Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_632.001
Stadt seiner Väter mit der Morgenröthe einführt. - Eben p2c_632.002
so weiß Shakespear sehr gut ein Trauerspiel anzufangen. p2c_632.003
Jm Hamlet, die nächtlichen Wachen, die schon von dem p2c_632.004
Gespenst erzählen, im Makbeth der Hexentanz im Sturm, p2c_632.005
während der Schlacht. Die französischen Tragiker fangen p2c_632.006
ihre Trauerspiele mit vertraulichen Unterredungen ohne Kraft p2c_632.007
an, wo der Jnnhalt vorläufig erzählt wird. An die Stelle p2c_632.008
des großen Anfangs im griechischen Oedipus ist beym Voltaire p2c_632.009
eine Unterredung gekommen, zwischen Philoklet und p2c_632.010
Dimat, zwey Nebenpersonen. - Cäsars Tod fängt besser an. p2c_632.011
Cesar tu vas regner, - eben so auch Brutus: Destructeurs p2c_632.012
des Tyrans etc
. Lessings Emilia Galotti, p2c_632.013
welche nur gegen das Ende wie von Ungefähr ein Trauerspiel p2c_632.014
wird, hat zu Anfang einen schwachen Monolog. p2c_632.015
Man findet selten bey den neuern Tragikern einen p2c_632.016
guten Anfang. - Wenn auch nicht allemal mit einer p2c_632.017
großen Empfindung, so sollte doch wenigstens das Trauerspiel p2c_632.018
mit einer Anstrengung beginnen, die von dem gewöhnlichen p2c_632.019
Leben abzieht. Diese Anstrengung muß aber doch p2c_632.020
ruhig seyn. Aeschylus selbst, so heftig er ist, so wild, p2c_632.021
jammervoll, kriegerisch
seine epta epi thebais p2c_632.022
gleich anfangs sind, beginnt doch mit einer etwas gefaßten p2c_632.023
Rede des Eteokles. Hierauf kommt erst der aggelos vs. 40. p2c_632.024
mit einer kriegerischen Erzählung, welche äußerst stark p2c_632.025
und heftig ist. - Jn den Eumeniden ist auch erst mehr p2c_632.026
grausendes und großes. Das eidolon der Klytaimnästra p2c_632.027
und der Chor der Eumeniden zeigt sich etwas später. Prometheus p2c_632.028
beginnt mit einer starken Empfindung. Der Anfang

p2c_632.001
Stadt seiner Väter mit der Morgenröthe einführt. ─ Eben p2c_632.002
so weiß Shakespear sehr gut ein Trauerspiel anzufangen. p2c_632.003
Jm Hamlet, die nächtlichen Wachen, die schon von dem p2c_632.004
Gespenst erzählen, im Makbeth der Hexentanz im Sturm, p2c_632.005
während der Schlacht. Die französischen Tragiker fangen p2c_632.006
ihre Trauerspiele mit vertraulichen Unterredungen ohne Kraft p2c_632.007
an, wo der Jnnhalt vorläufig erzählt wird. An die Stelle p2c_632.008
des großen Anfangs im griechischen Oedipus ist beym Voltaire p2c_632.009
eine Unterredung gekommen, zwischen Philoklet und p2c_632.010
Dimat, zwey Nebenpersonen. ─ Cäsars Tod fängt besser an. p2c_632.011
César tu vas regner, ─ eben so auch Brutus: Destructeurs p2c_632.012
des Tyrans etc
. Lessings Emilia Galotti, p2c_632.013
welche nur gegen das Ende wie von Ungefähr ein Trauerspiel p2c_632.014
wird, hat zu Anfang einen schwachen Monolog. p2c_632.015
Man findet selten bey den neuern Tragikern einen p2c_632.016
guten Anfang. ─ Wenn auch nicht allemal mit einer p2c_632.017
großen Empfindung, so sollte doch wenigstens das Trauerspiel p2c_632.018
mit einer Anstrengung beginnen, die von dem gewöhnlichen p2c_632.019
Leben abzieht. Diese Anstrengung muß aber doch p2c_632.020
ruhig seyn. Aeschylus selbst, so heftig er ist, so wild, p2c_632.021
jammervoll, kriegerisch
seine ἑπτα επι θηβαις p2c_632.022
gleich anfangs sind, beginnt doch mit einer etwas gefaßten p2c_632.023
Rede des Eteokles. Hierauf kommt erst der αγγελος vs. 40. p2c_632.024
mit einer kriegerischen Erzählung, welche äußerst stark p2c_632.025
und heftig ist. ─ Jn den Eumeniden ist auch erst mehr p2c_632.026
grausendes und großes. Das ειδωλον der Klytaimnästra p2c_632.027
und der Chor der Eumeniden zeigt sich etwas später. Prometheus p2c_632.028
beginnt mit einer starken Empfindung. Der Anfang

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0156" n="632"/><lb n="p2c_632.001"/>
Stadt seiner Väter mit der Morgenröthe einführt. &#x2500; Eben <lb n="p2c_632.002"/>
so weiß Shakespear sehr gut ein Trauerspiel anzufangen. <lb n="p2c_632.003"/>
Jm Hamlet, die nächtlichen Wachen, die schon von dem <lb n="p2c_632.004"/>
Gespenst erzählen, im Makbeth der Hexentanz im Sturm, <lb n="p2c_632.005"/>
während der Schlacht. Die französischen Tragiker fangen <lb n="p2c_632.006"/>
ihre Trauerspiele mit vertraulichen Unterredungen ohne Kraft <lb n="p2c_632.007"/>
an, wo der Jnnhalt vorläufig erzählt wird. An die Stelle <lb n="p2c_632.008"/>
des großen Anfangs im griechischen Oedipus ist beym Voltaire <lb n="p2c_632.009"/>
eine Unterredung gekommen, zwischen Philoklet und <lb n="p2c_632.010"/>
Dimat, zwey Nebenpersonen. &#x2500; Cäsars Tod fängt besser an. <lb n="p2c_632.011"/> <hi rendition="#aq">César tu vas regner</hi>, &#x2500; eben so auch Brutus: <hi rendition="#aq">Destructeurs <lb n="p2c_632.012"/>
des Tyrans etc</hi>. Lessings Emilia Galotti, <lb n="p2c_632.013"/>
welche nur gegen das Ende wie von Ungefähr ein Trauerspiel <lb n="p2c_632.014"/>
wird, hat zu Anfang einen schwachen Monolog. <lb n="p2c_632.015"/>
Man findet selten bey den neuern Tragikern einen <lb n="p2c_632.016"/>
guten Anfang. &#x2500; Wenn auch nicht allemal mit einer <lb n="p2c_632.017"/>
großen Empfindung, so sollte doch wenigstens das Trauerspiel <lb n="p2c_632.018"/>
mit einer Anstrengung beginnen, die von dem gewöhnlichen <lb n="p2c_632.019"/>
Leben abzieht. Diese Anstrengung muß aber doch <lb n="p2c_632.020"/>
ruhig seyn. Aeschylus selbst, so <hi rendition="#g">heftig</hi> er ist, so <hi rendition="#g">wild, <lb n="p2c_632.021"/>
jammervoll, kriegerisch</hi> seine <foreign xml:lang="grc">&#x1F11;&#x03C0;&#x03C4;&#x03B1; &#x03B5;&#x03C0;&#x03B9; &#x03B8;&#x03B7;&#x03B2;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C2;</foreign> <lb n="p2c_632.022"/>
gleich anfangs sind, beginnt doch mit einer etwas gefaßten <lb n="p2c_632.023"/>
Rede des Eteokles. Hierauf kommt erst der <foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x03B3;&#x03B3;&#x03B5;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2;</foreign> <hi rendition="#aq">vs</hi>. 40. <lb n="p2c_632.024"/>
mit einer kriegerischen Erzählung, welche äußerst <hi rendition="#g">stark</hi> <lb n="p2c_632.025"/>
und heftig ist. &#x2500; Jn den Eumeniden ist auch erst mehr <lb n="p2c_632.026"/>
grausendes und großes. Das <foreign xml:lang="grc">&#x03B5;&#x03B9;&#x03B4;&#x03C9;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;</foreign> der Klytaimnästra <lb n="p2c_632.027"/>
und der Chor der Eumeniden zeigt sich etwas später. Prometheus     <lb n="p2c_632.028"/>
beginnt mit einer <hi rendition="#g">starken</hi> Empfindung. Der Anfang
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[632/0156] p2c_632.001 Stadt seiner Väter mit der Morgenröthe einführt. ─ Eben p2c_632.002 so weiß Shakespear sehr gut ein Trauerspiel anzufangen. p2c_632.003 Jm Hamlet, die nächtlichen Wachen, die schon von dem p2c_632.004 Gespenst erzählen, im Makbeth der Hexentanz im Sturm, p2c_632.005 während der Schlacht. Die französischen Tragiker fangen p2c_632.006 ihre Trauerspiele mit vertraulichen Unterredungen ohne Kraft p2c_632.007 an, wo der Jnnhalt vorläufig erzählt wird. An die Stelle p2c_632.008 des großen Anfangs im griechischen Oedipus ist beym Voltaire p2c_632.009 eine Unterredung gekommen, zwischen Philoklet und p2c_632.010 Dimat, zwey Nebenpersonen. ─ Cäsars Tod fängt besser an. p2c_632.011 César tu vas regner, ─ eben so auch Brutus: Destructeurs p2c_632.012 des Tyrans etc. Lessings Emilia Galotti, p2c_632.013 welche nur gegen das Ende wie von Ungefähr ein Trauerspiel p2c_632.014 wird, hat zu Anfang einen schwachen Monolog. p2c_632.015 Man findet selten bey den neuern Tragikern einen p2c_632.016 guten Anfang. ─ Wenn auch nicht allemal mit einer p2c_632.017 großen Empfindung, so sollte doch wenigstens das Trauerspiel p2c_632.018 mit einer Anstrengung beginnen, die von dem gewöhnlichen p2c_632.019 Leben abzieht. Diese Anstrengung muß aber doch p2c_632.020 ruhig seyn. Aeschylus selbst, so heftig er ist, so wild, p2c_632.021 jammervoll, kriegerisch seine ἑπτα επι θηβαις p2c_632.022 gleich anfangs sind, beginnt doch mit einer etwas gefaßten p2c_632.023 Rede des Eteokles. Hierauf kommt erst der αγγελος vs. 40. p2c_632.024 mit einer kriegerischen Erzählung, welche äußerst stark p2c_632.025 und heftig ist. ─ Jn den Eumeniden ist auch erst mehr p2c_632.026 grausendes und großes. Das ειδωλον der Klytaimnästra p2c_632.027 und der Chor der Eumeniden zeigt sich etwas später. Prometheus p2c_632.028 beginnt mit einer starken Empfindung. Der Anfang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/156
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/156>, abgerufen am 24.11.2024.