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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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tita. Petrarca
. Hier folgen erst drey Reihen, deren p1c_358.002
Ausgänge nicht reimen. Man sollte meynen, es wäre ein p1c_358.003
reimfreyes Gedicht. Allein die folgenden drey reimen auf p1c_358.004
die drey ersten, und zwar nach eben der Ordnung, wie die p1c_358.005
ersten gestellt sind. Diese Ordnung allein macht es möglich, p1c_358.006
daß man die Reime zusammen hält. Man nehme p1c_358.007
dagegen den Anfang einer andern Strophe desselben Dichters. p1c_358.008
Non e questo'l terren, ch'i toccai pria? - p1c_358.009
non e questo'l mio nido, - ove nudrito fui si dolcemente, p1c_358.010
- non e questa la patria, in ch'io mi p1c_358.011
fido, madre benigna, e pia, che copre l'uno, e p1c_358.012
l'altro mio parente
? Hier sind auch drey Reihen die p1c_358.013
nicht reimen, die folgenden drey reimen auf sie und zwar in p1c_358.014
verschiedener Ordnung. Erst wird auf nido gereimt und p1c_358.015
dann auf pria. Aber hier ist auch diese Ordnung nicht so p1c_358.016
nöthig, wie im vorigen Beyspiel. Denn in jener Strophe p1c_358.017
waren zwischen dem ersten einfallenden Reim fonte und dem p1c_358.018
Vers, auf den er sich bezieht, monte, zwey andre nicht p1c_358.019
gereimte Verse, das Gesetz des Reims ist also gleich anfangs p1c_358.020
schwerer zu fassen. Jm zweyten Beyspiel ist zwischen dem p1c_358.021
ersten einfallenden Reim fido und dem Vers, auf den er p1c_358.022
sich bezieht, nido, nur Ein andrer Vers. Das Gesetz p1c_358.023
des Reims ist also gleich anfangs leichter zu fassen, und p1c_358.024
man läßt es nun auch eher geschehen, daß der Reim auf p1c_358.025
pria so weit verschoben wird. Hieraus ergeben sich folgende p1c_358.026
Regeln, über welche die Dichter übereingekommen zu p1c_358.027
seyn scheinen. a) Mehr als drey Zeilen, die unter einander p1c_358.028
ohne Reim sind, dürfen ein gereimtes Gedicht oder eine

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tita. Petrarca
. Hier folgen erst drey Reihen, deren p1c_358.002
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reimfreyes Gedicht. Allein die folgenden drey reimen auf p1c_358.004
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dagegen den Anfang einer andern Strophe desselben Dichters. p1c_358.008
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─ non è questa la patria, in ch'io mi p1c_358.011
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l'altro mio parente
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[358/0416] p1c_358.001 tita. Petrarca. Hier folgen erst drey Reihen, deren p1c_358.002 Ausgänge nicht reimen. Man sollte meynen, es wäre ein p1c_358.003 reimfreyes Gedicht. Allein die folgenden drey reimen auf p1c_358.004 die drey ersten, und zwar nach eben der Ordnung, wie die p1c_358.005 ersten gestellt sind. Diese Ordnung allein macht es möglich, p1c_358.006 daß man die Reime zusammen hält. Man nehme p1c_358.007 dagegen den Anfang einer andern Strophe desselben Dichters. p1c_358.008 Non è questo'l terren, ch'i toccai pria? ─ p1c_358.009 non è questo'l mio nido, ─ ove nudrito fui si dolcemente, p1c_358.010 ─ non è questa la patria, in ch'io mi p1c_358.011 fido, madre benigna, e pia, che copre l'uno, e p1c_358.012 l'altro mio parente? Hier sind auch drey Reihen die p1c_358.013 nicht reimen, die folgenden drey reimen auf sie und zwar in p1c_358.014 verschiedener Ordnung. Erst wird auf nido gereimt und p1c_358.015 dann auf pria. Aber hier ist auch diese Ordnung nicht so p1c_358.016 nöthig, wie im vorigen Beyspiel. Denn in jener Strophe p1c_358.017 waren zwischen dem ersten einfallenden Reim fonte und dem p1c_358.018 Vers, auf den er sich bezieht, monte, zwey andre nicht p1c_358.019 gereimte Verse, das Gesetz des Reims ist also gleich anfangs p1c_358.020 schwerer zu fassen. Jm zweyten Beyspiel ist zwischen dem p1c_358.021 ersten einfallenden Reim fido und dem Vers, auf den er p1c_358.022 sich bezieht, nido, nur Ein andrer Vers. Das Gesetz p1c_358.023 des Reims ist also gleich anfangs leichter zu fassen, und p1c_358.024 man läßt es nun auch eher geschehen, daß der Reim auf p1c_358.025 pria so weit verschoben wird. Hieraus ergeben sich folgende p1c_358.026 Regeln, über welche die Dichter übereingekommen zu p1c_358.027 seyn scheinen. a) Mehr als drey Zeilen, die unter einander p1c_358.028 ohne Reim sind, dürfen ein gereimtes Gedicht oder eine

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/416>, abgerufen am 28.09.2024.