p1c_357.001 Bin ich dir sam du selbe dir, so volge mir ze diser p1c_357.002 Frist - Dieweil du lebest es ist dir guot - Ob p1c_357.003 dich ein Frömder ziehen sol, du weist nicht, wie p1c_357.004 er ist gemuot. Hier herrscht großentheils der jambische p1c_357.005 Takt, allein es giebt auch kürzere und längere Reihen, die p1c_357.006 nicht nach dem Metrum, sondern nach einem freyen Rhythmus p1c_357.007 bestimmt sind. 5) Da der Reim rhythmische Reihen p1c_357.008 bezeichnet, die sich auf einander beziehen, so dürfen diese p1c_357.009 nicht so lang seyn, daß das Ohr sie nicht mehr fassen kann. p1c_357.010 Der Reim darf also nicht zu lang verschoben werden. Die p1c_357.011 einzelnen Reihen, die der Reim verbindet, müssen einander p1c_357.012 proportionirt seyn. Ein Reim, der zu spät wiederkehrt, p1c_357.013 wenn das Ohr die Beziehung vergessen hat, ist unnütz. p1c_357.014 Eine Nazion hat zwar mehr Fassungskraft und Aufmerksamkeit p1c_357.015 in Ansehung der Reime als die andre. Jndessen p1c_357.016 giebt es doch hier ein gewisses Maaß für jedes Ohr. Zudem p1c_357.017 ist ja das Musikalische der Poesie Nebensache. Wenn p1c_357.018 das Gesetz des Reims schwer zu fassen ist, vergißt man den p1c_357.019 Gedanken darüber, und es wird aus der Poesie eine Spielerey, p1c_357.020 ein musikalisches Kunststück. Die Jtaliener verschieben p1c_357.021 ihre Reime weit. Sie haben ein größer Talent als p1c_357.022 andre Nazionen, das Musikalische der Poesie zu fassen. p1c_357.023 Jndessen ist doch der Reim bey ihnen durch eine gewisse Ordnung p1c_357.024 unterstützt. Di pensier in pensier, di monte in p1c_357.025 monte, - mi guida Amor, ch'ogni segnato callep1c_357.026 - provo contrario a la tranquilla vita. - Se'n p1c_357.027 solitaria piaggia rivo o fonte s'en fra duo poggi p1c_357.028 siede ombroso valle, ivi s'acqueta l'alma sbigot-
p1c_357.001 Bin ich dir sam du selbe dir, so volge mir ze diser p1c_357.002 Frist ─ Dieweil du lebest es ist dir guot ─ Ob p1c_357.003 dich ein Frömder ziehen sol, du weist nicht, wie p1c_357.004 er ist gemuot. Hier herrscht großentheils der jambische p1c_357.005 Takt, allein es giebt auch kürzere und längere Reihen, die p1c_357.006 nicht nach dem Metrum, sondern nach einem freyen Rhythmus p1c_357.007 bestimmt sind. 5) Da der Reim rhythmische Reihen p1c_357.008 bezeichnet, die sich auf einander beziehen, so dürfen diese p1c_357.009 nicht so lang seyn, daß das Ohr sie nicht mehr fassen kann. p1c_357.010 Der Reim darf also nicht zu lang verschoben werden. Die p1c_357.011 einzelnen Reihen, die der Reim verbindet, müssen einander p1c_357.012 proportionirt seyn. Ein Reim, der zu spät wiederkehrt, p1c_357.013 wenn das Ohr die Beziehung vergessen hat, ist unnütz. p1c_357.014 Eine Nazion hat zwar mehr Fassungskraft und Aufmerksamkeit p1c_357.015 in Ansehung der Reime als die andre. Jndessen p1c_357.016 giebt es doch hier ein gewisses Maaß für jedes Ohr. Zudem p1c_357.017 ist ja das Musikalische der Poesie Nebensache. Wenn p1c_357.018 das Gesetz des Reims schwer zu fassen ist, vergißt man den p1c_357.019 Gedanken darüber, und es wird aus der Poesie eine Spielerey, p1c_357.020 ein musikalisches Kunststück. Die Jtaliener verschieben p1c_357.021 ihre Reime weit. Sie haben ein größer Talent als p1c_357.022 andre Nazionen, das Musikalische der Poesie zu fassen. p1c_357.023 Jndessen ist doch der Reim bey ihnen durch eine gewisse Ordnung p1c_357.024 unterstützt. Di pensier in pensier, di monte in p1c_357.025 monte, ─ mi guida Amor, ch'ogni segnato callep1c_357.026 ─ provo contrario a la tranquilla vita. ─ Se'n p1c_357.027 solitaria piaggia rivo o fonte s'en fra duo poggi p1c_357.028 siede ombroso valle, ivi s'acqueta l'alma sbigot-
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/415>, abgerufen am 23.11.2024.
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