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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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einseitige Ansicht als eins der hauptsächlichsten Motive zu
betrachten welches die Feldherren zu den ausgedehnten
Stellungen hingezogen hat.)

407. Allein wir haben bisher die Fronteausdehnung
stets so gedacht daß sie entweder zu einer eben so großen
des Feindes führte oder zur Überflügelung, d. i. Um-
fassung der feindlichen Fronte.

408. So lange man sich beide Theile gleich aktiv,
also noch nicht unter dem Gesichtspunkte von Angriff und
Vertheidigung denkt, hat die Verwendung einer größern
Fronte zum Umfassen auch keine Schwierigkeit.

409. Sobald aber mit dem Frontalgefecht mehr
oder weniger örtliche Vertheidigung verbunden wird, wie
das bei der Vertheidigung der Fall ist, so hört jene Ver-
wendung der überschießenden Frontetheile auf; sie ist ent-
weder gar nicht oder schwer mit der Überflügelung zu ver-
einigen.

410. Um diese Schwierigkeit richtig zu schätzen muß
man immer an die Gestalt der wirklichen Fälle denken,
wo die natürlichen Deckungsmittel des Bodens die Maaß-
regeln des Feindes so schwer übersehen lassen und also ein
Scheingefecht die zu einer örtlichen Vertheidigung ange-
wiesenen Streitkräfte so leicht täuschen und in Unthätig-
keit erhalten kann.

411. Hieraus folgt daß man es in der Vertheidi-
gung als einen sehr entschiedenen Nachtheil ansehen muß
wenn man eine größere Fronte hat als diejenige ist
welche der Angreifende nothwendig zur Entwickelung sei-
ner Kräfte braucht.

412. Wie groß die Fronte des Angreifenden noth-
wendig werden muß soll uns später beschäftigen; hier ha-
ben wir nur zu sagen daß wenn der Angreifende eine zu

kleine

einſeitige Anſicht als eins der hauptſaͤchlichſten Motive zu
betrachten welches die Feldherren zu den ausgedehnten
Stellungen hingezogen hat.)

407. Allein wir haben bisher die Fronteausdehnung
ſtets ſo gedacht daß ſie entweder zu einer eben ſo großen
des Feindes fuͤhrte oder zur Überfluͤgelung, d. i. Um-
faſſung der feindlichen Fronte.

408. So lange man ſich beide Theile gleich aktiv,
alſo noch nicht unter dem Geſichtspunkte von Angriff und
Vertheidigung denkt, hat die Verwendung einer groͤßern
Fronte zum Umfaſſen auch keine Schwierigkeit.

409. Sobald aber mit dem Frontalgefecht mehr
oder weniger oͤrtliche Vertheidigung verbunden wird, wie
das bei der Vertheidigung der Fall iſt, ſo hoͤrt jene Ver-
wendung der uͤberſchießenden Frontetheile auf; ſie iſt ent-
weder gar nicht oder ſchwer mit der Überfluͤgelung zu ver-
einigen.

410. Um dieſe Schwierigkeit richtig zu ſchaͤtzen muß
man immer an die Geſtalt der wirklichen Faͤlle denken,
wo die natuͤrlichen Deckungsmittel des Bodens die Maaß-
regeln des Feindes ſo ſchwer uͤberſehen laſſen und alſo ein
Scheingefecht die zu einer oͤrtlichen Vertheidigung ange-
wieſenen Streitkraͤfte ſo leicht taͤuſchen und in Unthaͤtig-
keit erhalten kann.

411. Hieraus folgt daß man es in der Vertheidi-
gung als einen ſehr entſchiedenen Nachtheil anſehen muß
wenn man eine groͤßere Fronte hat als diejenige iſt
welche der Angreifende nothwendig zur Entwickelung ſei-
ner Kraͤfte braucht.

412. Wie groß die Fronte des Angreifenden noth-
wendig werden muß ſoll uns ſpaͤter beſchaͤftigen; hier ha-
ben wir nur zu ſagen daß wenn der Angreifende eine zu

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[352/0366] einſeitige Anſicht als eins der hauptſaͤchlichſten Motive zu betrachten welches die Feldherren zu den ausgedehnten Stellungen hingezogen hat.) 407. Allein wir haben bisher die Fronteausdehnung ſtets ſo gedacht daß ſie entweder zu einer eben ſo großen des Feindes fuͤhrte oder zur Überfluͤgelung, d. i. Um- faſſung der feindlichen Fronte. 408. So lange man ſich beide Theile gleich aktiv, alſo noch nicht unter dem Geſichtspunkte von Angriff und Vertheidigung denkt, hat die Verwendung einer groͤßern Fronte zum Umfaſſen auch keine Schwierigkeit. 409. Sobald aber mit dem Frontalgefecht mehr oder weniger oͤrtliche Vertheidigung verbunden wird, wie das bei der Vertheidigung der Fall iſt, ſo hoͤrt jene Ver- wendung der uͤberſchießenden Frontetheile auf; ſie iſt ent- weder gar nicht oder ſchwer mit der Überfluͤgelung zu ver- einigen. 410. Um dieſe Schwierigkeit richtig zu ſchaͤtzen muß man immer an die Geſtalt der wirklichen Faͤlle denken, wo die natuͤrlichen Deckungsmittel des Bodens die Maaß- regeln des Feindes ſo ſchwer uͤberſehen laſſen und alſo ein Scheingefecht die zu einer oͤrtlichen Vertheidigung ange- wieſenen Streitkraͤfte ſo leicht taͤuſchen und in Unthaͤtig- keit erhalten kann. 411. Hieraus folgt daß man es in der Vertheidi- gung als einen ſehr entſchiedenen Nachtheil anſehen muß wenn man eine groͤßere Fronte hat als diejenige iſt welche der Angreifende nothwendig zur Entwickelung ſei- ner Kraͤfte braucht. 412. Wie groß die Fronte des Angreifenden noth- wendig werden muß ſoll uns ſpaͤter beſchaͤftigen; hier ha- ben wir nur zu ſagen daß wenn der Angreifende eine zu kleine

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/366>, abgerufen am 26.11.2024.