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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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zweifeln, daß, wenn die Führung des Haushaltes etwa 25 bis
30 Jahre lang in den Händen unserer Chemiker oder Jn-
genieure ruhen würde, eine gänzliche Umgestaltung Platz
griffe, und wir über Bequemlichkeiten und Vortheile in Bezug
auf vernünftige und sparsame Ernährung, auf Wohnungs-
einrichtungen, auf Hülfsmittel dieselben gesund und bequem zu
erhalten, verfügen würden, von denen unsere Hausfrauen sich
heute nichts träumen lassen? Das Alles könnten Menschen
leisten, die eine tüchtige Bildung erlangt hätten, und die nicht
in dem aufreibenden Sparsystem um Knöpfe und Zündhölzer
das Jdeal einer Wirthschaftsführung erblicken würden.

"Jm Zeitalter der Antisepsis verstehen es unsere Haus-
frauen noch nicht, tadellose Conserven zu bereiten, und während
die Chemie die Verbindungen aller Art synthetisch darstellt,
sträuben sich die "guten" Hausfrauen gegen das Eindringen
der Kunstbutter, obwohl ihnen von allen Sachverständigen ver-
sichert wird, daß das Product in seinen Bestandtheilen der
sogenannten natürlichen Butter vollkommen gleich ist. Die
Folge davon ist nur, daß die Kunstbutter unter falscher Marke
und für theures Geld den Markt beherrscht, während sie, als
Kunstbutter verkauft, den Vorurtheilsfreien billige Waare liefern
würde.

"Jn den Schulen müßte ein ganzer, großer Haushalt ge-
führt und alle Arbeit von den Schülerinnen geleistet werden ...
und wenn einmal die so geschulten Mädchen eine bedeutende
Zahl erreicht haben, dann werden sie auch gemeinsam all den
veralteten Plunder über Bord werfen, den wir seit Jahr-
hunderten mitschleppen. Ein in solcher Schule erzogenes Mädchen,
gehört es den unteren Ständen an, und tritt es in eine dienende
Stellung ein, würde jene Biegsamkeit des Jntellects erlangen,
um den Anforderungen ihrer Dienstgeber zu entsprechen und

zweifeln, daß, wenn die Führung des Haushaltes etwa 25 bis
30 Jahre lang in den Händen unserer Chemiker oder Jn-
genieure ruhen würde, eine gänzliche Umgestaltung Platz
griffe, und wir über Bequemlichkeiten und Vortheile in Bezug
auf vernünftige und sparsame Ernährung, auf Wohnungs-
einrichtungen, auf Hülfsmittel dieselben gesund und bequem zu
erhalten, verfügen würden, von denen unsere Hausfrauen sich
heute nichts träumen lassen? Das Alles könnten Menschen
leisten, die eine tüchtige Bildung erlangt hätten, und die nicht
in dem aufreibenden Sparsystem um Knöpfe und Zündhölzer
das Jdeal einer Wirthschaftsführung erblicken würden.

„Jm Zeitalter der Antisepsis verstehen es unsere Haus-
frauen noch nicht, tadellose Conserven zu bereiten, und während
die Chemie die Verbindungen aller Art synthetisch darstellt,
sträuben sich die „guten“ Hausfrauen gegen das Eindringen
der Kunstbutter, obwohl ihnen von allen Sachverständigen ver-
sichert wird, daß das Product in seinen Bestandtheilen der
sogenannten natürlichen Butter vollkommen gleich ist. Die
Folge davon ist nur, daß die Kunstbutter unter falscher Marke
und für theures Geld den Markt beherrscht, während sie, als
Kunstbutter verkauft, den Vorurtheilsfreien billige Waare liefern
würde.

„Jn den Schulen müßte ein ganzer, großer Haushalt ge-
führt und alle Arbeit von den Schülerinnen geleistet werden …
und wenn einmal die so geschulten Mädchen eine bedeutende
Zahl erreicht haben, dann werden sie auch gemeinsam all den
veralteten Plunder über Bord werfen, den wir seit Jahr-
hunderten mitschleppen. Ein in solcher Schule erzogenes Mädchen,
gehört es den unteren Ständen an, und tritt es in eine dienende
Stellung ein, würde jene Biegsamkeit des Jntellects erlangen,
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[127/0143] zweifeln, daß, wenn die Führung des Haushaltes etwa 25 bis 30 Jahre lang in den Händen unserer Chemiker oder Jn- genieure ruhen würde, eine gänzliche Umgestaltung Platz griffe, und wir über Bequemlichkeiten und Vortheile in Bezug auf vernünftige und sparsame Ernährung, auf Wohnungs- einrichtungen, auf Hülfsmittel dieselben gesund und bequem zu erhalten, verfügen würden, von denen unsere Hausfrauen sich heute nichts träumen lassen? Das Alles könnten Menschen leisten, die eine tüchtige Bildung erlangt hätten, und die nicht in dem aufreibenden Sparsystem um Knöpfe und Zündhölzer das Jdeal einer Wirthschaftsführung erblicken würden. „Jm Zeitalter der Antisepsis verstehen es unsere Haus- frauen noch nicht, tadellose Conserven zu bereiten, und während die Chemie die Verbindungen aller Art synthetisch darstellt, sträuben sich die „guten“ Hausfrauen gegen das Eindringen der Kunstbutter, obwohl ihnen von allen Sachverständigen ver- sichert wird, daß das Product in seinen Bestandtheilen der sogenannten natürlichen Butter vollkommen gleich ist. Die Folge davon ist nur, daß die Kunstbutter unter falscher Marke und für theures Geld den Markt beherrscht, während sie, als Kunstbutter verkauft, den Vorurtheilsfreien billige Waare liefern würde. „Jn den Schulen müßte ein ganzer, großer Haushalt ge- führt und alle Arbeit von den Schülerinnen geleistet werden … und wenn einmal die so geschulten Mädchen eine bedeutende Zahl erreicht haben, dann werden sie auch gemeinsam all den veralteten Plunder über Bord werfen, den wir seit Jahr- hunderten mitschleppen. Ein in solcher Schule erzogenes Mädchen, gehört es den unteren Ständen an, und tritt es in eine dienende Stellung ein, würde jene Biegsamkeit des Jntellects erlangen, um den Anforderungen ihrer Dienstgeber zu entsprechen und

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/143>, abgerufen am 28.03.2024.