Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

der seinigen 1/4 der unsrigen, welches uns offenbar im Vor-
theil läßt.

479. Wären wir dem Feinde sehr überlegen, so
daß die 3/4 unserer Macht hinreichten uns über 1/2 der seini-
gen einen gewissen Sieg zu versprechen, so würde der To-
talerfolg noch entscheidender für uns sein.

480. Je überlegener wir in der Zahl sind, um so
größer darf der Theil der feindlichen Macht sein den wir
ernstlich bekämpfen und um so größer wird dann der Er-
folg sein. Je schwächer wir sind um so kleiner muß der
ernsthaft bekämpfte Theil sein, welches mit dem natürli-
chen Gesetze daß der Schwache seine Kräfte mehr
konzentriren muß
zusammenfällt.

481. Aber hierbei ist schweigend vorausgesetzt daß
der Feind ungefähr eben so viel Zeit braucht unsern schwa-
chen Theil zu schlagen wie wir zur Vollbringung unsers
Sieges über den seinigen nöthig haben. Wäre das nicht
sondern es fände ein sehr merklicher Unterschied Statt, so
würde er einen Theil der Truppen die er dort angewendet
hat noch gegen unsere Hauptmacht brauchen können.

482. Nun ist aber ein Sieg in der Regel um so
schneller erfochten je ungleicher die Macht ist; es folgt also
daraus daß wir den Theil welchen wir aufopfern wollen
nicht willkührlich klein machen dürfen, sondern daß er zu
der feindlichen Macht die er beschäftigen soll ein erträgli-
liches Verhältniß behalten muß. Das Konzentriren hat
also beim Schwachen seine Grenzen.

483. Aber die Nr. 476 gemachte Voraussetzung findet
äußerst selten Anwendung. Gewöhnlich ist ein Theil des
Vertheidigers örtlich verwendet und dieser nicht im Stande
das Vergeltungsrecht so schnell zu üben wie nöthig wäre,
woraus denn hervorgeht daß der Angreifende beim Kon-

der ſeinigen ¼ der unſrigen, welches uns offenbar im Vor-
theil laͤßt.

479. Waͤren wir dem Feinde ſehr uͤberlegen, ſo
daß die ¾ unſerer Macht hinreichten uns uͤber ½ der ſeini-
gen einen gewiſſen Sieg zu verſprechen, ſo wuͤrde der To-
talerfolg noch entſcheidender fuͤr uns ſein.

480. Je uͤberlegener wir in der Zahl ſind, um ſo
groͤßer darf der Theil der feindlichen Macht ſein den wir
ernſtlich bekaͤmpfen und um ſo groͤßer wird dann der Er-
folg ſein. Je ſchwaͤcher wir ſind um ſo kleiner muß der
ernſthaft bekaͤmpfte Theil ſein, welches mit dem natuͤrli-
chen Geſetze daß der Schwache ſeine Kraͤfte mehr
konzentriren muß
zuſammenfaͤllt.

481. Aber hierbei iſt ſchweigend vorausgeſetzt daß
der Feind ungefaͤhr eben ſo viel Zeit braucht unſern ſchwa-
chen Theil zu ſchlagen wie wir zur Vollbringung unſers
Sieges uͤber den ſeinigen noͤthig haben. Waͤre das nicht
ſondern es faͤnde ein ſehr merklicher Unterſchied Statt, ſo
wuͤrde er einen Theil der Truppen die er dort angewendet
hat noch gegen unſere Hauptmacht brauchen koͤnnen.

482. Nun iſt aber ein Sieg in der Regel um ſo
ſchneller erfochten je ungleicher die Macht iſt; es folgt alſo
daraus daß wir den Theil welchen wir aufopfern wollen
nicht willkuͤhrlich klein machen duͤrfen, ſondern daß er zu
der feindlichen Macht die er beſchaͤftigen ſoll ein ertraͤgli-
liches Verhaͤltniß behalten muß. Das Konzentriren hat
alſo beim Schwachen ſeine Grenzen.

483. Aber die Nr. 476 gemachte Vorausſetzung findet
aͤußerſt ſelten Anwendung. Gewoͤhnlich iſt ein Theil des
Vertheidigers oͤrtlich verwendet und dieſer nicht im Stande
das Vergeltungsrecht ſo ſchnell zu uͤben wie noͤthig waͤre,
woraus denn hervorgeht daß der Angreifende beim Kon-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0378" n="364"/>
der &#x017F;einigen ¼ der un&#x017F;rigen, welches uns offenbar im Vor-<lb/>
theil la&#x0364;ßt.</p><lb/>
                <p>479. Wa&#x0364;ren wir dem Feinde <hi rendition="#g">&#x017F;ehr u&#x0364;berlegen</hi>, &#x017F;o<lb/>
daß die ¾ un&#x017F;erer Macht hinreichten uns u&#x0364;ber ½ der &#x017F;eini-<lb/>
gen einen gewi&#x017F;&#x017F;en Sieg zu ver&#x017F;prechen, &#x017F;o wu&#x0364;rde der To-<lb/>
talerfolg noch ent&#x017F;cheidender fu&#x0364;r uns &#x017F;ein.</p><lb/>
                <p>480. Je u&#x0364;berlegener wir in der Zahl &#x017F;ind, um &#x017F;o<lb/>
gro&#x0364;ßer darf der Theil der feindlichen Macht &#x017F;ein den wir<lb/>
ern&#x017F;tlich beka&#x0364;mpfen und um &#x017F;o gro&#x0364;ßer wird dann der Er-<lb/>
folg &#x017F;ein. Je &#x017F;chwa&#x0364;cher wir &#x017F;ind um &#x017F;o kleiner muß der<lb/>
ern&#x017F;thaft beka&#x0364;mpfte Theil &#x017F;ein, welches mit dem natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Ge&#x017F;etze <hi rendition="#g">daß der Schwache &#x017F;eine Kra&#x0364;fte mehr<lb/>
konzentriren muß</hi> zu&#x017F;ammenfa&#x0364;llt.</p><lb/>
                <p>481. Aber hierbei i&#x017F;t &#x017F;chweigend vorausge&#x017F;etzt daß<lb/>
der Feind ungefa&#x0364;hr eben &#x017F;o viel Zeit braucht un&#x017F;ern &#x017F;chwa-<lb/>
chen Theil zu &#x017F;chlagen wie wir zur Vollbringung un&#x017F;ers<lb/>
Sieges u&#x0364;ber den &#x017F;einigen no&#x0364;thig haben. Wa&#x0364;re das nicht<lb/>
&#x017F;ondern es fa&#x0364;nde ein &#x017F;ehr merklicher Unter&#x017F;chied Statt, &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rde er einen Theil der Truppen die er dort angewendet<lb/>
hat noch gegen un&#x017F;ere Hauptmacht brauchen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
                <p>482. Nun i&#x017F;t aber ein Sieg in der Regel um &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chneller erfochten je ungleicher die Macht i&#x017F;t; es folgt al&#x017F;o<lb/>
daraus daß wir den Theil welchen wir aufopfern wollen<lb/>
nicht willku&#x0364;hrlich klein machen du&#x0364;rfen, &#x017F;ondern daß er zu<lb/>
der feindlichen Macht die er be&#x017F;cha&#x0364;ftigen &#x017F;oll ein ertra&#x0364;gli-<lb/>
liches Verha&#x0364;ltniß behalten muß. Das Konzentriren hat<lb/>
al&#x017F;o beim Schwachen &#x017F;eine Grenzen.</p><lb/>
                <p>483. Aber die Nr. 476 gemachte Voraus&#x017F;etzung findet<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;t &#x017F;elten Anwendung. Gewo&#x0364;hnlich i&#x017F;t ein Theil des<lb/>
Vertheidigers o&#x0364;rtlich verwendet und die&#x017F;er nicht im Stande<lb/>
das Vergeltungsrecht &#x017F;o &#x017F;chnell zu u&#x0364;ben wie no&#x0364;thig wa&#x0364;re,<lb/>
woraus denn hervorgeht daß der Angreifende beim Kon-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0378] der ſeinigen ¼ der unſrigen, welches uns offenbar im Vor- theil laͤßt. 479. Waͤren wir dem Feinde ſehr uͤberlegen, ſo daß die ¾ unſerer Macht hinreichten uns uͤber ½ der ſeini- gen einen gewiſſen Sieg zu verſprechen, ſo wuͤrde der To- talerfolg noch entſcheidender fuͤr uns ſein. 480. Je uͤberlegener wir in der Zahl ſind, um ſo groͤßer darf der Theil der feindlichen Macht ſein den wir ernſtlich bekaͤmpfen und um ſo groͤßer wird dann der Er- folg ſein. Je ſchwaͤcher wir ſind um ſo kleiner muß der ernſthaft bekaͤmpfte Theil ſein, welches mit dem natuͤrli- chen Geſetze daß der Schwache ſeine Kraͤfte mehr konzentriren muß zuſammenfaͤllt. 481. Aber hierbei iſt ſchweigend vorausgeſetzt daß der Feind ungefaͤhr eben ſo viel Zeit braucht unſern ſchwa- chen Theil zu ſchlagen wie wir zur Vollbringung unſers Sieges uͤber den ſeinigen noͤthig haben. Waͤre das nicht ſondern es faͤnde ein ſehr merklicher Unterſchied Statt, ſo wuͤrde er einen Theil der Truppen die er dort angewendet hat noch gegen unſere Hauptmacht brauchen koͤnnen. 482. Nun iſt aber ein Sieg in der Regel um ſo ſchneller erfochten je ungleicher die Macht iſt; es folgt alſo daraus daß wir den Theil welchen wir aufopfern wollen nicht willkuͤhrlich klein machen duͤrfen, ſondern daß er zu der feindlichen Macht die er beſchaͤftigen ſoll ein ertraͤgli- liches Verhaͤltniß behalten muß. Das Konzentriren hat alſo beim Schwachen ſeine Grenzen. 483. Aber die Nr. 476 gemachte Vorausſetzung findet aͤußerſt ſelten Anwendung. Gewoͤhnlich iſt ein Theil des Vertheidigers oͤrtlich verwendet und dieſer nicht im Stande das Vergeltungsrecht ſo ſchnell zu uͤben wie noͤthig waͤre, woraus denn hervorgeht daß der Angreifende beim Kon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/378
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/378>, abgerufen am 25.11.2024.