p2c_609.001 Dichter Aufschlüsse von den Musen, und man hat von jeher p2c_609.002 das Wunderbare zur Hauptingredienz der eigentlichen p2c_609.003 Epopöe gemacht. Kein Heldengedicht aus der neuern Geschichte p2c_609.004 wird glücken, so wenig, wie Silius Jtalicus und p2c_609.005 Lucanus glücklich gewesen sind. Die Geschichte muß sich p2c_609.006 in das Unbegreifliche, in die Fabelwelt verliehren. p2c_609.007 Unbekannte Mächte müssen mit Theil daran haben. Daher p2c_609.008 bringen die Epiker Himmel und Unterwelt in Verbindung p2c_609.009 mit der irdischen Begebenheit, und suchen sich aus höhern p2c_609.010 Ursachen dieselbe begreiflich zu machen, wodurch p2c_609.011 sie auch die Wichtigkeit der Handlung mehr ins Licht setzen, p2c_609.012 z. B. der Götterkampf in der Jliade. Für die Würde der p2c_609.013 eigentlichen Epopöe schickt sich jedoch mehr das höherep2c_609.014 Wunderbare aus der Götterwelt, welches auf die ganze p2c_609.015 Weltordnung Beziehung hat, als blos phantastische Mährchen p2c_609.016 von Zauberern, wie im Tasso, Schiffe und Wälder p2c_609.017 und Pferde die weissagen, Stürme in einen Schlauch eingesperrt p2c_609.018 u. s. w. Die Odyssee nähert sich schon mehr dem p2c_609.019 romantischen Gedicht; bey den Reisen des Odysseus p2c_609.020 hat man also das Abentheuerliche, die Somnia Iouis gern. p2c_609.021 Jm Tasso verliehrt durch die vielen romantischen Mährchen p2c_609.022 das Ganze an Größe. Er richtete sich etwas nach dem p2c_609.023 Geschmack seines Zeitalters. Hätte er es ganz thun können, p2c_609.024 wär sein Geist nicht zu idealisch gewesen, so hätte p2c_609.025 er vielleicht eben das Glück gemacht, wie Ariost. So p2c_609.026 schwankte er aber zwischen dem reinen und dem seinen Geschmack, p2c_609.027 und that keinem ganz Genüge. Ossian kennt das p2c_609.028 Wunderbare nicht, einige Geistererscheinungen ausgenommen
p2c_609.001 Dichter Aufschlüsse von den Musen, und man hat von jeher p2c_609.002 das Wunderbare zur Hauptingredienz der eigentlichen p2c_609.003 Epopöe gemacht. Kein Heldengedicht aus der neuern Geschichte p2c_609.004 wird glücken, so wenig, wie Silius Jtalicus und p2c_609.005 Lucanus glücklich gewesen sind. Die Geschichte muß sich p2c_609.006 in das Unbegreifliche, in die Fabelwelt verliehren. p2c_609.007 Unbekannte Mächte müssen mit Theil daran haben. Daher p2c_609.008 bringen die Epiker Himmel und Unterwelt in Verbindung p2c_609.009 mit der irdischen Begebenheit, und suchen sich aus höhern p2c_609.010 Ursachen dieselbe begreiflich zu machen, wodurch p2c_609.011 sie auch die Wichtigkeit der Handlung mehr ins Licht setzen, p2c_609.012 z. B. der Götterkampf in der Jliade. Für die Würde der p2c_609.013 eigentlichen Epopöe schickt sich jedoch mehr das höherep2c_609.014 Wunderbare aus der Götterwelt, welches auf die ganze p2c_609.015 Weltordnung Beziehung hat, als blos phantastische Mährchen p2c_609.016 von Zauberern, wie im Tasso, Schiffe und Wälder p2c_609.017 und Pferde die weissagen, Stürme in einen Schlauch eingesperrt p2c_609.018 u. s. w. Die Odyssee nähert sich schon mehr dem p2c_609.019 romantischen Gedicht; bey den Reisen des Odysseus p2c_609.020 hat man also das Abentheuerliche, die Somnia Iouis gern. p2c_609.021 Jm Tasso verliehrt durch die vielen romantischen Mährchen p2c_609.022 das Ganze an Größe. Er richtete sich etwas nach dem p2c_609.023 Geschmack seines Zeitalters. Hätte er es ganz thun können, p2c_609.024 wär sein Geist nicht zu idealisch gewesen, so hätte p2c_609.025 er vielleicht eben das Glück gemacht, wie Ariost. So p2c_609.026 schwankte er aber zwischen dem reinen und dem seinen Geschmack, p2c_609.027 und that keinem ganz Genüge. Ossian kennt das p2c_609.028 Wunderbare nicht, einige Geistererscheinungen ausgenommen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0133"n="609"/><lbn="p2c_609.001"/>
Dichter Aufschlüsse von den Musen, und man hat von jeher <lbn="p2c_609.002"/>
das <hirendition="#g">Wunderbare</hi> zur Hauptingredienz der eigentlichen <lbn="p2c_609.003"/>
Epopöe gemacht. Kein Heldengedicht aus der neuern Geschichte <lbn="p2c_609.004"/>
wird glücken, so wenig, wie Silius Jtalicus und <lbn="p2c_609.005"/>
Lucanus glücklich gewesen sind. Die Geschichte muß sich <lbn="p2c_609.006"/>
in das <hirendition="#g">Unbegreifliche,</hi> in die Fabelwelt verliehren. <lbn="p2c_609.007"/>
Unbekannte Mächte müssen mit Theil daran haben. Daher <lbn="p2c_609.008"/>
bringen die Epiker Himmel und Unterwelt in Verbindung <lbn="p2c_609.009"/>
mit der irdischen Begebenheit, und suchen sich aus höhern <lbn="p2c_609.010"/>
Ursachen dieselbe begreiflich zu machen, wodurch <lbn="p2c_609.011"/>
sie auch die Wichtigkeit der Handlung mehr ins Licht setzen, <lbn="p2c_609.012"/>
z. B. der Götterkampf in der Jliade. Für die Würde der <lbn="p2c_609.013"/>
eigentlichen Epopöe schickt sich jedoch mehr das <hirendition="#g">höhere</hi><lbn="p2c_609.014"/>
Wunderbare aus der Götterwelt, welches auf die ganze <lbn="p2c_609.015"/>
Weltordnung Beziehung hat, als blos phantastische Mährchen <lbn="p2c_609.016"/>
von Zauberern, wie im Tasso, Schiffe und Wälder <lbn="p2c_609.017"/>
und Pferde die weissagen, Stürme in einen Schlauch eingesperrt <lbn="p2c_609.018"/>
u. s. w. Die <hirendition="#g">Odyssee</hi> nähert sich schon mehr dem <lbn="p2c_609.019"/><hirendition="#g">romantischen</hi> Gedicht; bey den Reisen des Odysseus <lbn="p2c_609.020"/>
hat man also das Abentheuerliche, die <hirendition="#aq">Somnia Iouis</hi> gern. <lbn="p2c_609.021"/>
Jm Tasso verliehrt durch die vielen romantischen Mährchen <lbn="p2c_609.022"/>
das Ganze an Größe. Er richtete sich etwas nach dem <lbn="p2c_609.023"/>
Geschmack seines Zeitalters. Hätte er es ganz thun können, <lbn="p2c_609.024"/>
wär sein Geist nicht zu <hirendition="#g">idealisch</hi> gewesen, so hätte <lbn="p2c_609.025"/>
er vielleicht eben das Glück gemacht, wie Ariost. So <lbn="p2c_609.026"/>
schwankte er aber zwischen dem reinen und dem seinen Geschmack, <lbn="p2c_609.027"/>
und that keinem ganz Genüge. Ossian kennt das <lbn="p2c_609.028"/><hirendition="#g">Wunderbare</hi> nicht, einige Geistererscheinungen ausgenommen
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[609/0133]
p2c_609.001
Dichter Aufschlüsse von den Musen, und man hat von jeher p2c_609.002
das Wunderbare zur Hauptingredienz der eigentlichen p2c_609.003
Epopöe gemacht. Kein Heldengedicht aus der neuern Geschichte p2c_609.004
wird glücken, so wenig, wie Silius Jtalicus und p2c_609.005
Lucanus glücklich gewesen sind. Die Geschichte muß sich p2c_609.006
in das Unbegreifliche, in die Fabelwelt verliehren. p2c_609.007
Unbekannte Mächte müssen mit Theil daran haben. Daher p2c_609.008
bringen die Epiker Himmel und Unterwelt in Verbindung p2c_609.009
mit der irdischen Begebenheit, und suchen sich aus höhern p2c_609.010
Ursachen dieselbe begreiflich zu machen, wodurch p2c_609.011
sie auch die Wichtigkeit der Handlung mehr ins Licht setzen, p2c_609.012
z. B. der Götterkampf in der Jliade. Für die Würde der p2c_609.013
eigentlichen Epopöe schickt sich jedoch mehr das höhere p2c_609.014
Wunderbare aus der Götterwelt, welches auf die ganze p2c_609.015
Weltordnung Beziehung hat, als blos phantastische Mährchen p2c_609.016
von Zauberern, wie im Tasso, Schiffe und Wälder p2c_609.017
und Pferde die weissagen, Stürme in einen Schlauch eingesperrt p2c_609.018
u. s. w. Die Odyssee nähert sich schon mehr dem p2c_609.019
romantischen Gedicht; bey den Reisen des Odysseus p2c_609.020
hat man also das Abentheuerliche, die Somnia Iouis gern. p2c_609.021
Jm Tasso verliehrt durch die vielen romantischen Mährchen p2c_609.022
das Ganze an Größe. Er richtete sich etwas nach dem p2c_609.023
Geschmack seines Zeitalters. Hätte er es ganz thun können, p2c_609.024
wär sein Geist nicht zu idealisch gewesen, so hätte p2c_609.025
er vielleicht eben das Glück gemacht, wie Ariost. So p2c_609.026
schwankte er aber zwischen dem reinen und dem seinen Geschmack, p2c_609.027
und that keinem ganz Genüge. Ossian kennt das p2c_609.028
Wunderbare nicht, einige Geistererscheinungen ausgenommen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/133>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.