p1c_302.001 thut die Sentenz am Ende des Trauerspiels gute Wirkung, p1c_302.002 z. B. das Ende des Oedyp. Tyr. - Selbst in den Jdyllen p1c_302.003 der Alten hat sich die Sentenz eingeschlichen, wohin p1c_302.004 sie im Grunde am wenigsten gehört. Allein die Wechselgesänge p1c_302.005 der Hirten (das Wiedergeben, Retributio) veranlassen p1c_302.006 sie, kurze, gedrängte, parallel laufende Ausdrücke zu p1c_302.007 suchen. Jndessen sind sie selten abstrakt. Ab Iove principium, p1c_302.008 Musae, Iovis omnia plena. - Oft ist es p1c_302.009 blos die Form einer Sentenz: Triste lupus stabulis, maturis p1c_302.010 frugibus imbres, arboribus venti, nobis Amaryllidis p1c_302.011 irae. Virg. Uebrigens muß man von der Sentenz p1c_302.012 als Figur die eigentliche gnomische Dichtungsart unterscheiden. p1c_302.013 14) Verwandt mit der Sentenz ist das Epiphonemap1c_302.014 oder der Schlußspruch. Eigentlich ist der Kunstgriff p1c_302.015 mit einem kräftigen Gedanken zu schließen mehr rednerisch p1c_302.016 als dichterisch. Die Dichter kultivirter Nazionen brauchen p1c_302.017 diese Figur bey ihren Gedichten, um den Beyfall des Publikums p1c_302.018 zu erhalten, der gegen das Ende am meisten bestimmt p1c_302.019 wird, wie eine Sängerin mit der Cadenz abgeht. p1c_302.020 Man hat viel wider dergleichen Cadenzen in der Musik einzuwenden p1c_302.021 gehabt, und vielleicht eben so viel läßt sich wider p1c_302.022 das Epiphonem im Gedichte einwenden. Homer läßt seine p1c_302.023 Personen selten am Schluß den stärksten Gedanken sagen. p1c_302.024 Zuweilen ist es nothwendig, wie z. B. in der Rede des Priamus p1c_302.025 (s. oben S. 136.). Gewöhnlich wird noch eine ruhige p1c_302.026 Nebenidee hinzugefügt. Il. ph. 113. Odyss. l. 536. Der p1c_302.027 dichterische Effekt muß durchs Ganze gleich vertheilt seyn, p1c_302.028 die Kraft des Geistes mehr ausweiten, als koncentriren.
p1c_302.001 thut die Sentenz am Ende des Trauerspiels gute Wirkung, p1c_302.002 z. B. das Ende des Oedyp. Tyr. ─ Selbst in den Jdyllen p1c_302.003 der Alten hat sich die Sentenz eingeschlichen, wohin p1c_302.004 sie im Grunde am wenigsten gehört. Allein die Wechselgesänge p1c_302.005 der Hirten (das Wiedergeben, Retributio) veranlassen p1c_302.006 sie, kurze, gedrängte, parallel laufende Ausdrücke zu p1c_302.007 suchen. Jndessen sind sie selten abstrakt. Ab Iove principium, p1c_302.008 Musae, Iovis omnia plena. ─ Oft ist es p1c_302.009 blos die Form einer Sentenz: Triste lupus stabulis, maturis p1c_302.010 frugibus imbres, arboribus venti, nobis Amaryllidis p1c_302.011 irae. Virg. Uebrigens muß man von der Sentenz p1c_302.012 als Figur die eigentliche gnomische Dichtungsart unterscheiden. p1c_302.013 14) Verwandt mit der Sentenz ist das Epiphonemap1c_302.014 oder der Schlußspruch. Eigentlich ist der Kunstgriff p1c_302.015 mit einem kräftigen Gedanken zu schließen mehr rednerisch p1c_302.016 als dichterisch. Die Dichter kultivirter Nazionen brauchen p1c_302.017 diese Figur bey ihren Gedichten, um den Beyfall des Publikums p1c_302.018 zu erhalten, der gegen das Ende am meisten bestimmt p1c_302.019 wird, wie eine Sängerin mit der Cadenz abgeht. p1c_302.020 Man hat viel wider dergleichen Cadenzen in der Musik einzuwenden p1c_302.021 gehabt, und vielleicht eben so viel läßt sich wider p1c_302.022 das Epiphonem im Gedichte einwenden. Homer läßt seine p1c_302.023 Personen selten am Schluß den stärksten Gedanken sagen. p1c_302.024 Zuweilen ist es nothwendig, wie z. B. in der Rede des Priamus p1c_302.025 (s. oben S. 136.). Gewöhnlich wird noch eine ruhige p1c_302.026 Nebenidee hinzugefügt. Il. φ. 113. Odyss. λ. 536. Der p1c_302.027 dichterische Effekt muß durchs Ganze gleich vertheilt seyn, p1c_302.028 die Kraft des Geistes mehr ausweiten, als koncentriren.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0360"n="302"/><lbn="p1c_302.001"/>
thut die Sentenz am Ende des Trauerspiels gute Wirkung, <lbn="p1c_302.002"/>
z. B. das Ende des <hirendition="#aq">Oedyp. Tyr</hi>. ─ Selbst in den Jdyllen <lbn="p1c_302.003"/>
der Alten hat sich die <hirendition="#g">Sentenz</hi> eingeschlichen, wohin <lbn="p1c_302.004"/>
sie im Grunde am wenigsten gehört. Allein die Wechselgesänge <lbn="p1c_302.005"/>
der Hirten (das Wiedergeben, <hirendition="#aq">Retributio</hi>) veranlassen <lbn="p1c_302.006"/>
sie, kurze, gedrängte, parallel laufende Ausdrücke zu <lbn="p1c_302.007"/>
suchen. Jndessen sind sie selten abstrakt. <hirendition="#aq">Ab Iove principium, <lbn="p1c_302.008"/>
Musae, Iovis omnia plena</hi>. ─ Oft ist es <lbn="p1c_302.009"/>
blos die Form einer Sentenz: <hirendition="#aq">Triste lupus stabulis, maturis <lbn="p1c_302.010"/>
frugibus imbres, arboribus venti, nobis Amaryllidis <lbn="p1c_302.011"/>
irae. <hirendition="#g">Virg</hi></hi>. Uebrigens muß man von der Sentenz <lbn="p1c_302.012"/>
als Figur die eigentliche gnomische Dichtungsart unterscheiden. <lbn="p1c_302.013"/>
14) Verwandt mit der Sentenz ist das <hirendition="#aq">Epiphonema</hi><lbn="p1c_302.014"/>
oder der Schlußspruch. Eigentlich ist der Kunstgriff <lbn="p1c_302.015"/>
mit einem kräftigen Gedanken zu schließen mehr rednerisch <lbn="p1c_302.016"/>
als dichterisch. Die Dichter kultivirter Nazionen brauchen <lbn="p1c_302.017"/>
diese Figur bey ihren Gedichten, um den Beyfall des Publikums <lbn="p1c_302.018"/>
zu erhalten, der gegen das Ende am meisten bestimmt <lbn="p1c_302.019"/>
wird, wie eine Sängerin mit der Cadenz abgeht. <lbn="p1c_302.020"/>
Man hat viel wider dergleichen Cadenzen in der Musik einzuwenden <lbn="p1c_302.021"/>
gehabt, und vielleicht eben so viel läßt sich wider <lbn="p1c_302.022"/>
das Epiphonem im Gedichte einwenden. Homer läßt seine <lbn="p1c_302.023"/>
Personen selten am Schluß den stärksten Gedanken sagen. <lbn="p1c_302.024"/>
Zuweilen ist es nothwendig, wie z. B. in der Rede des Priamus <lbn="p1c_302.025"/>
(s. oben S. 136.). Gewöhnlich wird noch eine ruhige <lbn="p1c_302.026"/>
Nebenidee hinzugefügt. <hirendition="#aq">Il. <foreignxml:lang="grc">φ</foreign>. 113. Odyss. <foreignxml:lang="grc">λ</foreign></hi>. 536. Der <lbn="p1c_302.027"/>
dichterische Effekt muß durchs Ganze gleich vertheilt seyn, <lbn="p1c_302.028"/>
die Kraft des Geistes mehr ausweiten, als koncentriren.
</p></div></div></body></text></TEI>
[302/0360]
p1c_302.001
thut die Sentenz am Ende des Trauerspiels gute Wirkung, p1c_302.002
z. B. das Ende des Oedyp. Tyr. ─ Selbst in den Jdyllen p1c_302.003
der Alten hat sich die Sentenz eingeschlichen, wohin p1c_302.004
sie im Grunde am wenigsten gehört. Allein die Wechselgesänge p1c_302.005
der Hirten (das Wiedergeben, Retributio) veranlassen p1c_302.006
sie, kurze, gedrängte, parallel laufende Ausdrücke zu p1c_302.007
suchen. Jndessen sind sie selten abstrakt. Ab Iove principium, p1c_302.008
Musae, Iovis omnia plena. ─ Oft ist es p1c_302.009
blos die Form einer Sentenz: Triste lupus stabulis, maturis p1c_302.010
frugibus imbres, arboribus venti, nobis Amaryllidis p1c_302.011
irae. Virg. Uebrigens muß man von der Sentenz p1c_302.012
als Figur die eigentliche gnomische Dichtungsart unterscheiden. p1c_302.013
14) Verwandt mit der Sentenz ist das Epiphonema p1c_302.014
oder der Schlußspruch. Eigentlich ist der Kunstgriff p1c_302.015
mit einem kräftigen Gedanken zu schließen mehr rednerisch p1c_302.016
als dichterisch. Die Dichter kultivirter Nazionen brauchen p1c_302.017
diese Figur bey ihren Gedichten, um den Beyfall des Publikums p1c_302.018
zu erhalten, der gegen das Ende am meisten bestimmt p1c_302.019
wird, wie eine Sängerin mit der Cadenz abgeht. p1c_302.020
Man hat viel wider dergleichen Cadenzen in der Musik einzuwenden p1c_302.021
gehabt, und vielleicht eben so viel läßt sich wider p1c_302.022
das Epiphonem im Gedichte einwenden. Homer läßt seine p1c_302.023
Personen selten am Schluß den stärksten Gedanken sagen. p1c_302.024
Zuweilen ist es nothwendig, wie z. B. in der Rede des Priamus p1c_302.025
(s. oben S. 136.). Gewöhnlich wird noch eine ruhige p1c_302.026
Nebenidee hinzugefügt. Il. φ. 113. Odyss. λ. 536. Der p1c_302.027
dichterische Effekt muß durchs Ganze gleich vertheilt seyn, p1c_302.028
die Kraft des Geistes mehr ausweiten, als koncentriren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/360>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.