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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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daß sie auf diesem Wege etwas Befriedigendes erreichen könnten.
Würde etwas dabei herauskommen, wenn der Beruf und die
Berufsarten des Mannes aus seinen Vaterpflichten abgeleitet
werden wollten? Und würde man mehr damit erreichen, als
den Vorurtheilen und der Beschränktheit ein Vergnügen zu
machen, wenn man den Beruf derjenigen Männer, die nicht
Väter sind, erst durch eine künstliche Analogie mit den echten
Vaterpflichten zu rechtfertigen suchte?

Ja, sind denn Mutterpflichten, Vaterpflichten selber etwas
physisch Gegebenes? und sind sie vielmehr nicht selber der
historischen Entwickelung unterthan?

Minder stark ist Mill's Standpunkt in dem, was er positiv
verlangt.

Er bestreitet, daß die Gegner der Gleichstellung des weib-
lichen Geschlechts von der bisherigen Geschichte der Menschheit
eine zureichende Erfahrung haben, um die Natur des Weibes
zu beurtheilen. Er bleibt seinerseits den Beweis schuldig dafür,
daß die Anwälte der Gleichstellung in der Lage sind, eine zu-
reichende Erfahrung anzurufen. Die Herrscherinnen von Jndien
und die Königin Elisabeth, die gelehrten Nonnen des Mittel-
alters, die Dichterinnen, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen dieses
und früherer Jahrhunderte bis herab zu den neuesten Erlebnissen
an dem Studium des weiblichen Geschlechts - dieses und
vieles Aehnliche gewährt doch nicht einen solchen Grad von
zwingender Beweiskraft zu Gunsten der Gleichstellung, wie es
zur Widerlegung der gegnerischen Behauptung ohne Zweifel
beweiskräftig genug ist.

Jn diesem Gegensatze des Mill'schen Standpunktes zu den
Vertheidigern des Alten beobachten wir vielmehr die beiden

daß sie auf diesem Wege etwas Befriedigendes erreichen könnten.
Würde etwas dabei herauskommen, wenn der Beruf und die
Berufsarten des Mannes aus seinen Vaterpflichten abgeleitet
werden wollten? Und würde man mehr damit erreichen, als
den Vorurtheilen und der Beschränktheit ein Vergnügen zu
machen, wenn man den Beruf derjenigen Männer, die nicht
Väter sind, erst durch eine künstliche Analogie mit den echten
Vaterpflichten zu rechtfertigen suchte?

Ja, sind denn Mutterpflichten, Vaterpflichten selber etwas
physisch Gegebenes? und sind sie vielmehr nicht selber der
historischen Entwickelung unterthan?

Minder stark ist Mill's Standpunkt in dem, was er positiv
verlangt.

Er bestreitet, daß die Gegner der Gleichstellung des weib-
lichen Geschlechts von der bisherigen Geschichte der Menschheit
eine zureichende Erfahrung haben, um die Natur des Weibes
zu beurtheilen. Er bleibt seinerseits den Beweis schuldig dafür,
daß die Anwälte der Gleichstellung in der Lage sind, eine zu-
reichende Erfahrung anzurufen. Die Herrscherinnen von Jndien
und die Königin Elisabeth, die gelehrten Nonnen des Mittel-
alters, die Dichterinnen, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen dieses
und früherer Jahrhunderte bis herab zu den neuesten Erlebnissen
an dem Studium des weiblichen Geschlechts – dieses und
vieles Aehnliche gewährt doch nicht einen solchen Grad von
zwingender Beweiskraft zu Gunsten der Gleichstellung, wie es
zur Widerlegung der gegnerischen Behauptung ohne Zweifel
beweiskräftig genug ist.

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Vertheidigern des Alten beobachten wir vielmehr die beiden

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[105/0121] daß sie auf diesem Wege etwas Befriedigendes erreichen könnten. Würde etwas dabei herauskommen, wenn der Beruf und die Berufsarten des Mannes aus seinen Vaterpflichten abgeleitet werden wollten? Und würde man mehr damit erreichen, als den Vorurtheilen und der Beschränktheit ein Vergnügen zu machen, wenn man den Beruf derjenigen Männer, die nicht Väter sind, erst durch eine künstliche Analogie mit den echten Vaterpflichten zu rechtfertigen suchte? Ja, sind denn Mutterpflichten, Vaterpflichten selber etwas physisch Gegebenes? und sind sie vielmehr nicht selber der historischen Entwickelung unterthan? Minder stark ist Mill's Standpunkt in dem, was er positiv verlangt. Er bestreitet, daß die Gegner der Gleichstellung des weib- lichen Geschlechts von der bisherigen Geschichte der Menschheit eine zureichende Erfahrung haben, um die Natur des Weibes zu beurtheilen. Er bleibt seinerseits den Beweis schuldig dafür, daß die Anwälte der Gleichstellung in der Lage sind, eine zu- reichende Erfahrung anzurufen. Die Herrscherinnen von Jndien und die Königin Elisabeth, die gelehrten Nonnen des Mittel- alters, die Dichterinnen, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen dieses und früherer Jahrhunderte bis herab zu den neuesten Erlebnissen an dem Studium des weiblichen Geschlechts – dieses und vieles Aehnliche gewährt doch nicht einen solchen Grad von zwingender Beweiskraft zu Gunsten der Gleichstellung, wie es zur Widerlegung der gegnerischen Behauptung ohne Zweifel beweiskräftig genug ist. Jn diesem Gegensatze des Mill'schen Standpunktes zu den Vertheidigern des Alten beobachten wir vielmehr die beiden

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/121>, abgerufen am 25.04.2024.