Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_391.001
für die Jtaliener. Sie schwanken daher, wie Klopstock sagt, p1c_391.002
zwischen der Zahl und dem Maaße. Ungeachtet sie reimfreye p1c_391.003
Verse haben, werden sie sich doch selten über die Jamben p1c_391.004
hinaus versteigen, und auch hier wird die Quantität p1c_391.005
nie sehr rein seyn. Frequent and full, after short silence p1c_391.006
then. Milton. - Still let me pierce into p1c_391.007
the midnight depth - Thomson. Would have p1c_391.008
confounded human Virtues pride - and shew'd p1c_391.009
thee a God | crucify'd. Cowley
. Dieser Schluß p1c_391.010
einer schönen Ode an den Brutus ist zwar sehr kräftig, aber p1c_391.011
durch die Vernachlässiigung der Quantität verliehrt er unendlich. p1c_391.012
Da Jamben vorhergehen, so ist man an das trochäische p1c_391.013
Gesetz gewöhnt, nun bekommt offenbar a den Accent p1c_391.014
und God kommt in den Niederschlag. Ginge nicht ein p1c_391.015
so regelmäßiger Jambe vorher, so würde vielleicht dieser p1c_391.016
unmetrische Vers gerade wegen der Größe des Gedankens p1c_391.017
Wirkung thun. - Die Deutschen haben zeitig Verse mit p1c_391.018
und ohne Auftakt unterschieden, und wir finden von beyderley p1c_391.019
Art bey den ältesten Dichtern. An Spondeen fehlt es p1c_391.020
uns offenbar, welches Klopstock in der Ode Sponda beklagt. p1c_391.021
Anch an langen Sylben zu Anfang der Worte. Wir fangen p1c_391.022
nicht oft mit einer vollen Arsis an, weil unsre Zeitwörter p1c_391.023
so viele augmenta, (sprechen, gesprochen) - p1c_391.024
unsre Substantiva Artikel in der Declination und Vorsylben p1c_391.025
als Derivativa haben (Berg, Gebirg). - Den Mangel p1c_391.026
an Spondäen sucht man jetzt durch zusammengesetzte

p1c_391.001
für die Jtaliener. Sie schwanken daher, wie Klopstock sagt, p1c_391.002
zwischen der Zahl und dem Maaße. Ungeachtet sie reimfreye p1c_391.003
Verse haben, werden sie sich doch selten über die Jamben p1c_391.004
hinaus versteigen, und auch hier wird die Quantität p1c_391.005
nie sehr rein seyn. Frequent and full, after short silĕnce p1c_391.006
then. Milton. ─ Still let me pierce into p1c_391.007
the midnigh̆t dēpth ─ Thomson. Would háve p1c_391.008
confoúnded húman Vírtues pride ─ and śhēw'd p1c_391.009
thēe á God | crūcĭfȳ'd. Cowley
. Dieser Schluß p1c_391.010
einer schönen Ode an den Brutus ist zwar sehr kräftig, aber p1c_391.011
durch die Vernachlässiigung der Quantität verliehrt er unendlich. p1c_391.012
Da Jamben vorhergehen, so ist man an das trochäische p1c_391.013
Gesetz gewöhnt, nun bekommt offenbar a den Accent p1c_391.014
und God kommt in den Niederschlag. Ginge nicht ein p1c_391.015
so regelmäßiger Jambe vorher, so würde vielleicht dieser p1c_391.016
unmetrische Vers gerade wegen der Größe des Gedankens p1c_391.017
Wirkung thun. ─ Die Deutschen haben zeitig Verse mit p1c_391.018
und ohne Auftakt unterschieden, und wir finden von beyderley p1c_391.019
Art bey den ältesten Dichtern. An Spondeen fehlt es p1c_391.020
uns offenbar, welches Klopstock in der Ode Sponda beklagt. p1c_391.021
Anch an langen Sylben zu Anfang der Worte. Wir fangen p1c_391.022
nicht oft mit einer vollen Arsis an, weil unsre Zeitwörter p1c_391.023
so viele augmenta, (sprechen, gesprochen) ─ p1c_391.024
unsre Substantiva Artikel in der Declination und Vorsylben p1c_391.025
als Derivativa haben (Berg, Gebirg). ─ Den Mangel p1c_391.026
an Spondäen sucht man jetzt durch zusammengesetzte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0449" n="391"/><lb n="p1c_391.001"/>
für die Jtaliener. Sie schwanken daher, wie Klopstock sagt, <lb n="p1c_391.002"/>
zwischen der Zahl und dem Maaße. Ungeachtet sie reimfreye <lb n="p1c_391.003"/>
Verse haben, werden sie sich doch selten über die <hi rendition="#g">Jamben</hi> <lb n="p1c_391.004"/>
hinaus versteigen, und auch hier wird die Quantität <lb n="p1c_391.005"/>
nie sehr rein seyn. <hi rendition="#aq">Frequent and full, after short <hi rendition="#g">sil&#x0115;nce</hi> <lb n="p1c_391.006"/>
then. <hi rendition="#g">Milton.</hi> &#x2500; Still let me pierce into <lb n="p1c_391.007"/>
the midnigh&#x0306;t d&#x0113;pth &#x2500; <hi rendition="#g">Thomson.</hi> Would háve <lb n="p1c_391.008"/>
confoúnded húman Vírtues pride &#x2500; and &#x015B;h&#x0113;w'd <lb n="p1c_391.009"/>
th&#x0113;e á God | cr&#x016B;c&#x012D;f&#x0233;'d. <hi rendition="#g">Cowley</hi></hi>. Dieser Schluß <lb n="p1c_391.010"/>
einer schönen Ode an den Brutus ist zwar sehr kräftig, aber <lb n="p1c_391.011"/>
durch die Vernachlässiigung der Quantität verliehrt er unendlich. <lb n="p1c_391.012"/>
Da Jamben vorhergehen, so ist man an das trochäische <lb n="p1c_391.013"/>
Gesetz gewöhnt, nun bekommt offenbar <hi rendition="#aq">a</hi> den Accent <lb n="p1c_391.014"/>
und <hi rendition="#aq">God</hi> kommt in den Niederschlag. Ginge nicht ein <lb n="p1c_391.015"/>
so regelmäßiger Jambe vorher, so würde vielleicht dieser <lb n="p1c_391.016"/>
unmetrische Vers gerade wegen der Größe des Gedankens <lb n="p1c_391.017"/>
Wirkung thun. &#x2500; Die Deutschen haben zeitig Verse mit <lb n="p1c_391.018"/>
und ohne Auftakt unterschieden, und wir finden von beyderley <lb n="p1c_391.019"/>
Art bey den ältesten Dichtern. An Spondeen fehlt es <lb n="p1c_391.020"/>
uns offenbar, welches Klopstock in der Ode <hi rendition="#aq">Sponda</hi> beklagt. <lb n="p1c_391.021"/>
Anch an langen Sylben zu Anfang der Worte. Wir fangen <lb n="p1c_391.022"/>
nicht oft mit einer vollen <hi rendition="#g">Arsis</hi> an, weil unsre Zeitwörter <lb n="p1c_391.023"/>
so viele <hi rendition="#aq">augmenta</hi>, (sprechen, gesprochen) &#x2500; <lb n="p1c_391.024"/>
unsre Substantiva Artikel in der Declination und Vorsylben <lb n="p1c_391.025"/>
als <hi rendition="#aq">Derivativa</hi> haben (Berg, Gebirg). &#x2500; Den Mangel <lb n="p1c_391.026"/>
an Spondäen sucht man jetzt durch zusammengesetzte
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0449] p1c_391.001 für die Jtaliener. Sie schwanken daher, wie Klopstock sagt, p1c_391.002 zwischen der Zahl und dem Maaße. Ungeachtet sie reimfreye p1c_391.003 Verse haben, werden sie sich doch selten über die Jamben p1c_391.004 hinaus versteigen, und auch hier wird die Quantität p1c_391.005 nie sehr rein seyn. Frequent and full, after short silĕnce p1c_391.006 then. Milton. ─ Still let me pierce into p1c_391.007 the midnigh̆t dēpth ─ Thomson. Would háve p1c_391.008 confoúnded húman Vírtues pride ─ and śhēw'd p1c_391.009 thēe á God | crūcĭfȳ'd. Cowley. Dieser Schluß p1c_391.010 einer schönen Ode an den Brutus ist zwar sehr kräftig, aber p1c_391.011 durch die Vernachlässiigung der Quantität verliehrt er unendlich. p1c_391.012 Da Jamben vorhergehen, so ist man an das trochäische p1c_391.013 Gesetz gewöhnt, nun bekommt offenbar a den Accent p1c_391.014 und God kommt in den Niederschlag. Ginge nicht ein p1c_391.015 so regelmäßiger Jambe vorher, so würde vielleicht dieser p1c_391.016 unmetrische Vers gerade wegen der Größe des Gedankens p1c_391.017 Wirkung thun. ─ Die Deutschen haben zeitig Verse mit p1c_391.018 und ohne Auftakt unterschieden, und wir finden von beyderley p1c_391.019 Art bey den ältesten Dichtern. An Spondeen fehlt es p1c_391.020 uns offenbar, welches Klopstock in der Ode Sponda beklagt. p1c_391.021 Anch an langen Sylben zu Anfang der Worte. Wir fangen p1c_391.022 nicht oft mit einer vollen Arsis an, weil unsre Zeitwörter p1c_391.023 so viele augmenta, (sprechen, gesprochen) ─ p1c_391.024 unsre Substantiva Artikel in der Declination und Vorsylben p1c_391.025 als Derivativa haben (Berg, Gebirg). ─ Den Mangel p1c_391.026 an Spondäen sucht man jetzt durch zusammengesetzte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/449
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/449>, abgerufen am 23.11.2024.