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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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den rhythmischen Tanz, wenn die Eurythmie peinlich p1c_339.002
wird. Z. B. L'oeil recoit et reflechit en meme temps p1c_339.003
la lumiere de la pensee, et la chaleur du sentiment, p1c_339.004
c'est le sens de l'esprit et la langue de l'intelligence. p1c_339.005
Buffon
. Manche schreiben in lauter Jamben. Das mißfällt. p1c_339.006
Oft erscheint ein andrer bekannter Verstakt im Rhythmus p1c_339.007
der Prosa, z. B. es schließt der Periode mit dem Ausgang p1c_339.008
eines Hexameters: "quamquam sciunt placuisse p1c_339.009
Catoni
." Das tadelt Quinctilian in der Prosa. Warum? p1c_339.010
Ein bestimmtes Maaß, das zu genau wiederkehrt, stöhrt p1c_339.011
die Freyheit des Rhythmus. Gleichwohl wird eine Clausel, p1c_339.012
ein Fall des Perioden am Schluß erfordert. Non vult populus p1c_339.013
Romanus obsoletis criminibus accusari Verrem
. p1c_339.014
Dieß würde unangenehm seyn zum Schluß. Das obsoletis p1c_339.015
criminibus
ist zu lebhaft, und das accusari Verrem p1c_339.016
würde zu schnell enden. Also scheint dem Rhythmus noch p1c_339.017
etwas zu fehlen. Deswegen nimmt Cicero den Perioden p1c_339.018
wieder auf: noua postulat, inaudita desiderat. Also p1c_339.019
ist allerdings das Folgende auf gewisse Art durch das Vorhergehende p1c_339.020
bestimmt. Der Rhythmus selbst verlangt eine p1c_339.021
Totalität, nur läßt sich diese Totalität nach keinem gewissen p1c_339.022
Maaß angeben. Plato schließt seine Apologiam Socratis p1c_339.023
mit einem Creticus: - alla gar ede ora apienai, emoi p1c_339.024
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plen e to theo. Cicero in seiner Uebersetzung dieser Worte p1c_339.027
schließt mit einem Daktylus: sed tempus est iam hinc p1c_339.028
abire, me, ut moriar, vos, ut vitam agatis. Utrum

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μεν, ἀποθανουμενῳ, ὑμιν δε, βιωσομενοις. Ὁποτεροι p1c_339.025
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/397>, abgerufen am 27.07.2024.