Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804. p2c_588.001 p2c_588.002 p2c_588.018 p2c_588.001 p2c_588.002 p2c_588.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0112" n="588"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_588.001"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_588.002"/> Da das <hi rendition="#g">Schöne</hi> unter einem vierfachen Charakter <lb n="p2c_588.003"/> erscheint, 1) als <hi rendition="#g">frey</hi> sich formend <hi rendition="#g">zur Gesetzlichkeit,</hi> <lb n="p2c_588.004"/> 2) als successiv anschaulich werdend, 3) als <lb n="p2c_588.005"/> eine leicht zu ahnende begreifliche Totalität, 4) als <lb n="p2c_588.006"/> Symbol der innern gesetzlichen Geistesnatur, welches <lb n="p2c_588.007"/> ein Gefühl von Harmonie des objektiven und subjektiven <lb n="p2c_588.008"/> erweckt; so muß auch ein <hi rendition="#g">Objekt,</hi> das von der <lb n="p2c_588.009"/> Poesie idealisirt, oder durch die Sprache in der Zeit <lb n="p2c_588.010"/> dargestellt wird, diesen vierfachen Charakter haben. <lb n="p2c_588.011"/> Es muß 1) vor den Augen unsrer Seele sich wie von <lb n="p2c_588.012"/> selbst frey, ohne Zwang und doch gesetzlich formen, 2) <lb n="p2c_588.013"/> es muß sich anschaulich entwickeln, 3) es muß am <lb n="p2c_588.014"/> Ende eine begreifliche Totalität ahnen lassen, 4) es <lb n="p2c_588.015"/> muß die Harmonie des Subjektiven und Objektiven <lb n="p2c_588.016"/> fühlen lassen, und dadurch auf unser Selbstbewußtseyn <lb n="p2c_588.017"/> wirken.</p> <p><lb n="p2c_588.018"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Jedes <hi rendition="#g">idealisirte</hi> Objekt wirkt also <lb n="p2c_588.019"/> auf die vier Seelenkräfte. Jndem es sich <hi rendition="#g">frey</hi> und doch <lb n="p2c_588.020"/> gesetzlich organisirt, beschäftigt es unsern <hi rendition="#g">Willen,</hi> indem <lb n="p2c_588.021"/> es <hi rendition="#g">anschaulich</hi> entsteht, beschäftigt es unsre <hi rendition="#g">Phantasie,</hi> <lb n="p2c_588.022"/> indem es ein <hi rendition="#g">begreifliches</hi> Ganzes ist, beschäftigt <lb n="p2c_588.023"/> es unsern <hi rendition="#g">Verstand,</hi> indem es ein Symbol der innern <lb n="p2c_588.024"/> Geistesnatur ist, beschäftigt es unsre <hi rendition="#g">Vernunft,</hi> <lb n="p2c_588.025"/> als das höchste Selbstbewußtseyn. Mit einem Worte: es </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [588/0112]
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§. 3.
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Da das Schöne unter einem vierfachen Charakter p2c_588.003
erscheint, 1) als frey sich formend zur Gesetzlichkeit, p2c_588.004
2) als successiv anschaulich werdend, 3) als p2c_588.005
eine leicht zu ahnende begreifliche Totalität, 4) als p2c_588.006
Symbol der innern gesetzlichen Geistesnatur, welches p2c_588.007
ein Gefühl von Harmonie des objektiven und subjektiven p2c_588.008
erweckt; so muß auch ein Objekt, das von der p2c_588.009
Poesie idealisirt, oder durch die Sprache in der Zeit p2c_588.010
dargestellt wird, diesen vierfachen Charakter haben. p2c_588.011
Es muß 1) vor den Augen unsrer Seele sich wie von p2c_588.012
selbst frey, ohne Zwang und doch gesetzlich formen, 2) p2c_588.013
es muß sich anschaulich entwickeln, 3) es muß am p2c_588.014
Ende eine begreifliche Totalität ahnen lassen, 4) es p2c_588.015
muß die Harmonie des Subjektiven und Objektiven p2c_588.016
fühlen lassen, und dadurch auf unser Selbstbewußtseyn p2c_588.017
wirken.
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Anmerk. Jedes idealisirte Objekt wirkt also p2c_588.019
auf die vier Seelenkräfte. Jndem es sich frey und doch p2c_588.020
gesetzlich organisirt, beschäftigt es unsern Willen, indem p2c_588.021
es anschaulich entsteht, beschäftigt es unsre Phantasie, p2c_588.022
indem es ein begreifliches Ganzes ist, beschäftigt p2c_588.023
es unsern Verstand, indem es ein Symbol der innern p2c_588.024
Geistesnatur ist, beschäftigt es unsre Vernunft, p2c_588.025
als das höchste Selbstbewußtseyn. Mit einem Worte: es
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