kleine Fronte annimmt, der Vertheidiger ihn dafür nicht dadurch bestraft daß er seine eigene Fronte von vorn her- ein größer bestimmte, sondern durch offensive umfas- sende Gegenmaaßregeln.
413. Es ist also gewiß daß der Vertheidiger, um in keinem Falle in den Nachtheil einer zu großen Fronte zu gerathen, die kleinste nehmen wird die ihm die Um- stände gestatten, denn dadurch bekommt er mehr Kräfte zum Zurückstellen; diese können aber nie in den Fall kom- men müßig zu bleiben, wie die Theile einer zu großen Fronte.
414. So lange der Vertheidiger sich mit der klein- sten Fronte begnügt und die größte Tiefe sucht, d. h. der natürlichen Tendenz seiner Gefechtsform folgt, so lange hat der Angreifende die entgegengesetzte Tendenz: die Fronte- ausdehnung so groß als möglich zu machen, d. h. den Gegner so weit als möglich zu umfassen.
415. Aber dies ist nur eine Tendenz und kein Gesetz, denn wir haben gesehen daß die Vortheile dieses Umfassens abnehmen mit der Größe der Fronten und also auf gewissen Punkten dem Vortheil successiver Kraftver- wendung nicht mehr das Gleichgewicht halten können. Die- sem Gesetze ist der Angreifende wie der Vertheidiger un- terworfen.
416. Hier sind nun zwei verschiedene Fronteausdeh- nungen zu unterscheiden: die welche der Vertheidiger durch seine genommene Aufstellung und die welche der Angrei- fende durch seine Überflügelung bestimmt.
417. Ist die erste schon so groß daß alle Vortheile der Überflügelung verschwinden oder unkräftig werden, so muß diese wegfallen; der Angreifende muß dann den
III 23
kleine Fronte annimmt, der Vertheidiger ihn dafuͤr nicht dadurch beſtraft daß er ſeine eigene Fronte von vorn her- ein groͤßer beſtimmte, ſondern durch offenſive umfaſ- ſende Gegenmaaßregeln.
413. Es iſt alſo gewiß daß der Vertheidiger, um in keinem Falle in den Nachtheil einer zu großen Fronte zu gerathen, die kleinſte nehmen wird die ihm die Um- ſtaͤnde geſtatten, denn dadurch bekommt er mehr Kraͤfte zum Zuruͤckſtellen; dieſe koͤnnen aber nie in den Fall kom- men muͤßig zu bleiben, wie die Theile einer zu großen Fronte.
414. So lange der Vertheidiger ſich mit der klein- ſten Fronte begnuͤgt und die groͤßte Tiefe ſucht, d. h. der natuͤrlichen Tendenz ſeiner Gefechtsform folgt, ſo lange hat der Angreifende die entgegengeſetzte Tendenz: die Fronte- ausdehnung ſo groß als moͤglich zu machen, d. h. den Gegner ſo weit als moͤglich zu umfaſſen.
415. Aber dies iſt nur eine Tendenz und kein Geſetz, denn wir haben geſehen daß die Vortheile dieſes Umfaſſens abnehmen mit der Groͤße der Fronten und alſo auf gewiſſen Punkten dem Vortheil ſucceſſiver Kraftver- wendung nicht mehr das Gleichgewicht halten koͤnnen. Die- ſem Geſetze iſt der Angreifende wie der Vertheidiger un- terworfen.
416. Hier ſind nun zwei verſchiedene Fronteausdeh- nungen zu unterſcheiden: die welche der Vertheidiger durch ſeine genommene Aufſtellung und die welche der Angrei- fende durch ſeine Überfluͤgelung beſtimmt.
417. Iſt die erſte ſchon ſo groß daß alle Vortheile der Überfluͤgelung verſchwinden oder unkraͤftig werden, ſo muß dieſe wegfallen; der Angreifende muß dann den
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kleine Fronte annimmt, der Vertheidiger ihn dafuͤr nicht
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ein groͤßer beſtimmte, ſondern durch offenſive umfaſ-
ſende Gegenmaaßregeln.
413. Es iſt alſo gewiß daß der Vertheidiger, um
in keinem Falle in den Nachtheil einer zu großen Fronte
zu gerathen, die kleinſte nehmen wird die ihm die Um-
ſtaͤnde geſtatten, denn dadurch bekommt er mehr Kraͤfte
zum Zuruͤckſtellen; dieſe koͤnnen aber nie in den Fall kom-
men muͤßig zu bleiben, wie die Theile einer zu großen
Fronte.
414. So lange der Vertheidiger ſich mit der klein-
ſten Fronte begnuͤgt und die groͤßte Tiefe ſucht, d. h. der
natuͤrlichen Tendenz ſeiner Gefechtsform folgt, ſo lange hat
der Angreifende die entgegengeſetzte Tendenz: die Fronte-
ausdehnung ſo groß als moͤglich zu machen, d. h. den
Gegner ſo weit als moͤglich zu umfaſſen.
415. Aber dies iſt nur eine Tendenz und kein
Geſetz, denn wir haben geſehen daß die Vortheile dieſes
Umfaſſens abnehmen mit der Groͤße der Fronten und alſo
auf gewiſſen Punkten dem Vortheil ſucceſſiver Kraftver-
wendung nicht mehr das Gleichgewicht halten koͤnnen. Die-
ſem Geſetze iſt der Angreifende wie der Vertheidiger un-
terworfen.
416. Hier ſind nun zwei verſchiedene Fronteausdeh-
nungen zu unterſcheiden: die welche der Vertheidiger durch
ſeine genommene Aufſtellung und die welche der Angrei-
fende durch ſeine Überfluͤgelung beſtimmt.
417. Iſt die erſte ſchon ſo groß daß alle Vortheile
der Überfluͤgelung verſchwinden oder unkraͤftig werden, ſo
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/367>, abgerufen am 16.07.2024.
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