Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_717.001 p2c_717.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0241" n="717"/><lb n="p2c_717.001"/> Philosophie des Lebens, wie sie Wieland dargestellt haben mag. <lb n="p2c_717.002"/> Gleichwohl zeigt die Art, wie Lukrez vom Tode und von den <lb n="p2c_717.003"/> wenigen Bedürfnissen und der Hoheit des Weisen spricht, <lb n="p2c_717.004"/> daß er uns mit <hi rendition="#g">Jdeen</hi> füllen, unser Gefühl zu einer höhern <lb n="p2c_717.005"/> Ansicht der Dinge erheben könne. Wieland hingegen <lb n="p2c_717.006"/> giebt bey allem Glanz und bey aller Gewandheit im Ausdruck <lb n="p2c_717.007"/> eben so wenig, wie Ovid, wenn er von erhabenen <lb n="p2c_717.008"/> Dingen spricht, die Empfindung des Erhabenen. Da er <lb n="p2c_717.009"/> mehr eine Lucianische Stimmung in uns zu erhalten sucht, <lb n="p2c_717.010"/> mehr französische Leichtigkeit als brittischen Tiefsinn in seiner <lb n="p2c_717.011"/> philosophischen Gedankenreihe zeigt, so gehört er zu den sogenannten <lb n="p2c_717.012"/> scientifischen, nicht zu den eigentlich höhern <lb n="p2c_717.013"/> Lehrdichtern, eben so, wie er als erzählender Dichter, <lb n="p2c_717.014"/> kein Heldendichter, sondern ein romantischer Dichter ist. ─ <lb n="p2c_717.015"/> Der objektive <hi rendition="#g">Jnhalt</hi> des <hi rendition="#g">didaktischen</hi> Gedichts <lb n="p2c_717.016"/> zweyter Ordnung ist also jede Kunst oder Wissenschaft. Hier <lb n="p2c_717.017"/> kann man sagen, <hi rendition="#aq">nil intentatum nostri liquere poetae</hi>; <lb n="p2c_717.018"/> und es ist ein großer Triumph der Poesie, daß nichts in der <lb n="p2c_717.019"/> weiten Welt für ihren Zauberschmuck unempfänglich, für sie <lb n="p2c_717.020"/> zu unpoetisch ist. Athenäus führt den Archestratus an, den <lb n="p2c_717.021"/> er den Hesiodus der Leckermäuler nennt. Er hat ein Gedicht <lb n="p2c_717.022"/> <hi rendition="#aq">de regulis bonae coenae</hi> geschrieben <foreign xml:lang="grc">γαστρονομια</foreign>. <lb n="p2c_717.023"/> Es fing an; <foreign xml:lang="grc">λεξω ὀπον καλλιϛον ἁπαν βρωτῶν τε ποτου</foreign> <lb n="p2c_717.024"/> <foreign xml:lang="grc">τε</foreign>. Der Sänger dieser didactischen Parodie (denn eigentlich <lb n="p2c_717.025"/> ist dies eine Parodie auf das didactische Gedicht, wie <lb n="p2c_717.026"/> Vidas Schachspiel) ist, wie man sagt, selbst sehr mager gewesen. <lb n="p2c_717.027"/> Macer hat dem Ovid über die Vögel, Schlangen, <lb n="p2c_717.028"/> Pflanzen ein Gedicht vorgelesen, welches verlohren gegangen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [717/0241]
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Philosophie des Lebens, wie sie Wieland dargestellt haben mag. p2c_717.002
Gleichwohl zeigt die Art, wie Lukrez vom Tode und von den p2c_717.003
wenigen Bedürfnissen und der Hoheit des Weisen spricht, p2c_717.004
daß er uns mit Jdeen füllen, unser Gefühl zu einer höhern p2c_717.005
Ansicht der Dinge erheben könne. Wieland hingegen p2c_717.006
giebt bey allem Glanz und bey aller Gewandheit im Ausdruck p2c_717.007
eben so wenig, wie Ovid, wenn er von erhabenen p2c_717.008
Dingen spricht, die Empfindung des Erhabenen. Da er p2c_717.009
mehr eine Lucianische Stimmung in uns zu erhalten sucht, p2c_717.010
mehr französische Leichtigkeit als brittischen Tiefsinn in seiner p2c_717.011
philosophischen Gedankenreihe zeigt, so gehört er zu den sogenannten p2c_717.012
scientifischen, nicht zu den eigentlich höhern p2c_717.013
Lehrdichtern, eben so, wie er als erzählender Dichter, p2c_717.014
kein Heldendichter, sondern ein romantischer Dichter ist. ─ p2c_717.015
Der objektive Jnhalt des didaktischen Gedichts p2c_717.016
zweyter Ordnung ist also jede Kunst oder Wissenschaft. Hier p2c_717.017
kann man sagen, nil intentatum nostri liquere poetae; p2c_717.018
und es ist ein großer Triumph der Poesie, daß nichts in der p2c_717.019
weiten Welt für ihren Zauberschmuck unempfänglich, für sie p2c_717.020
zu unpoetisch ist. Athenäus führt den Archestratus an, den p2c_717.021
er den Hesiodus der Leckermäuler nennt. Er hat ein Gedicht p2c_717.022
de regulis bonae coenae geschrieben γαστρονομια. p2c_717.023
Es fing an; λεξω ὀπον καλλιϛον ἁπαν βρωτῶν τε ποτου p2c_717.024
τε. Der Sänger dieser didactischen Parodie (denn eigentlich p2c_717.025
ist dies eine Parodie auf das didactische Gedicht, wie p2c_717.026
Vidas Schachspiel) ist, wie man sagt, selbst sehr mager gewesen. p2c_717.027
Macer hat dem Ovid über die Vögel, Schlangen, p2c_717.028
Pflanzen ein Gedicht vorgelesen, welches verlohren gegangen
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