p2c_639.001 Aphroditas galaneia khresamenoi k. t. l.) Dieser ruhige p2c_639.002 contemplative Charakter des Chors zeigt hinlänglich, daß er p2c_639.003 keine dramatische Person sey, daß er nicht einmal mit unsern p2c_639.004 Statisten zu vergleichen sey. Als dramatische Person p2c_639.005 würde er zu kalt seyn. Es würde unbegreiflich seyn, p2c_639.006 warum er z. B. die Medea am Kindermord nicht hindert, p2c_639.007 da er doch beym Euripides davon spricht, er wolle es thun. p2c_639.008 (Freylich hätte dies der griechische Tragiker weglassen können.) p2c_639.009 Jst er aber eine poetische, lyrische Person, so p2c_639.010 kann die Regel der Jllusion auf ihn nicht in der Strenge angewendet p2c_639.011 werden, wie auf die eigentlichen Schauspieler. p2c_639.012 Alsdann ist er vielmehr gerade dazu da, uns zu erinnern, p2c_639.013 daß das ganze Schauspiel eine idealische Täuschung sey. p2c_639.014 2) Zwischen den Akten singt der Sophokleische Chor Gesänge, p2c_639.015 welche zwar nach der Horazischen Regel auf die Handlung p2c_639.016 Beziehung haben, aber doch ohne Leidenschaft sind. Es p2c_639.017 sind Maximen, Reflexionen, die uns von dem Augenblick p2c_639.018 abziehn, und den Blick aufs Schicksal im allgemeinen richten. p2c_639.019 Diese Gesänge erhalten die hohe Empfindung in den p2c_639.020 Zuschauern, und lassen doch die Handlung ruhen. Oft sind p2c_639.021 es Hymnen auf die Götter, die gerade dahin passen, oft p2c_639.022 das Lob eines Landes z. B. Oedip. Colon. 670. oft eine p2c_639.023 Betrachtung über den Menschen Antigon. 332. u. s. w. p2c_639.024 Wäre der Chor eine dramatische Person, so würde er p2c_639.025 nicht Zeit haben solche allgemeine Reflexionen anzustellen, er p2c_639.026 würde während den Akten nicht in allgemeinen Sentenzen p2c_639.027 sprechen, sondern sich zur Fortsetzung der Handlung vorbereiten. p2c_639.028 Auch hieraus erhellt, daß der Chor nicht eine Person
p2c_639.001 Ἁφροδιτας γαλανειᾳ χρησαμενοι κ. τ. λ.) Dieser ruhige p2c_639.002 contemplative Charakter des Chors zeigt hinlänglich, daß er p2c_639.003 keine dramatische Person sey, daß er nicht einmal mit unsern p2c_639.004 Statisten zu vergleichen sey. Als dramatische Person p2c_639.005 würde er zu kalt seyn. Es würde unbegreiflich seyn, p2c_639.006 warum er z. B. die Medea am Kindermord nicht hindert, p2c_639.007 da er doch beym Euripides davon spricht, er wolle es thun. p2c_639.008 (Freylich hätte dies der griechische Tragiker weglassen können.) p2c_639.009 Jst er aber eine poetische, lyrische Person, so p2c_639.010 kann die Regel der Jllusion auf ihn nicht in der Strenge angewendet p2c_639.011 werden, wie auf die eigentlichen Schauspieler. p2c_639.012 Alsdann ist er vielmehr gerade dazu da, uns zu erinnern, p2c_639.013 daß das ganze Schauspiel eine idealische Täuschung sey. p2c_639.014 2) Zwischen den Akten singt der Sophokleische Chor Gesänge, p2c_639.015 welche zwar nach der Horazischen Regel auf die Handlung p2c_639.016 Beziehung haben, aber doch ohne Leidenschaft sind. Es p2c_639.017 sind Maximen, Reflexionen, die uns von dem Augenblick p2c_639.018 abziehn, und den Blick aufs Schicksal im allgemeinen richten. p2c_639.019 Diese Gesänge erhalten die hohe Empfindung in den p2c_639.020 Zuschauern, und lassen doch die Handlung ruhen. Oft sind p2c_639.021 es Hymnen auf die Götter, die gerade dahin passen, oft p2c_639.022 das Lob eines Landes z. B. Oedip. Colon. 670. oft eine p2c_639.023 Betrachtung über den Menschen Antigon. 332. u. s. w. p2c_639.024 Wäre der Chor eine dramatische Person, so würde er p2c_639.025 nicht Zeit haben solche allgemeine Reflexionen anzustellen, er p2c_639.026 würde während den Akten nicht in allgemeinen Sentenzen p2c_639.027 sprechen, sondern sich zur Fortsetzung der Handlung vorbereiten. p2c_639.028 Auch hieraus erhellt, daß der Chor nicht eine Person
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Ἁφροδιτας γαλανειᾳ χρησαμενοι κ. τ. λ.) Dieser ruhige p2c_639.002
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/163>, abgerufen am 16.07.2024.
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