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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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. Daß die Dichtersprache überhaupt tempora verwechsle, p1c_295.002
ist schon oben erwähnt worden. Allein das futurum p1c_295.003
in der göttlichen Poesie, wovon sich auch Spuren p1c_295.004
in dem neuen Testamente finden, ist weissagender Orakelton p1c_295.005
und scheint anzudeuten, daß es vor Gott keine Vergangenheit p1c_295.006
gebe, die nicht auch als Keim der Zukunft anzusehen p1c_295.007
sey. Alle Geschichte wird dadurch symbolisch, und rechtfertigt p1c_295.008
die Annahme von Weissagungen. Jn einem p1c_295.009
andern Sinn nimmt Scaliger das Wort Anticipatio, und p1c_295.010
drückt das damit aus, was wir Anachronismus nennen p1c_295.011
würden. Dies ist aber keine Figur, sondern bey nicht p1c_295.012
scherzhaften Gegenständen ein Fehler wider die logische Vollkommenheit p1c_295.013
des Gedankens. Z. B. wenn Hamlet von p1c_295.014
der Universität Wittenberg spricht. Palinurus zum Aeneas p1c_295.015
sagt portus require Velinos, weil die Stadt Velia erst p1c_295.016
später gebaut ward. Jndessen da hier ein Schatten spricht, p1c_295.017
dem man einen Blick in die Zukunft zuschreiben kann, wie p1c_295.018
dem Anchises in den Elysäischen Gefilden, so ist das eine p1c_295.019
Art prolepsis und in dieser Rücksicht eine Figur. Auch p1c_295.020
muß man immer, ehe man über Anachronismen redet, die p1c_295.021
Person des Dichters von den Gegenständen, die er abhandelt, p1c_295.022
unterscheiden. Italiam fato profugus Lavinaque p1c_295.023
venit littora
. Hier spricht Virgil. Freylich Aeneas kam p1c_295.024
nicht an die Lavina littora. Denn damals hießen sie noch p1c_295.025
nicht so. - Hieraus läßt sich vieles, was unpassend scheint, p1c_295.026
entschuldigen. Z. B. die griechische Mythologie beym Milton. p1c_295.027
Nämlich Milton selbst als Dichter einer spätern p1c_295.028
Zeit, der sich lyrisch ins Gedicht mischt, von seiner Blindheit

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/353>, abgerufen am 23.11.2024.