1. Die ursprüngliche Aufstellung der Streitkräfte, also auch die Lage der im Angriff begriffenen Staaten.
Wenn die Vereinigung der Streitkräfte Umwege und Zeitverlust verursacht und die Gefahr beim getrennten Vordringen nicht zu groß ist, so kann dasselbe dadurch gerechtfertigt sein; denn eine nicht nothwendige Vereini- gung der Kräfte mit großem Zeitverlust zu bewerkstelligen und dem ersten Stoß dadurch seine Frische und Schnell- kraft zu benehmen, wäre gegen den zweiten von uns auf- gestellten Hauptgrundsatz. In allen Fällen wo man Aus- sicht hat den Feind einigermaßen zu überraschen, wird dies eine besondere Rücksicht verdienen.
Aber wichtiger ist noch der Fall, wenn der Angriff von verbündeten Staaten unternommen wird, die gegen den angegriffenen Staat nicht auf einer Linie, nicht hinter, sondern neben einander liegen. Wenn Preußen und Öst- reich den Krieg gegen Frankreich unternehmen, so wäre es eine sehr gezwungene, Zeit und Kräfte verschwendende Maaß- regel, wenn die Heere beider Mächte von einem Punkte aus vorgehen wollten, da die natürliche Richtungslinie der Preußen vom Niederrhein und der Östreicher vom Ober- rhein auf das Herz von Frankreich geht. Die Vereinigung könnte also hier nicht ohne Aufopferung erreicht werden, und es frägt sich also in dem einzelnen Fall, ob sie so nothwendig ist diese Opfer bringen zu müssen.
2. Das getrennte Vorgehen kann größere Erfolge darbieten.
Da hier von dem getrennten Vorgehen gegen einen Schwerpunkt die Rede ist, so setzt das ein koncentri- sches Vorgehen voraus. Ein getrenntes Vorgehen auf parallelen oder excentrischen Linien gehört in die Rubrik
1. Die urſpruͤngliche Aufſtellung der Streitkraͤfte, alſo auch die Lage der im Angriff begriffenen Staaten.
Wenn die Vereinigung der Streitkraͤfte Umwege und Zeitverluſt verurſacht und die Gefahr beim getrennten Vordringen nicht zu groß iſt, ſo kann daſſelbe dadurch gerechtfertigt ſein; denn eine nicht nothwendige Vereini- gung der Kraͤfte mit großem Zeitverluſt zu bewerkſtelligen und dem erſten Stoß dadurch ſeine Friſche und Schnell- kraft zu benehmen, waͤre gegen den zweiten von uns auf- geſtellten Hauptgrundſatz. In allen Faͤllen wo man Aus- ſicht hat den Feind einigermaßen zu uͤberraſchen, wird dies eine beſondere Ruͤckſicht verdienen.
Aber wichtiger iſt noch der Fall, wenn der Angriff von verbuͤndeten Staaten unternommen wird, die gegen den angegriffenen Staat nicht auf einer Linie, nicht hinter, ſondern neben einander liegen. Wenn Preußen und Öſt- reich den Krieg gegen Frankreich unternehmen, ſo waͤre es eine ſehr gezwungene, Zeit und Kraͤfte verſchwendende Maaß- regel, wenn die Heere beider Maͤchte von einem Punkte aus vorgehen wollten, da die natuͤrliche Richtungslinie der Preußen vom Niederrhein und der Öſtreicher vom Ober- rhein auf das Herz von Frankreich geht. Die Vereinigung koͤnnte alſo hier nicht ohne Aufopferung erreicht werden, und es fraͤgt ſich alſo in dem einzelnen Fall, ob ſie ſo nothwendig iſt dieſe Opfer bringen zu muͤſſen.
2. Das getrennte Vorgehen kann groͤßere Erfolge darbieten.
Da hier von dem getrennten Vorgehen gegen einen Schwerpunkt die Rede iſt, ſo ſetzt das ein koncentri- ſches Vorgehen voraus. Ein getrenntes Vorgehen auf parallelen oder excentriſchen Linien gehoͤrt in die Rubrik
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1. Die urſpruͤngliche Aufſtellung der Streitkraͤfte,
alſo auch die Lage der im Angriff begriffenen Staaten.
Wenn die Vereinigung der Streitkraͤfte Umwege und
Zeitverluſt verurſacht und die Gefahr beim getrennten
Vordringen nicht zu groß iſt, ſo kann daſſelbe dadurch
gerechtfertigt ſein; denn eine nicht nothwendige Vereini-
gung der Kraͤfte mit großem Zeitverluſt zu bewerkſtelligen
und dem erſten Stoß dadurch ſeine Friſche und Schnell-
kraft zu benehmen, waͤre gegen den zweiten von uns auf-
geſtellten Hauptgrundſatz. In allen Faͤllen wo man Aus-
ſicht hat den Feind einigermaßen zu uͤberraſchen, wird dies
eine beſondere Ruͤckſicht verdienen.
Aber wichtiger iſt noch der Fall, wenn der Angriff
von verbuͤndeten Staaten unternommen wird, die gegen
den angegriffenen Staat nicht auf einer Linie, nicht hinter,
ſondern neben einander liegen. Wenn Preußen und Öſt-
reich den Krieg gegen Frankreich unternehmen, ſo waͤre es
eine ſehr gezwungene, Zeit und Kraͤfte verſchwendende Maaß-
regel, wenn die Heere beider Maͤchte von einem Punkte
aus vorgehen wollten, da die natuͤrliche Richtungslinie der
Preußen vom Niederrhein und der Öſtreicher vom Ober-
rhein auf das Herz von Frankreich geht. Die Vereinigung
koͤnnte alſo hier nicht ohne Aufopferung erreicht werden,
und es fraͤgt ſich alſo in dem einzelnen Fall, ob ſie ſo
nothwendig iſt dieſe Opfer bringen zu muͤſſen.
2. Das getrennte Vorgehen kann groͤßere Erfolge
darbieten.
Da hier von dem getrennten Vorgehen gegen einen
Schwerpunkt die Rede iſt, ſo ſetzt das ein koncentri-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/179>, abgerufen am 27.11.2024.
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