Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_633.001 p2c_633.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0157" n="633"/><lb n="p2c_633.001"/> des <hi rendition="#g">Agamemnon</hi> ist am besten decorirt. Der <lb n="p2c_633.002"/> Wächter unter dem Sternenhimmel, der das Feuersignal <lb n="p2c_633.003"/> von Trojas Einnahme erwartet. Sehr schön und romantisch <lb n="p2c_633.004"/> schauerlich ist der Anfang der Jphigenia in Aulis. Agamemnon <lb n="p2c_633.005"/> vor seinem Zelte des Nachts, in Unterredung mit <lb n="p2c_633.006"/> seinem alten Sclaven. ─ Dies vom Anfang. ─ Mit <lb n="p2c_633.007"/> der Handlung selbst nimmt nun auch der Wechsel der Empfindungen <lb n="p2c_633.008"/> zu, die wegen des raschen Gangs der Tragödie <lb n="p2c_633.009"/> immer steigen müssen. Es muß aber eine gewisse Continuität <lb n="p2c_633.010"/> in diesen Empfindungen herrschen. Das <hi rendition="#g">Große</hi> muß <lb n="p2c_633.011"/> immer <hi rendition="#g">schauerlicher,</hi> bänger werden, dann muß das <lb n="p2c_633.012"/> <hi rendition="#g">Starke</hi> folgen. Denn diese Empfindung paßt am besten <lb n="p2c_633.013"/> zur Willensthätigkeit, die sich immer mehr entwickelt. Wenn <lb n="p2c_633.014"/> auch nun ein <hi rendition="#g">reizend</hi> schöner Augenblick dazwischen geworfen <lb n="p2c_633.015"/> wird, so darf er doch nie erweichend seyn. Er darf <lb n="p2c_633.016"/> keine Dissonanz machen. Das <hi rendition="#g">Lächerliche</hi> darf nicht in <lb n="p2c_633.017"/> der eigentlichen Tragödie zu finden seyn. Jm Makbeth hat <lb n="p2c_633.018"/> Shakespear wohl hier und da gemeine Stellen, aber doch <lb n="p2c_633.019"/> <hi rendition="#g">nichts</hi> Lächerliches. Es ist ein eigentliches Trauerspiel. <lb n="p2c_633.020"/> <hi rendition="#g">Hamlet</hi> ist schon mehr <hi rendition="#g">romantisches</hi> Gedicht, und so <lb n="p2c_633.021"/> erträgt man die Scherze des Polonius. ─ Jn der wichtigsten <lb n="p2c_633.022"/> Situation, tritt nun gewöhnlich das Heftige, das <lb n="p2c_633.023"/> schreckliche ein. Hier zeigen sich die meisten Contraste. <lb n="p2c_633.024"/> Mit der Auflösung muß sich das <hi rendition="#g">Heftige</hi> zum Wehmüthigen <lb n="p2c_633.025"/> hinneigen, und das Ganze mit dem <hi rendition="#g">Erhabenen</hi> <lb n="p2c_633.026"/> schließen. Der Zorn des Schicksals ist gestillt, das Opfer <lb n="p2c_633.027"/> ist gefallen, und mit Hoheit gefallen zur Ehre der menschlichen <lb n="p2c_633.028"/> Natur. Der disharmonische Streit der Kräfte hat </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [633/0157]
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des Agamemnon ist am besten decorirt. Der p2c_633.002
Wächter unter dem Sternenhimmel, der das Feuersignal p2c_633.003
von Trojas Einnahme erwartet. Sehr schön und romantisch p2c_633.004
schauerlich ist der Anfang der Jphigenia in Aulis. Agamemnon p2c_633.005
vor seinem Zelte des Nachts, in Unterredung mit p2c_633.006
seinem alten Sclaven. ─ Dies vom Anfang. ─ Mit p2c_633.007
der Handlung selbst nimmt nun auch der Wechsel der Empfindungen p2c_633.008
zu, die wegen des raschen Gangs der Tragödie p2c_633.009
immer steigen müssen. Es muß aber eine gewisse Continuität p2c_633.010
in diesen Empfindungen herrschen. Das Große muß p2c_633.011
immer schauerlicher, bänger werden, dann muß das p2c_633.012
Starke folgen. Denn diese Empfindung paßt am besten p2c_633.013
zur Willensthätigkeit, die sich immer mehr entwickelt. Wenn p2c_633.014
auch nun ein reizend schöner Augenblick dazwischen geworfen p2c_633.015
wird, so darf er doch nie erweichend seyn. Er darf p2c_633.016
keine Dissonanz machen. Das Lächerliche darf nicht in p2c_633.017
der eigentlichen Tragödie zu finden seyn. Jm Makbeth hat p2c_633.018
Shakespear wohl hier und da gemeine Stellen, aber doch p2c_633.019
nichts Lächerliches. Es ist ein eigentliches Trauerspiel. p2c_633.020
Hamlet ist schon mehr romantisches Gedicht, und so p2c_633.021
erträgt man die Scherze des Polonius. ─ Jn der wichtigsten p2c_633.022
Situation, tritt nun gewöhnlich das Heftige, das p2c_633.023
schreckliche ein. Hier zeigen sich die meisten Contraste. p2c_633.024
Mit der Auflösung muß sich das Heftige zum Wehmüthigen p2c_633.025
hinneigen, und das Ganze mit dem Erhabenen p2c_633.026
schließen. Der Zorn des Schicksals ist gestillt, das Opfer p2c_633.027
ist gefallen, und mit Hoheit gefallen zur Ehre der menschlichen p2c_633.028
Natur. Der disharmonische Streit der Kräfte hat
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