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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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hochstehende Frau ihren Werth nirgendwo besser zeigen als bei
der Erziehung ihrer Kinder, und deshalb vor allem wünsche
ich, daß jene Mädchen, welche ihr Talent und ihre Tüchtigkeit
dazu geführt haben, sich einen Beruf zu erkämpfen, ihren
segensreichen Einfluß in der Ehe, bei den Kindern ausüben
mögen. Nur auf diesem Wege wird sich das Niveau der
Frauen langsam heben und mit ihm das der ganzen Gesellschaft."

Die Verfasserin beweist den auf die Gesammtheit ge-
richteten praktischen Zweck ihrer Reformbestrebungen auch da-
durch, daß sie von einer verbesserten geistigen Ausbildung für
die eigentlich technischen Thätigkeiten der Haushaltung große
und nothwendige Fortschritte verlangt.

"Die Pfalz," sagt sie, "verdankt ihre Wohlhabenheit dem
geschulten, intelligenten Bauernstand. Der Herr des Bauern-
hofes fährt seinen Dünger selbst aufs Feld; aber wenn er
Abends nach Hause kommt, dann nimmt er ein Lehrbuch der
Chemie zur Hand oder studirt eine neue Maschine, die in
einer landwirthschaftlichen Zeitung beschrieben wird. Wir Frauen
dagegen stehen heute noch auf dem primitiven Standpunkte,
daß wir unsere Mädchen vom Häuslichen nur das lernen lassen,
was in unserem eigenen Hausstand zu lernen ist. Daher kommt
es auch, daß von all den ungezählten Erfindungen der Neuzeit
kein halbes Procent für die Haushaltung verwerthet wurde.
Unsere Küchen sind ein Hohn auf die Fortschritte der Technik;
Alles eingerichtet für gänzlich ungebildete Menschen, die sich
eine Art von Routine erworben haben, welche sie bei jedem
ungewöhnlichen Fall im Stiche läßt. Ohne Rücksicht auf Zeit,
Arbeitskraft, Material und Bequemlichkeit brodelt das Feuer
drei bis vier Stunden, um ein einfaches Mittagsmahl zu be-
reiten, das mit den nöthigen Hülfsmitteln in der halben Zeit
fertiggestellt werden könnte. Oder kann man ernstlich daran

hochstehende Frau ihren Werth nirgendwo besser zeigen als bei
der Erziehung ihrer Kinder, und deshalb vor allem wünsche
ich, daß jene Mädchen, welche ihr Talent und ihre Tüchtigkeit
dazu geführt haben, sich einen Beruf zu erkämpfen, ihren
segensreichen Einfluß in der Ehe, bei den Kindern ausüben
mögen. Nur auf diesem Wege wird sich das Niveau der
Frauen langsam heben und mit ihm das der ganzen Gesellschaft.“

Die Verfasserin beweist den auf die Gesammtheit ge-
richteten praktischen Zweck ihrer Reformbestrebungen auch da-
durch, daß sie von einer verbesserten geistigen Ausbildung für
die eigentlich technischen Thätigkeiten der Haushaltung große
und nothwendige Fortschritte verlangt.

„Die Pfalz,“ sagt sie, „verdankt ihre Wohlhabenheit dem
geschulten, intelligenten Bauernstand. Der Herr des Bauern-
hofes fährt seinen Dünger selbst aufs Feld; aber wenn er
Abends nach Hause kommt, dann nimmt er ein Lehrbuch der
Chemie zur Hand oder studirt eine neue Maschine, die in
einer landwirthschaftlichen Zeitung beschrieben wird. Wir Frauen
dagegen stehen heute noch auf dem primitiven Standpunkte,
daß wir unsere Mädchen vom Häuslichen nur das lernen lassen,
was in unserem eigenen Hausstand zu lernen ist. Daher kommt
es auch, daß von all den ungezählten Erfindungen der Neuzeit
kein halbes Procent für die Haushaltung verwerthet wurde.
Unsere Küchen sind ein Hohn auf die Fortschritte der Technik;
Alles eingerichtet für gänzlich ungebildete Menschen, die sich
eine Art von Routine erworben haben, welche sie bei jedem
ungewöhnlichen Fall im Stiche läßt. Ohne Rücksicht auf Zeit,
Arbeitskraft, Material und Bequemlichkeit brodelt das Feuer
drei bis vier Stunden, um ein einfaches Mittagsmahl zu be-
reiten, das mit den nöthigen Hülfsmitteln in der halben Zeit
fertiggestellt werden könnte. Oder kann man ernstlich daran

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[126/0142] hochstehende Frau ihren Werth nirgendwo besser zeigen als bei der Erziehung ihrer Kinder, und deshalb vor allem wünsche ich, daß jene Mädchen, welche ihr Talent und ihre Tüchtigkeit dazu geführt haben, sich einen Beruf zu erkämpfen, ihren segensreichen Einfluß in der Ehe, bei den Kindern ausüben mögen. Nur auf diesem Wege wird sich das Niveau der Frauen langsam heben und mit ihm das der ganzen Gesellschaft.“ Die Verfasserin beweist den auf die Gesammtheit ge- richteten praktischen Zweck ihrer Reformbestrebungen auch da- durch, daß sie von einer verbesserten geistigen Ausbildung für die eigentlich technischen Thätigkeiten der Haushaltung große und nothwendige Fortschritte verlangt. „Die Pfalz,“ sagt sie, „verdankt ihre Wohlhabenheit dem geschulten, intelligenten Bauernstand. Der Herr des Bauern- hofes fährt seinen Dünger selbst aufs Feld; aber wenn er Abends nach Hause kommt, dann nimmt er ein Lehrbuch der Chemie zur Hand oder studirt eine neue Maschine, die in einer landwirthschaftlichen Zeitung beschrieben wird. Wir Frauen dagegen stehen heute noch auf dem primitiven Standpunkte, daß wir unsere Mädchen vom Häuslichen nur das lernen lassen, was in unserem eigenen Hausstand zu lernen ist. Daher kommt es auch, daß von all den ungezählten Erfindungen der Neuzeit kein halbes Procent für die Haushaltung verwerthet wurde. Unsere Küchen sind ein Hohn auf die Fortschritte der Technik; Alles eingerichtet für gänzlich ungebildete Menschen, die sich eine Art von Routine erworben haben, welche sie bei jedem ungewöhnlichen Fall im Stiche läßt. Ohne Rücksicht auf Zeit, Arbeitskraft, Material und Bequemlichkeit brodelt das Feuer drei bis vier Stunden, um ein einfaches Mittagsmahl zu be- reiten, das mit den nöthigen Hülfsmitteln in der halben Zeit fertiggestellt werden könnte. Oder kann man ernstlich daran

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/142>, abgerufen am 29.03.2024.