zentriren seiner Kräfte auch jenes Verhältniß noch etwas überschreiten darf und daß er z. B. noch immer einige Wahrscheinlichkeit des Gesammterfolges für sich hat wenn er mit 2/3 seiner Kräfte 1/3 der feindlichen schlägt, weil das von ihm übrig gebliebene Drittheil schwerlich in eben dem Maaße ins Gedränge kommen wird.
484. Wollte man aber in dieser Folgerung weiter gehen und den Schluß machen daß wenn der Vertheidi- ger gar nichts Positives gegen den schwächern Theil des Angreifenden thäte (ein Fall der so sehr oft eintritt), dar- aus immer der Sieg des Angreifenden folgen müßte, so würde man einen Fehlschluß thun; denn in den Fällen wo der Angegriffene sich nicht an dem schwächern Theile der feindlichen Macht zu entschädigen sucht, unterbleibt dies hauptsächlich weil er noch Mittel findet einen Theil seiner nicht angegriffenen Macht in das Gefecht gegen unsere Hauptmacht zu bringen und also den Sieg dersel- ben zweifelhaft zu machen.
485. Je kleiner der Theil der feindlichen Macht ist den wir angreifen um so eher wird das möglich sein, theils wegen des kleinen Raumes, theils und besonders weil die moralische Kraft des Sieges bei kleinen Massen so sehr viel geringer ist; der Sieg über einen kleinen Theil macht den Feind nicht so leicht Kopf und Muth verlieren die noch vorhandenen Mittel zur Wiederherstellung anzuwenden.
486. Nur wenn der Feind sich in den Fall gesetzt hat weder das Eine noch das Andere thun zu können, d. h. sich weder durch einen positiven Sieg über unsern schwächern Theil zu entschädigen, noch sich mit den dort überflüssigen Kräften dem Hauptangriff entgegenzustellen, oder wenn er aus Unentschlossenheit nicht dazu kommt, so darf der Angreifende hoffen auch mit einer verhältnißmä-
zentriren ſeiner Kraͤfte auch jenes Verhaͤltniß noch etwas uͤberſchreiten darf und daß er z. B. noch immer einige Wahrſcheinlichkeit des Geſammterfolges fuͤr ſich hat wenn er mit ⅔ ſeiner Kraͤfte ⅓ der feindlichen ſchlaͤgt, weil das von ihm uͤbrig gebliebene Drittheil ſchwerlich in eben dem Maaße ins Gedraͤnge kommen wird.
484. Wollte man aber in dieſer Folgerung weiter gehen und den Schluß machen daß wenn der Vertheidi- ger gar nichts Poſitives gegen den ſchwaͤchern Theil des Angreifenden thaͤte (ein Fall der ſo ſehr oft eintritt), dar- aus immer der Sieg des Angreifenden folgen muͤßte, ſo wuͤrde man einen Fehlſchluß thun; denn in den Faͤllen wo der Angegriffene ſich nicht an dem ſchwaͤchern Theile der feindlichen Macht zu entſchaͤdigen ſucht, unterbleibt dies hauptſaͤchlich weil er noch Mittel findet einen Theil ſeiner nicht angegriffenen Macht in das Gefecht gegen unſere Hauptmacht zu bringen und alſo den Sieg derſel- ben zweifelhaft zu machen.
485. Je kleiner der Theil der feindlichen Macht iſt den wir angreifen um ſo eher wird das moͤglich ſein, theils wegen des kleinen Raumes, theils und beſonders weil die moraliſche Kraft des Sieges bei kleinen Maſſen ſo ſehr viel geringer iſt; der Sieg uͤber einen kleinen Theil macht den Feind nicht ſo leicht Kopf und Muth verlieren die noch vorhandenen Mittel zur Wiederherſtellung anzuwenden.
486. Nur wenn der Feind ſich in den Fall geſetzt hat weder das Eine noch das Andere thun zu koͤnnen, d. h. ſich weder durch einen poſitiven Sieg uͤber unſern ſchwaͤchern Theil zu entſchaͤdigen, noch ſich mit den dort uͤberfluͤſſigen Kraͤften dem Hauptangriff entgegenzuſtellen, oder wenn er aus Unentſchloſſenheit nicht dazu kommt, ſo darf der Angreifende hoffen auch mit einer verhaͤltnißmaͤ-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0379"n="365"/>
zentriren ſeiner Kraͤfte auch jenes Verhaͤltniß noch etwas<lb/>
uͤberſchreiten darf und daß er z. B. noch immer einige<lb/>
Wahrſcheinlichkeit des Geſammterfolges fuͤr ſich hat wenn<lb/>
er mit ⅔ſeiner Kraͤfte ⅓ der feindlichen ſchlaͤgt, weil das<lb/>
von ihm uͤbrig gebliebene Drittheil ſchwerlich in eben<lb/>
dem Maaße ins Gedraͤnge kommen wird.</p><lb/><p>484. Wollte man aber in dieſer Folgerung weiter<lb/>
gehen und den Schluß machen daß wenn der Vertheidi-<lb/>
ger gar nichts Poſitives gegen den ſchwaͤchern Theil des<lb/>
Angreifenden thaͤte (ein Fall der ſo ſehr oft eintritt), dar-<lb/>
aus immer der Sieg des Angreifenden folgen muͤßte, ſo<lb/>
wuͤrde man einen Fehlſchluß thun; denn in den Faͤllen<lb/>
wo der Angegriffene ſich nicht an dem ſchwaͤchern Theile<lb/>
der feindlichen Macht zu entſchaͤdigen ſucht, unterbleibt<lb/>
dies hauptſaͤchlich weil er noch Mittel findet einen Theil<lb/>ſeiner nicht angegriffenen Macht in das Gefecht gegen<lb/>
unſere Hauptmacht zu bringen und alſo den Sieg derſel-<lb/>
ben zweifelhaft zu machen.</p><lb/><p>485. Je kleiner der Theil der feindlichen Macht iſt<lb/>
den wir angreifen um ſo eher wird das moͤglich ſein, theils<lb/>
wegen des kleinen Raumes, theils und beſonders weil die<lb/>
moraliſche Kraft des Sieges bei kleinen Maſſen ſo ſehr<lb/>
viel geringer iſt; der Sieg uͤber einen kleinen Theil macht<lb/>
den Feind nicht ſo leicht Kopf und Muth verlieren die<lb/>
noch vorhandenen Mittel zur Wiederherſtellung anzuwenden.</p><lb/><p>486. Nur wenn der Feind ſich in den Fall geſetzt<lb/>
hat weder das Eine noch das Andere thun zu koͤnnen,<lb/>
d. h. ſich weder durch einen poſitiven Sieg uͤber unſern<lb/>ſchwaͤchern Theil zu entſchaͤdigen, noch ſich mit den dort<lb/>
uͤberfluͤſſigen Kraͤften dem Hauptangriff entgegenzuſtellen,<lb/>
oder wenn er aus Unentſchloſſenheit nicht dazu kommt, ſo<lb/>
darf der Angreifende hoffen auch mit einer verhaͤltnißmaͤ-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[365/0379]
zentriren ſeiner Kraͤfte auch jenes Verhaͤltniß noch etwas
uͤberſchreiten darf und daß er z. B. noch immer einige
Wahrſcheinlichkeit des Geſammterfolges fuͤr ſich hat wenn
er mit ⅔ ſeiner Kraͤfte ⅓ der feindlichen ſchlaͤgt, weil das
von ihm uͤbrig gebliebene Drittheil ſchwerlich in eben
dem Maaße ins Gedraͤnge kommen wird.
484. Wollte man aber in dieſer Folgerung weiter
gehen und den Schluß machen daß wenn der Vertheidi-
ger gar nichts Poſitives gegen den ſchwaͤchern Theil des
Angreifenden thaͤte (ein Fall der ſo ſehr oft eintritt), dar-
aus immer der Sieg des Angreifenden folgen muͤßte, ſo
wuͤrde man einen Fehlſchluß thun; denn in den Faͤllen
wo der Angegriffene ſich nicht an dem ſchwaͤchern Theile
der feindlichen Macht zu entſchaͤdigen ſucht, unterbleibt
dies hauptſaͤchlich weil er noch Mittel findet einen Theil
ſeiner nicht angegriffenen Macht in das Gefecht gegen
unſere Hauptmacht zu bringen und alſo den Sieg derſel-
ben zweifelhaft zu machen.
485. Je kleiner der Theil der feindlichen Macht iſt
den wir angreifen um ſo eher wird das moͤglich ſein, theils
wegen des kleinen Raumes, theils und beſonders weil die
moraliſche Kraft des Sieges bei kleinen Maſſen ſo ſehr
viel geringer iſt; der Sieg uͤber einen kleinen Theil macht
den Feind nicht ſo leicht Kopf und Muth verlieren die
noch vorhandenen Mittel zur Wiederherſtellung anzuwenden.
486. Nur wenn der Feind ſich in den Fall geſetzt
hat weder das Eine noch das Andere thun zu koͤnnen,
d. h. ſich weder durch einen poſitiven Sieg uͤber unſern
ſchwaͤchern Theil zu entſchaͤdigen, noch ſich mit den dort
uͤberfluͤſſigen Kraͤften dem Hauptangriff entgegenzuſtellen,
oder wenn er aus Unentſchloſſenheit nicht dazu kommt, ſo
darf der Angreifende hoffen auch mit einer verhaͤltnißmaͤ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/379>, abgerufen am 03.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.