p2c_561.001 der Dichter selbst spricht. Die Elegie correspondirt also p2c_561.002 völlig der Ode. Sie ist für die niedere lyrische Poesie, was p2c_561.003 die Ode für die höhere ist.
p2c_561.004 §. 2.
p2c_561.005 I. Theorie der Elegie. 1) Da die Elegie p2c_561.006 ein lyrisches Gedicht ist, so wird die Gedankenreihe p2c_561.007 nicht durch einen äußern Gegenstand, der dargestellt p2c_561.008 werden soll, sondern durch die Gemüthsstimmung p2c_561.009 des Dichters bestimmt. Alle Einheit, welche p2c_561.010 diese Dichtungsart verlangt, ist, daß die Empfindung p2c_561.011 des niedern Schönen in ihr herrschend sey. Da p2c_561.012 es aber mehrere Unterarten des niedern Schönen giebt, p2c_561.013 das Sanfte, die Grazie, das Niedliche, das Naive, p2c_561.014 so können alle diese darinnen abwechseln. Selbst das p2c_561.015 höhere Schöne kann darinn statt finden. Nur muß p2c_561.016 es so modificirt seyn, daß kein Contrast, keine p2c_561.017 Stöhrung dadurch veranlaßt werde.
p2c_561.018 Anmerk. "Die Elegie, sagt ein Kritiker, ist ein p2c_561.019 leidenschaftliches Selbstgespräch." Dies ist richtig, p2c_561.020 in sofern die Leidenschaft nicht heftig ist. Die Elegie p2c_561.021 unterscheidet sich von der Ode dadurch, daß der Dichter p2c_561.022 sich seiner Leidenschaft mehr überläßt. Der Schwung der p2c_561.023 Phantasie ist gebundener. Die Vorstellkraft nicht so lebhaft. p2c_561.024 - Das Herz ist mehr durch irgend einen begehrten Gegenstand
p2c_561.001 der Dichter selbst spricht. Die Elegie correspondirt also p2c_561.002 völlig der Ode. Sie ist für die niedere lyrische Poesie, was p2c_561.003 die Ode für die höhere ist.
p2c_561.004 §. 2.
p2c_561.005 I. Theorie der Elegie. 1) Da die Elegie p2c_561.006 ein lyrisches Gedicht ist, so wird die Gedankenreihe p2c_561.007 nicht durch einen äußern Gegenstand, der dargestellt p2c_561.008 werden soll, sondern durch die Gemüthsstimmung p2c_561.009 des Dichters bestimmt. Alle Einheit, welche p2c_561.010 diese Dichtungsart verlangt, ist, daß die Empfindung p2c_561.011 des niedern Schönen in ihr herrschend sey. Da p2c_561.012 es aber mehrere Unterarten des niedern Schönen giebt, p2c_561.013 das Sanfte, die Grazie, das Niedliche, das Naive, p2c_561.014 so können alle diese darinnen abwechseln. Selbst das p2c_561.015 höhere Schöne kann darinn statt finden. Nur muß p2c_561.016 es so modificirt seyn, daß kein Contrast, keine p2c_561.017 Stöhrung dadurch veranlaßt werde.
p2c_561.018 Anmerk. „Die Elegie, sagt ein Kritiker, ist ein p2c_561.019 leidenschaftliches Selbstgespräch.“ Dies ist richtig, p2c_561.020 in sofern die Leidenschaft nicht heftig ist. Die Elegie p2c_561.021 unterscheidet sich von der Ode dadurch, daß der Dichter p2c_561.022 sich seiner Leidenschaft mehr überläßt. Der Schwung der p2c_561.023 Phantasie ist gebundener. Die Vorstellkraft nicht so lebhaft. p2c_561.024 ─ Das Herz ist mehr durch irgend einen begehrten Gegenstand
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0085"n="561"/><lbn="p2c_561.001"/>
der Dichter selbst spricht. Die <hirendition="#g">Elegie</hi> correspondirt also <lbn="p2c_561.002"/>
völlig der <hirendition="#g">Ode.</hi> Sie ist für die niedere lyrische Poesie, was <lbn="p2c_561.003"/>
die Ode für die höhere ist.</p><p><hirendition="#c"><lbn="p2c_561.004"/>
§. 2.</hi></p><p><lbn="p2c_561.005"/><hirendition="#aq">I</hi>. Theorie der <hirendition="#g">Elegie.</hi> 1) Da die Elegie <lbn="p2c_561.006"/>
ein <hirendition="#g">lyrisches</hi> Gedicht ist, so wird die Gedankenreihe <lbn="p2c_561.007"/>
nicht durch einen äußern Gegenstand, der dargestellt <lbn="p2c_561.008"/>
werden soll, sondern durch die Gemüthsstimmung <lbn="p2c_561.009"/>
des Dichters bestimmt. Alle <hirendition="#g">Einheit,</hi> welche <lbn="p2c_561.010"/>
diese Dichtungsart verlangt, ist, daß die Empfindung <lbn="p2c_561.011"/>
des <hirendition="#g">niedern</hi> Schönen in ihr herrschend sey. Da <lbn="p2c_561.012"/>
es aber mehrere Unterarten des niedern Schönen giebt, <lbn="p2c_561.013"/>
das Sanfte, die Grazie, das Niedliche, das Naive, <lbn="p2c_561.014"/>
so können alle diese darinnen abwechseln. Selbst das <lbn="p2c_561.015"/><hirendition="#g">höhere</hi> Schöne kann darinn statt finden. Nur muß <lbn="p2c_561.016"/>
es so <hirendition="#g">modificirt</hi> seyn, daß kein Contrast, keine <lbn="p2c_561.017"/>
Stöhrung dadurch veranlaßt werde.</p><p><lbn="p2c_561.018"/><hirendition="#g">Anmerk.</hi>„Die <hirendition="#g">Elegie,</hi> sagt ein Kritiker, ist ein <lbn="p2c_561.019"/><hirendition="#g">leidenschaftliches</hi> Selbstgespräch.“ Dies ist richtig, <lbn="p2c_561.020"/>
in sofern die Leidenschaft nicht <hirendition="#g">heftig</hi> ist. Die Elegie <lbn="p2c_561.021"/>
unterscheidet sich von der Ode dadurch, daß der Dichter <lbn="p2c_561.022"/>
sich seiner Leidenschaft mehr überläßt. Der Schwung der <lbn="p2c_561.023"/>
Phantasie ist gebundener. Die Vorstellkraft nicht so lebhaft. <lbn="p2c_561.024"/>─ Das Herz ist mehr durch irgend einen begehrten Gegenstand
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[561/0085]
p2c_561.001
der Dichter selbst spricht. Die Elegie correspondirt also p2c_561.002
völlig der Ode. Sie ist für die niedere lyrische Poesie, was p2c_561.003
die Ode für die höhere ist.
p2c_561.004
§. 2.
p2c_561.005
I. Theorie der Elegie. 1) Da die Elegie p2c_561.006
ein lyrisches Gedicht ist, so wird die Gedankenreihe p2c_561.007
nicht durch einen äußern Gegenstand, der dargestellt p2c_561.008
werden soll, sondern durch die Gemüthsstimmung p2c_561.009
des Dichters bestimmt. Alle Einheit, welche p2c_561.010
diese Dichtungsart verlangt, ist, daß die Empfindung p2c_561.011
des niedern Schönen in ihr herrschend sey. Da p2c_561.012
es aber mehrere Unterarten des niedern Schönen giebt, p2c_561.013
das Sanfte, die Grazie, das Niedliche, das Naive, p2c_561.014
so können alle diese darinnen abwechseln. Selbst das p2c_561.015
höhere Schöne kann darinn statt finden. Nur muß p2c_561.016
es so modificirt seyn, daß kein Contrast, keine p2c_561.017
Stöhrung dadurch veranlaßt werde.
p2c_561.018
Anmerk. „Die Elegie, sagt ein Kritiker, ist ein p2c_561.019
leidenschaftliches Selbstgespräch.“ Dies ist richtig, p2c_561.020
in sofern die Leidenschaft nicht heftig ist. Die Elegie p2c_561.021
unterscheidet sich von der Ode dadurch, daß der Dichter p2c_561.022
sich seiner Leidenschaft mehr überläßt. Der Schwung der p2c_561.023
Phantasie ist gebundener. Die Vorstellkraft nicht so lebhaft. p2c_561.024
─ Das Herz ist mehr durch irgend einen begehrten Gegenstand
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/85>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.