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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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uperoplon, tan oi pater uperkremase, karteron auto p1c_259.002
lithon. Pindar. Ol. a. 90. ate ist hier nicht in der ursprünglichen p1c_259.003
Bedeutung genommen, als damnum, sondern p1c_259.004
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ist ein verbum praegnans. Umgekehrt effectus pro p1c_259.006
causa. Pallentes morbi (Virg. VI. vs. 275.) tristisque p1c_259.007
senectus. Pallida Pirene
, sagt der Satyriker Persius, p1c_259.008
um anzudenten, daß die Dichter Mühe haben, die bleich p1c_259.009
macht. Pallida mors beym Horaz kann angesehen werden, p1c_259.010
als eine wirkliche Eigenschaft des personifizirten Todes, eben p1c_259.011
so wie in der Stelle des Virgil. - Der Tod ist an der p1c_259.012
Spitze seiner Klinge, er trägt in seiner Hand den Tod. Die p1c_259.013
Donner in der Rechten des Zevs für Donnerkeil sind ganz p1c_259.014
natürliche Tropen. Non habet Pelion umbras, er hat p1c_259.015
keine Bäume. c) Drittens gehört hierher, wenn man die p1c_259.016
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ein Epitheton zu einem Worte setzt, dem es eigentlich p1c_259.018
unmittelbar nicht gehört, das Zeitwort anders als gewöhnlich p1c_259.019
verbinden läßt u. s. w. Dies Verfahren nennen p1c_259.020
die Rhetoriker Hypallage, (im engern Sinn) und halten p1c_259.021
es für einen blos grammatischen Gegenstand, da es doch p1c_259.022
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deilaian spodon. Sophocl. Electr. vs. 758. Jn p1c_259.028
diesem kleinen Erz (für: Urne, die Materie für die Form)

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ὑπεροπλον, ταν οἱ πατηρ ὑπερκρεμασε, καρτερον αυτῳ p1c_259.002
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/317>, abgerufen am 11.06.2024.