oxford und Cambridge, in einer Weise
erregt hat, wie es uns in einem Nachklange etwa der Artikel
von Goldwin Smith zeigt, der den Weltuntergang nahe herbei-
gekommen sieht**):

„Es ist nicht der Grad des Baccalaureus Artium, sondern
das ganze Universitätssystem, welches in Frage steht. Gebt
den B. A.-Grad und Jhr werdet auch den Magister Artium
gewähren müssen mit dem Sitze in der Convocation, der Con-
gregation und dem Council. Jhr werdet dann die Frauen zur
Bewerbung um Preise und Auszeichnungen, um Stipendien
u. s. w. zulassen müssen. Dann wird der Anspruch auf die
Professuren folgen. Fortwährend und immer von neuem, von
Stufe zu Stufe, wird an die Galanterie appellirt werden und
die zarten Einflüsse werden sich erneut bewähren. Bei dieser
Strömung fange ich an daran zu denken, daß, wenn ich noch
ein paar Jahre lebe, ich den letzten Dichter, das letzte Roß
und das letzte Weib sehen werde. An die Stelle des Dichters
wird der experimentelle Forscher, an die Stelle des Rosses das
Stahlroß, an die Stelle des Weibes das ‚neue Weib‘ treten.“

Jn der That haben die Freunde des Alten Grund zu Be-

*) Vergl. einen Bericht darüber in den „Hochschul-Nachrichten“,
München, Februar 1896, Nr. 65 p. 55-57.
**) Saturday Review, April 18, 1896.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="183"/>
nichts anderes. Die uns unverständliche Wichtigkeit, welche der<lb/>
Sache beigelegt wird<note place="foot" n="*)"> Vergl. einen Bericht darüber in den &#x201E;Hochschul-Nachrichten&#x201C;,<lb/>
München, Februar 1896, Nr. 65 <hi rendition="#aq">p</hi>. 55-57.</note>, hängt mit einer Seite derselben zu-<lb/>
sammen, die für deutsche Universitäten längst etwas Unbekanntes<lb/>
ist. Es ist die Bedeutung, welche die Gemeinschaft der Gra-<lb/>
duirten für das Leben der Universitäts-Corporation hat. Nur<lb/>
durch diese Bedeutung kann es uns begreiflich werden, wenn<lb/>
der Kampf die Leidenschaften der sonst so ruhigen Engländer,<lb/>
und gar der Ruhe von Oxford und Cambridge, in einer Weise<lb/>
erregt hat, wie es uns in einem Nachklange etwa der Artikel<lb/>
von Goldwin Smith zeigt, der den Weltuntergang nahe herbei-<lb/>
gekommen sieht<note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Saturday Review, April</hi> 18, 1896.</note>:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es ist nicht der Grad des <hi rendition="#aq">Baccalaureus Artium</hi>, sondern<lb/>
das ganze Universitätssystem, welches in Frage steht. Gebt<lb/>
den <hi rendition="#aq">B. A.</hi>-Grad und Jhr werdet auch den <hi rendition="#aq">Magister Artium</hi><lb/>
gewähren müssen mit dem Sitze in der Convocation, der Con-<lb/>
gregation und dem Council. Jhr werdet dann die Frauen zur<lb/>
Bewerbung um Preise und Auszeichnungen, um Stipendien<lb/>
u. s. w. zulassen müssen. Dann wird der Anspruch auf die<lb/>
Professuren folgen. Fortwährend und immer von neuem, von<lb/>
Stufe zu Stufe, wird an die Galanterie appellirt werden und<lb/>
die zarten Einflüsse werden sich erneut bewähren. Bei dieser<lb/>
Strömung fange ich an daran zu denken, daß, wenn ich noch<lb/>
ein paar Jahre lebe, ich den letzten Dichter, das letzte Roß<lb/>
und das letzte Weib sehen werde. An die Stelle des Dichters<lb/>
wird der experimentelle Forscher, an die Stelle des Rosses das<lb/>
Stahlroß, an die Stelle des Weibes das &#x201A;neue Weib&#x2018; treten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Jn der That haben die Freunde des Alten Grund zu Be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0199] nichts anderes. Die uns unverständliche Wichtigkeit, welche der Sache beigelegt wird *), hängt mit einer Seite derselben zu- sammen, die für deutsche Universitäten längst etwas Unbekanntes ist. Es ist die Bedeutung, welche die Gemeinschaft der Gra- duirten für das Leben der Universitäts-Corporation hat. Nur durch diese Bedeutung kann es uns begreiflich werden, wenn der Kampf die Leidenschaften der sonst so ruhigen Engländer, und gar der Ruhe von Oxford und Cambridge, in einer Weise erregt hat, wie es uns in einem Nachklange etwa der Artikel von Goldwin Smith zeigt, der den Weltuntergang nahe herbei- gekommen sieht **): „Es ist nicht der Grad des Baccalaureus Artium, sondern das ganze Universitätssystem, welches in Frage steht. Gebt den B. A.-Grad und Jhr werdet auch den Magister Artium gewähren müssen mit dem Sitze in der Convocation, der Con- gregation und dem Council. Jhr werdet dann die Frauen zur Bewerbung um Preise und Auszeichnungen, um Stipendien u. s. w. zulassen müssen. Dann wird der Anspruch auf die Professuren folgen. Fortwährend und immer von neuem, von Stufe zu Stufe, wird an die Galanterie appellirt werden und die zarten Einflüsse werden sich erneut bewähren. Bei dieser Strömung fange ich an daran zu denken, daß, wenn ich noch ein paar Jahre lebe, ich den letzten Dichter, das letzte Roß und das letzte Weib sehen werde. An die Stelle des Dichters wird der experimentelle Forscher, an die Stelle des Rosses das Stahlroß, an die Stelle des Weibes das ‚neue Weib‘ treten.“ Jn der That haben die Freunde des Alten Grund zu Be- *) Vergl. einen Bericht darüber in den „Hochschul-Nachrichten“, München, Februar 1896, Nr. 65 p. 55-57. **) Saturday Review, April 18, 1896.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/199
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/199>, abgerufen am 11.05.2024.