Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_260.001
bringen die Männer den großen Körper einer unglücklichen p1c_260.002
Asche, statt die Asche eines großen Körpers oder Mannes, p1c_260.003
Aber diese antiptosis, wie der Scholiast ad h. l. die Redensart p1c_260.004
nennt, ist sehr weislich gesetzt, um die Antithesin, p1c_260.005
den poetischen Hauptgegensatz des kleinen Gefäßes und p1c_260.006
des großen Körpers anschaulicher zu machen. Ueberdem hat p1c_260.007
ein substantivum im genitivo zu einem andern substantivo p1c_260.008
gesetzt in der höhern Dichtersprache den Sinn eines p1c_260.009
adiectivi. Der große Körper der unglücklichen Asche heißt p1c_260.010
also soviel, wie ein in Asche gefallner großer Körper. So p1c_260.011
sagt Ossian nach Macpherson: the battle of heroes, the p1c_260.012
stone of power, the field of glory - homme des ans
, p1c_260.013
ein bejahrter Mann (Atala). Man sieht aus diesem allen, p1c_260.014
wie nothwendig den Grammatikern die Vervollkommnung p1c_260.015
einer wissenschaftlichen Poetik ist, wenn sie nicht länger p1c_260.016
im Finstern tappen wollen. - Jn der Elektra zu Aufang p1c_260.017
melaina t' astron ekleloipen euphrone statt astra melaines p1c_260.018
nuktos - ekleipo wird vom Verschwinden der Sonne, p1c_260.019
des Mondes gebraucht. Sophocles sagt also entweder p1c_260.020
die schwarze Nacht der Gestirne (d. h. der Sternenhimmel) p1c_260.021
verschwindet - oder die Gestirne der schwarzen p1c_260.022
Nacht verschwinden. Eben so erklären sich die latreumata p1c_260.023
ponon, Trach. 357. Dienste der Arbeit - kelida xumphoras, p1c_260.024
Oed. Tyr. 833. - ubris phuteuei turannon, p1c_260.025
Oed. Tyr. vs
. 873. für turannis phuteuei ubrin, ist wohl p1c_260.026
keine Hypallage, wie Brunk meynt, sondern muß nach p1c_260.027
den Scholiasten verstanden werden - Uebermuth pflanzt p1c_260.028
und erhebt den Herrscher. Ueberhaupt sind die Jnterpreten

p1c_260.001
bringen die Männer den großen Körper einer unglücklichen p1c_260.002
Asche, statt die Asche eines großen Körpers oder Mannes, p1c_260.003
Aber diese ἀντιπτωσις, wie der Scholiast ad h. l. die Redensart p1c_260.004
nennt, ist sehr weislich gesetzt, um die Antithesin, p1c_260.005
den poetischen Hauptgegensatz des kleinen Gefäßes und p1c_260.006
des großen Körpers anschaulicher zu machen. Ueberdem hat p1c_260.007
ein substantivum im genitivo zu einem andern substantivo p1c_260.008
gesetzt in der höhern Dichtersprache den Sinn eines p1c_260.009
adiectivi. Der große Körper der unglücklichen Asche heißt p1c_260.010
also soviel, wie ein in Asche gefallner großer Körper. So p1c_260.011
sagt Ossian nach Macpherson: the battle of heroes, the p1c_260.012
stone of power, the field of glory ─ homme des ans
, p1c_260.013
ein bejahrter Mann (Atala). Man sieht aus diesem allen, p1c_260.014
wie nothwendig den Grammatikern die Vervollkommnung p1c_260.015
einer wissenschaftlichen Poetik ist, wenn sie nicht länger p1c_260.016
im Finstern tappen wollen. ─ Jn der Elektra zu Aufang p1c_260.017
μελαινα τ' ἀϛρων ἐκλελοιπεν εὐφρονη statt ἀϛρα μελαινης p1c_260.018
νυκτος ─ ἐκλειπω wird vom Verschwinden der Sonne, p1c_260.019
des Mondes gebraucht. Sophocles sagt also entweder p1c_260.020
die schwarze Nacht der Gestirne (d. h. der Sternenhimmel) p1c_260.021
verschwindet ─ oder die Gestirne der schwarzen p1c_260.022
Nacht verschwinden. Eben so erklären sich die λατρευματα p1c_260.023
πονων, Trach. 357. Dienste der Arbeit ─ κηλῖδα ξυμφορας, p1c_260.024
Oed. Tyr. 833. ─ ὑβρις φυτευει τυραννον, p1c_260.025
Oed. Tyr. vs
. 873. für τυραννις φυτευει ὑβριν, ist wohl p1c_260.026
keine Hypallage, wie Brunk meynt, sondern muß nach p1c_260.027
den Scholiasten verstanden werden ─ Uebermuth pflanzt p1c_260.028
und erhebt den Herrscher. Ueberhaupt sind die Jnterpreten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="260"/><lb n="p1c_260.001"/>
bringen die Männer den großen Körper einer unglücklichen <lb n="p1c_260.002"/>
Asche, <hi rendition="#g">statt</hi> die Asche eines großen Körpers oder Mannes, <lb n="p1c_260.003"/>
Aber diese <foreign xml:lang="grc">&#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C0;&#x03C4;&#x03C9;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2;</foreign>, wie der Scholiast <hi rendition="#aq">ad h. l</hi>. die Redensart <lb n="p1c_260.004"/>
nennt, ist sehr weislich gesetzt, um die <hi rendition="#aq">Antithesin</hi>, <lb n="p1c_260.005"/>
den poetischen Hauptgegensatz des kleinen Gefäßes und <lb n="p1c_260.006"/>
des großen Körpers anschaulicher zu machen. Ueberdem hat <lb n="p1c_260.007"/>
ein <hi rendition="#aq">substantivum</hi> im <hi rendition="#aq">genitivo</hi> zu einem andern <hi rendition="#aq">substantivo</hi> <lb n="p1c_260.008"/>
gesetzt in der höhern Dichtersprache den Sinn eines <lb n="p1c_260.009"/> <hi rendition="#aq">adiectivi</hi>. Der große Körper der unglücklichen Asche heißt <lb n="p1c_260.010"/>
also soviel, wie ein in Asche gefallner großer Körper. So <lb n="p1c_260.011"/>
sagt Ossian nach <hi rendition="#aq">Macpherson: the battle of heroes, the <lb n="p1c_260.012"/>
stone of power, the field of glory &#x2500; homme des ans</hi>, <lb n="p1c_260.013"/>
ein bejahrter Mann (<hi rendition="#aq">Atala</hi>). Man sieht aus diesem allen, <lb n="p1c_260.014"/>
wie nothwendig den Grammatikern die Vervollkommnung <lb n="p1c_260.015"/>
einer wissenschaftlichen <hi rendition="#g">Poetik</hi> ist, wenn sie nicht länger <lb n="p1c_260.016"/>
im Finstern tappen wollen. &#x2500; Jn der Elektra zu Aufang <lb n="p1c_260.017"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03BC;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B1; &#x03C4;' &#x1F00;&#x03DB;&#x03C1;&#x03C9;&#x03BD; &#x1F10;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C0;&#x03B5;&#x03BD; &#x03B5;&#x1F50;&#x03C6;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B7;</foreign> statt <foreign xml:lang="grc">&#x1F00;&#x03DB;&#x03C1;&#x03B1; &#x03BC;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C2;</foreign> <lb n="p1c_260.018"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03BD;&#x03C5;&#x03BA;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;</foreign> &#x2500; <foreign xml:lang="grc">&#x1F10;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C0;&#x03C9;</foreign> wird vom Verschwinden der Sonne, <lb n="p1c_260.019"/>
des Mondes gebraucht. Sophocles sagt also entweder <lb n="p1c_260.020"/>
die schwarze Nacht der Gestirne (d. h. der Sternenhimmel) <lb n="p1c_260.021"/>
verschwindet &#x2500; <hi rendition="#g">oder</hi> die Gestirne der schwarzen <lb n="p1c_260.022"/>
Nacht verschwinden. Eben so erklären sich die <foreign xml:lang="grc">&#x03BB;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;</foreign> <lb n="p1c_260.023"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C9;&#x03BD;</foreign>, <hi rendition="#aq">Trach</hi>. 357. Dienste der Arbeit &#x2500; <foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B7;&#x03BB;&#x1FD6;&#x03B4;&#x03B1; &#x03BE;&#x03C5;&#x03BC;&#x03C6;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B1;&#x03C2;</foreign>, <lb n="p1c_260.024"/> <hi rendition="#aq">Oed. Tyr. 833. &#x2500; <foreign xml:lang="grc">&#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C6;&#x03C5;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C5;&#x03B5;&#x03B9; &#x03C4;&#x03C5;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03BD;</foreign>, <lb n="p1c_260.025"/>
Oed. Tyr. vs</hi>. 873. für <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03C5;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03BD;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C6;&#x03C5;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C5;&#x03B5;&#x03B9; &#x1F51;&#x03B2;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BD;</foreign>, ist wohl <lb n="p1c_260.026"/>
keine <hi rendition="#aq">Hypallage</hi>, wie Brunk meynt, sondern muß nach <lb n="p1c_260.027"/>
den Scholiasten verstanden werden &#x2500; Uebermuth pflanzt <lb n="p1c_260.028"/>
und erhebt den Herrscher. Ueberhaupt sind die Jnterpreten
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0318] p1c_260.001 bringen die Männer den großen Körper einer unglücklichen p1c_260.002 Asche, statt die Asche eines großen Körpers oder Mannes, p1c_260.003 Aber diese ἀντιπτωσις, wie der Scholiast ad h. l. die Redensart p1c_260.004 nennt, ist sehr weislich gesetzt, um die Antithesin, p1c_260.005 den poetischen Hauptgegensatz des kleinen Gefäßes und p1c_260.006 des großen Körpers anschaulicher zu machen. Ueberdem hat p1c_260.007 ein substantivum im genitivo zu einem andern substantivo p1c_260.008 gesetzt in der höhern Dichtersprache den Sinn eines p1c_260.009 adiectivi. Der große Körper der unglücklichen Asche heißt p1c_260.010 also soviel, wie ein in Asche gefallner großer Körper. So p1c_260.011 sagt Ossian nach Macpherson: the battle of heroes, the p1c_260.012 stone of power, the field of glory ─ homme des ans, p1c_260.013 ein bejahrter Mann (Atala). Man sieht aus diesem allen, p1c_260.014 wie nothwendig den Grammatikern die Vervollkommnung p1c_260.015 einer wissenschaftlichen Poetik ist, wenn sie nicht länger p1c_260.016 im Finstern tappen wollen. ─ Jn der Elektra zu Aufang p1c_260.017 μελαινα τ' ἀϛρων ἐκλελοιπεν εὐφρονη statt ἀϛρα μελαινης p1c_260.018 νυκτος ─ ἐκλειπω wird vom Verschwinden der Sonne, p1c_260.019 des Mondes gebraucht. Sophocles sagt also entweder p1c_260.020 die schwarze Nacht der Gestirne (d. h. der Sternenhimmel) p1c_260.021 verschwindet ─ oder die Gestirne der schwarzen p1c_260.022 Nacht verschwinden. Eben so erklären sich die λατρευματα p1c_260.023 πονων, Trach. 357. Dienste der Arbeit ─ κηλῖδα ξυμφορας, p1c_260.024 Oed. Tyr. 833. ─ ὑβρις φυτευει τυραννον, p1c_260.025 Oed. Tyr. vs. 873. für τυραννις φυτευει ὑβριν, ist wohl p1c_260.026 keine Hypallage, wie Brunk meynt, sondern muß nach p1c_260.027 den Scholiasten verstanden werden ─ Uebermuth pflanzt p1c_260.028 und erhebt den Herrscher. Ueberhaupt sind die Jnterpreten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/318
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/318>, abgerufen am 26.11.2024.