Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_634.001 p2c_634.023 p2c_634.024 p2c_634.001 p2c_634.023 p2c_634.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="634"/><lb n="p2c_634.001"/> aufgehört. ─ Am besten wirkt also am Schluß ein Seufzer <lb n="p2c_634.002"/> des Chors über die Menschenschicksale im allgemeinen. <lb n="p2c_634.003"/> Dies läßt einen erhabenen Nachklang in der Seele zurück. <lb n="p2c_634.004"/> <hi rendition="#g">Starker</hi> Schluß thut selten gut. Voltaires Brutus <lb n="p2c_634.005"/> schließt stark und affectirt ─ <hi rendition="#aq">Rome est libre, il suffit <lb n="p2c_634.006"/> ─ rendons graces aux Dieux</hi>. Der Schluß mag in <lb n="p2c_634.007"/> den Römischen Charakter passen, denn die Römer waren, <lb n="p2c_634.008"/> um ihre Empfindungen zu verbergen, Schauspieler, und <lb n="p2c_634.009"/> Voltaire mag wunder gedacht haben, wie kräftig er geschlossen <lb n="p2c_634.010"/> habe. Aber ästhetisch hat Alfieri den Schluß weit besser <lb n="p2c_634.011"/> getroffen, weil er wehmüthig schließt <hi rendition="#aq">del sangue libera <lb n="p2c_634.012"/> sorge Roma ─ infelice padre</hi>! ─ Das Volk: <hi rendition="#aq">Dio <lb n="p2c_634.013"/> di Roma</hi>! ─ Brutus sich das Antlitz bedeckend <hi rendition="#aq">Io sono <lb n="p2c_634.014"/> l'uom più infelice, che sia nato mai</hi>. ─ Die Antithesen, <lb n="p2c_634.015"/> die körnigten Sentenzen zum Schlusse sind bey den <lb n="p2c_634.016"/> Franzosen zu finden. Die Deutschen schließen oft so matt, <lb n="p2c_634.017"/> wie sie anfingen. Schillers Jungfrau hat einen erhabenen <lb n="p2c_634.018"/> Schluß. Shakespear schließt immer mit einer Art Pomp, <lb n="p2c_634.019"/> gleichsam mit einem prächtigen Trauerzug zur Ehre der Gefallenen. <lb n="p2c_634.020"/> Auch dies kann zuweilen eine erhabne Stimmung <lb n="p2c_634.021"/> bewirken. Doch die simple Art, wie gewöhnlich der Chor <lb n="p2c_634.022"/> der Alten schließt, wird von keinem Neuern erreicht.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_634.023"/> §. 8.</hi> </p> <p><lb n="p2c_634.024"/> Da das Trauerspiel die Ansicht einer <hi rendition="#g">concentrirten <lb n="p2c_634.025"/> erhabenen</hi> Handlung giebt, und die handelnden <lb n="p2c_634.026"/> Personen, welche hier nach der dramatischen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [634/0158]
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aufgehört. ─ Am besten wirkt also am Schluß ein Seufzer p2c_634.002
des Chors über die Menschenschicksale im allgemeinen. p2c_634.003
Dies läßt einen erhabenen Nachklang in der Seele zurück. p2c_634.004
Starker Schluß thut selten gut. Voltaires Brutus p2c_634.005
schließt stark und affectirt ─ Rome est libre, il suffit p2c_634.006
─ rendons graces aux Dieux. Der Schluß mag in p2c_634.007
den Römischen Charakter passen, denn die Römer waren, p2c_634.008
um ihre Empfindungen zu verbergen, Schauspieler, und p2c_634.009
Voltaire mag wunder gedacht haben, wie kräftig er geschlossen p2c_634.010
habe. Aber ästhetisch hat Alfieri den Schluß weit besser p2c_634.011
getroffen, weil er wehmüthig schließt del sangue libera p2c_634.012
sorge Roma ─ infelice padre! ─ Das Volk: Dio p2c_634.013
di Roma! ─ Brutus sich das Antlitz bedeckend Io sono p2c_634.014
l'uom più infelice, che sia nato mai. ─ Die Antithesen, p2c_634.015
die körnigten Sentenzen zum Schlusse sind bey den p2c_634.016
Franzosen zu finden. Die Deutschen schließen oft so matt, p2c_634.017
wie sie anfingen. Schillers Jungfrau hat einen erhabenen p2c_634.018
Schluß. Shakespear schließt immer mit einer Art Pomp, p2c_634.019
gleichsam mit einem prächtigen Trauerzug zur Ehre der Gefallenen. p2c_634.020
Auch dies kann zuweilen eine erhabne Stimmung p2c_634.021
bewirken. Doch die simple Art, wie gewöhnlich der Chor p2c_634.022
der Alten schließt, wird von keinem Neuern erreicht.
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§. 8.
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Da das Trauerspiel die Ansicht einer concentrirten p2c_634.025
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Personen, welche hier nach der dramatischen
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