Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_719.001 p2c_719.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0243" n="719"/><lb n="p2c_719.001"/> , der auseinandergesetzt werden soll, als die Operation <lb n="p2c_719.002"/> des Verstandes selbst, der auf eine poetische, geistreiche <lb n="p2c_719.003"/> Art, über denselben nachdenkt. Der Verstand soll <lb n="p2c_719.004"/> beym didaktischen Gedicht nur insofern interessirt werden, <lb n="p2c_719.005"/> daß er sich selbst unter der Form der Schönheit erscheine, <lb n="p2c_719.006"/> daß seine Abstractionsfähigkeit in Zusammenhang mit der <lb n="p2c_719.007"/> Phantasie und dem Empfindungsvermögen gezeigt werde. <lb n="p2c_719.008"/> Bey der <hi rendition="#g">höhern</hi> didaktischen Poesie ist der Zusammenhang <lb n="p2c_719.009"/> klar, das Streben des philosophirenden Verstandes wegen <lb n="p2c_719.010"/> der Wichtigkeit der Untersuchungen und ihres Einflusses auf <lb n="p2c_719.011"/> die ganze Seele, an sich schon <hi rendition="#g">ästhetisch.</hi> Bey der <lb n="p2c_719.012"/> <hi rendition="#g">niedern</hi> didaktischen Poesie ist der Zusammenhang der <lb n="p2c_719.013"/> <hi rendition="#g">abstrakten</hi> Wahrheiten mit der Phantasie nicht so <lb n="p2c_719.014"/> unmittelbar. Es giebt viele Wissenschaften, die eigentlich <lb n="p2c_719.015"/> mehr Grillenspiele sind, die den Verstand beschäftigen, ohne <lb n="p2c_719.016"/> den Menschen zu begeistern. Die eigentlich scientifischen <lb n="p2c_719.017"/> abstrakten Begriffe werden also bey der <hi rendition="#g">niedern</hi> didaktischen <lb n="p2c_719.018"/> Poesie am wenigsten ihr Glück machen. Die besten <lb n="p2c_719.019"/> größern Lehrgedichte der zweyten Ordnung bey den Alten <lb n="p2c_719.020"/> sind gar nicht wissenschaftlich, sondern enthalten blos Erfahrungen <lb n="p2c_719.021"/> über Gegenstände der Natur und Kunst, die ästhetisch <lb n="p2c_719.022"/> sind. ─ <hi rendition="#aq">Hesiodus <foreign xml:lang="grc">εργα και ἡμεραι</foreign></hi>, besonders die <lb n="p2c_719.023"/> <foreign xml:lang="grc">εργα</foreign> enthalten so viel philosophische Mythen und moralische <lb n="p2c_719.024"/> Lehren über die Bestimmung des Menschen, daß man sie <lb n="p2c_719.025"/> füglich zu den höhern Lehrgedichten zählen kann. Zum <lb n="p2c_719.026"/> Theil hat aber auch das Werk <hi rendition="#g">gnomische</hi> Poesie, Sentenzen <lb n="p2c_719.027"/> ohne Zusammenhang. Zum Theil ist es <hi rendition="#g">beschreibende</hi> <lb n="p2c_719.028"/> Jdylle. Virgils Landbau hat beynah zu wenig, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [719/0243]
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, der auseinandergesetzt werden soll, als die Operation p2c_719.002
des Verstandes selbst, der auf eine poetische, geistreiche p2c_719.003
Art, über denselben nachdenkt. Der Verstand soll p2c_719.004
beym didaktischen Gedicht nur insofern interessirt werden, p2c_719.005
daß er sich selbst unter der Form der Schönheit erscheine, p2c_719.006
daß seine Abstractionsfähigkeit in Zusammenhang mit der p2c_719.007
Phantasie und dem Empfindungsvermögen gezeigt werde. p2c_719.008
Bey der höhern didaktischen Poesie ist der Zusammenhang p2c_719.009
klar, das Streben des philosophirenden Verstandes wegen p2c_719.010
der Wichtigkeit der Untersuchungen und ihres Einflusses auf p2c_719.011
die ganze Seele, an sich schon ästhetisch. Bey der p2c_719.012
niedern didaktischen Poesie ist der Zusammenhang der p2c_719.013
abstrakten Wahrheiten mit der Phantasie nicht so p2c_719.014
unmittelbar. Es giebt viele Wissenschaften, die eigentlich p2c_719.015
mehr Grillenspiele sind, die den Verstand beschäftigen, ohne p2c_719.016
den Menschen zu begeistern. Die eigentlich scientifischen p2c_719.017
abstrakten Begriffe werden also bey der niedern didaktischen p2c_719.018
Poesie am wenigsten ihr Glück machen. Die besten p2c_719.019
größern Lehrgedichte der zweyten Ordnung bey den Alten p2c_719.020
sind gar nicht wissenschaftlich, sondern enthalten blos Erfahrungen p2c_719.021
über Gegenstände der Natur und Kunst, die ästhetisch p2c_719.022
sind. ─ Hesiodus εργα και ἡμεραι, besonders die p2c_719.023
εργα enthalten so viel philosophische Mythen und moralische p2c_719.024
Lehren über die Bestimmung des Menschen, daß man sie p2c_719.025
füglich zu den höhern Lehrgedichten zählen kann. Zum p2c_719.026
Theil hat aber auch das Werk gnomische Poesie, Sentenzen p2c_719.027
ohne Zusammenhang. Zum Theil ist es beschreibende p2c_719.028
Jdylle. Virgils Landbau hat beynah zu wenig,
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