p1c_200.001 vorbey gezogen. Ein gewisser Ausdruck von Selbstvertraun p1c_200.002 bey einem Naturmenschen läßt also gewöhnlich eine naive p1c_200.003 ästhetische Empfindung zurück. Selbst die Demuth einer p1c_200.004 Jungfrau ist nicht ohne dieses Selbstbewußtseyn der Naivität. p1c_200.005 "Dein Staunen lib ich und dein sittsam Schweigen, p1c_200.006 schaamhafte Demuth ist der Reitze Krone, denn ein Verborgenes p1c_200.007 ist sich das Schöne, und es erschrickt vor seiner p1c_200.008 eignen Macht." Schiller, Braut von Messina. So p1c_200.009 sagt Klopstock von einem Liede in der Ode Skulda: "Nur p1c_200.010 eins hatte Minen der Ewigkeit, vom Gefühl seines Werths p1c_200.011 schön erröthend, voll Reitze des Jünglings und voll Stärke p1c_200.012 des Manns." (Hier nähert sich das Naive dem Starken. p1c_200.013 Sehr viel Belege dieser gemischten Empfindung geben die p1c_200.014 Bardieten eben dieses Dichters. So ist zuweilen Naivitätp1c_200.015 mit dem Grausenden in Gegensatz. "Ode. - Mein p1c_200.016 Vaterland:" Einfältiger Sitte bist du und weise, bist p1c_200.017 ernsten tieferen Geistes. Kraft ist dein Wort, Entscheidung p1c_200.018 dein Schwert. Doch wandelst du gern es in die Sichel p1c_200.019 und triefst, wohl dir! von dem Blute nicht der andern p1c_200.020 Welten.) - Die Weichheit des Bion (das Epitaphium p1c_200.021 des Adonis), Moschus (der flüchtige Amor, Europa u. p1c_200.022 s. w.), und anderer erhebt sich auch nicht selten zur Naivität. p1c_200.023 - Die Alexandrinischen Dichter sind zwar aus einer p1c_200.024 Zeit, wo die Poesie schon nicht mehr Natur, sondern Nachahmung p1c_200.025 ältrer Bücher war. Doch fehlt es auch den Callilimachus, p1c_200.026 Apollonius, Musäus nicht an naiven Zügen. p1c_200.027 pherbe kai eiranan, in os arose, keinos amasse. Callimachi p1c_200.028 Hymnus in Cerer. fin. - Jm dritten Buch
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/258>, abgerufen am 27.11.2024.
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