Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_718.001 p2c_718.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0242" n="718"/><lb n="p2c_718.001"/> ist. Bekannt ist auch unter den Neuern die <hi rendition="#aq">Syphilis <lb n="p2c_718.002"/> siue morbus gallicus</hi> des Fracastorius, ein sehr dichterisches <lb n="p2c_718.003"/> Product, über eine äußerst delicate Materie. De Thou <lb n="p2c_718.004"/> erzählt, als dieses erschienen, habe Sannazarius ausgerufen, <lb n="p2c_718.005"/> er sey überwunden, ungeachtet er zwanzig Jahr an <lb n="p2c_718.006"/> seinem Gedicht <hi rendition="#aq">de partu virginis</hi> gearbeitet hatte. Scaliger <lb n="p2c_718.007"/> setzt den Fracastor dem Virgil an die Seite und das will bey <lb n="p2c_718.008"/> ihm viel sagen. Scevola Samarthanus über die Säugung <lb n="p2c_718.009"/> der Kinder. Rapin hat ein Gedicht <hi rendition="#aq">de hortis</hi> geschrieben. <lb n="p2c_718.010"/> ─ Es giebt ein <hi rendition="#aq">praedium rusticum</hi> in 14 Büchern, doch <lb n="p2c_718.011"/> ist dieß freylich viel zu weitschweifig. Die Troubadours <lb n="p2c_718.012"/> brachten die Grundsätze der Rittergalanterie in Verse. Dufresnoy <lb n="p2c_718.013"/> und Watelet haben die Kunst zu mahlen poetisch abgehandelt. <lb n="p2c_718.014"/> Ovid gar die Kunst sich selbst zu mahlen, <hi rendition="#aq">de <lb n="p2c_718.015"/> medicamine faciei</hi>. Lafontaine hat ein Gedicht von der <lb n="p2c_718.016"/> Chinarinde (<hi rendition="#aq">Quinquina</hi>) in freyen Sylbenmaaßen. ─ <lb n="p2c_718.017"/> Kurz es ist fast kein Hauptgegenstand aus dem Felde der <lb n="p2c_718.018"/> Kunst und Wissenschaft, der nicht von einem Lehrdichter irgend <lb n="p2c_718.019"/> einer Nazion zum Stoff eines didactischen Gedichts gewählt <lb n="p2c_718.020"/> worden wäre. Die Litteratur hat in keiner Gattung <lb n="p2c_718.021"/> mehr Nahmen aufzuweisen. ─ Jndessen gehn die meisten <lb n="p2c_718.022"/> von dem falschen Grundsatze des Manilius aus: <hi rendition="#aq">ornari res <lb n="p2c_718.023"/> ipsa negat, contenta doceri</hi>. Sie machen die wissenschaftliche <lb n="p2c_718.024"/> Darstellung zum Hauptzweck, wollen recht gründlich <lb n="p2c_718.025"/> seyn, nehmen sich einen zu weitläuftigen Stoff und verliehren <lb n="p2c_718.026"/> darüber das eigentliche Ziel zu gefallen aus den Augen. <lb n="p2c_718.027"/> Virgil sagt mit vollkommnem Rechte, <hi rendition="#aq">non ego cuncta <lb n="p2c_718.028"/> meis amplecti versibus opto</hi>. Es ist weniger der Gegenstand </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [718/0242]
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ist. Bekannt ist auch unter den Neuern die Syphilis p2c_718.002
siue morbus gallicus des Fracastorius, ein sehr dichterisches p2c_718.003
Product, über eine äußerst delicate Materie. De Thou p2c_718.004
erzählt, als dieses erschienen, habe Sannazarius ausgerufen, p2c_718.005
er sey überwunden, ungeachtet er zwanzig Jahr an p2c_718.006
seinem Gedicht de partu virginis gearbeitet hatte. Scaliger p2c_718.007
setzt den Fracastor dem Virgil an die Seite und das will bey p2c_718.008
ihm viel sagen. Scevola Samarthanus über die Säugung p2c_718.009
der Kinder. Rapin hat ein Gedicht de hortis geschrieben. p2c_718.010
─ Es giebt ein praedium rusticum in 14 Büchern, doch p2c_718.011
ist dieß freylich viel zu weitschweifig. Die Troubadours p2c_718.012
brachten die Grundsätze der Rittergalanterie in Verse. Dufresnoy p2c_718.013
und Watelet haben die Kunst zu mahlen poetisch abgehandelt. p2c_718.014
Ovid gar die Kunst sich selbst zu mahlen, de p2c_718.015
medicamine faciei. Lafontaine hat ein Gedicht von der p2c_718.016
Chinarinde (Quinquina) in freyen Sylbenmaaßen. ─ p2c_718.017
Kurz es ist fast kein Hauptgegenstand aus dem Felde der p2c_718.018
Kunst und Wissenschaft, der nicht von einem Lehrdichter irgend p2c_718.019
einer Nazion zum Stoff eines didactischen Gedichts gewählt p2c_718.020
worden wäre. Die Litteratur hat in keiner Gattung p2c_718.021
mehr Nahmen aufzuweisen. ─ Jndessen gehn die meisten p2c_718.022
von dem falschen Grundsatze des Manilius aus: ornari res p2c_718.023
ipsa negat, contenta doceri. Sie machen die wissenschaftliche p2c_718.024
Darstellung zum Hauptzweck, wollen recht gründlich p2c_718.025
seyn, nehmen sich einen zu weitläuftigen Stoff und verliehren p2c_718.026
darüber das eigentliche Ziel zu gefallen aus den Augen. p2c_718.027
Virgil sagt mit vollkommnem Rechte, non ego cuncta p2c_718.028
meis amplecti versibus opto. Es ist weniger der Gegenstand
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