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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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standes; sie sollen nur eine ungefähre Empfindung dafür geben,
daß vielerlei und seit lange vorausgegangen ist, was die heutigen
Bestrebungen für das Frauenstudium vorbereitet hat.

Größeren Nachdruck möchte ich auf die Vorgänge des Aus-
landes in der Gegenwart legen. Denn in diesen erst beginnt,
was so lange eine Curiosität und Ausnahme gewesen, sich in
ein normales Stück geistiger Ausbildung und regelmäßigen
Berufsstudiums zu verwandeln. Was man uns auch von den
gelehrten Nonnen des Mittelalters, den weiblichen Professoren
Jtaliens und den Frauen der Renaissance bis herab zu den
gelehrten Frauenzimmern Deutschlands erzählen mag - das
ungläubige Ohr kann daraus leicht etwas Aehnliches heraus
hören, wie die Töne des sechsjährigen Musikvirtuosen, den seine
Eltern als ein Weltwunder herumführen, das ebensoviel Kopf-
schütteln als Bewunderung hervorruft. Was dagegen heute um
unsere Grenzen herum bei den anderen Culturvölkern sich ent-
wickelt hat, mit einer Energie und Unwiderstehlichkeit, daß es
längst begonnen hat, die Grenzen zu überwinden und zu uns
hereinzudringen; was den Charakter einer Einzelerscheinung
längst abgestreift, ja von Anfang an wie eine neue Jnstitution
sich festgesetzt und Wurzel geschlagen hat - das nimmt für
sich dieselbe Aufmerksamkeit in Anspruch, wie jede andere Seite
des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens dieser Nachbar-
Nationen.

Die Frage bleibt ja immer: was bedeutet für uns eine
solche Erscheinung in dem Leben anderer Völker? Welche Be-
weiskraft wohnt einer solchen Entwickelung des Auslandes für
die Anerkennung ihres Beispiels im eigenen Lande bei? Wir
haben weiter oben, da, wo wir von der abstracten Forderung
der Gleichstellung des weiblichen Geschlechts sprachen, es als
einen lobenswerthen Charakterzug der deutschen Frauenbewegung

standes; sie sollen nur eine ungefähre Empfindung dafür geben,
daß vielerlei und seit lange vorausgegangen ist, was die heutigen
Bestrebungen für das Frauenstudium vorbereitet hat.

Größeren Nachdruck möchte ich auf die Vorgänge des Aus-
landes in der Gegenwart legen. Denn in diesen erst beginnt,
was so lange eine Curiosität und Ausnahme gewesen, sich in
ein normales Stück geistiger Ausbildung und regelmäßigen
Berufsstudiums zu verwandeln. Was man uns auch von den
gelehrten Nonnen des Mittelalters, den weiblichen Professoren
Jtaliens und den Frauen der Renaissance bis herab zu den
gelehrten Frauenzimmern Deutschlands erzählen mag – das
ungläubige Ohr kann daraus leicht etwas Aehnliches heraus
hören, wie die Töne des sechsjährigen Musikvirtuosen, den seine
Eltern als ein Weltwunder herumführen, das ebensoviel Kopf-
schütteln als Bewunderung hervorruft. Was dagegen heute um
unsere Grenzen herum bei den anderen Culturvölkern sich ent-
wickelt hat, mit einer Energie und Unwiderstehlichkeit, daß es
längst begonnen hat, die Grenzen zu überwinden und zu uns
hereinzudringen; was den Charakter einer Einzelerscheinung
längst abgestreift, ja von Anfang an wie eine neue Jnstitution
sich festgesetzt und Wurzel geschlagen hat – das nimmt für
sich dieselbe Aufmerksamkeit in Anspruch, wie jede andere Seite
des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens dieser Nachbar-
Nationen.

Die Frage bleibt ja immer: was bedeutet für uns eine
solche Erscheinung in dem Leben anderer Völker? Welche Be-
weiskraft wohnt einer solchen Entwickelung des Auslandes für
die Anerkennung ihres Beispiels im eigenen Lande bei? Wir
haben weiter oben, da, wo wir von der abstracten Forderung
der Gleichstellung des weiblichen Geschlechts sprachen, es als
einen lobenswerthen Charakterzug der deutschen Frauenbewegung

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[165/0181] standes; sie sollen nur eine ungefähre Empfindung dafür geben, daß vielerlei und seit lange vorausgegangen ist, was die heutigen Bestrebungen für das Frauenstudium vorbereitet hat. Größeren Nachdruck möchte ich auf die Vorgänge des Aus- landes in der Gegenwart legen. Denn in diesen erst beginnt, was so lange eine Curiosität und Ausnahme gewesen, sich in ein normales Stück geistiger Ausbildung und regelmäßigen Berufsstudiums zu verwandeln. Was man uns auch von den gelehrten Nonnen des Mittelalters, den weiblichen Professoren Jtaliens und den Frauen der Renaissance bis herab zu den gelehrten Frauenzimmern Deutschlands erzählen mag – das ungläubige Ohr kann daraus leicht etwas Aehnliches heraus hören, wie die Töne des sechsjährigen Musikvirtuosen, den seine Eltern als ein Weltwunder herumführen, das ebensoviel Kopf- schütteln als Bewunderung hervorruft. Was dagegen heute um unsere Grenzen herum bei den anderen Culturvölkern sich ent- wickelt hat, mit einer Energie und Unwiderstehlichkeit, daß es längst begonnen hat, die Grenzen zu überwinden und zu uns hereinzudringen; was den Charakter einer Einzelerscheinung längst abgestreift, ja von Anfang an wie eine neue Jnstitution sich festgesetzt und Wurzel geschlagen hat – das nimmt für sich dieselbe Aufmerksamkeit in Anspruch, wie jede andere Seite des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens dieser Nachbar- Nationen. Die Frage bleibt ja immer: was bedeutet für uns eine solche Erscheinung in dem Leben anderer Völker? Welche Be- weiskraft wohnt einer solchen Entwickelung des Auslandes für die Anerkennung ihres Beispiels im eigenen Lande bei? Wir haben weiter oben, da, wo wir von der abstracten Forderung der Gleichstellung des weiblichen Geschlechts sprachen, es als einen lobenswerthen Charakterzug der deutschen Frauenbewegung

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/181>, abgerufen am 26.04.2024.