zu nehmen, deren nächstes Ziel nur die Erhaltung des Besitzes ist; allein da wir durchaus dabei beharren müssen, eine Vertheidigung ohne alles positive Prinzip in der Strategie wie in der Taktik für einen inneren Wider- spruch zu erklären, und also immer wieder darauf zurück- kommen daß jede Vertheidigung nach Kräften suchen wird zum Angriff überzugehen, sobald sie die Vortheile der Vertheidigung genossen hat: so müssen wir unter das Ziel, welches dieser Angriff haben kann und welches als das eigentliche Ziel der Vertheidigung zu betrachten ist, wie groß oder wie klein es sei, doch auch möglicher Weise die Niederwerfung des Feindes aufnehmen und sagen, daß es Fälle geben kann wo der Kriegführende, ungeachtet er ein so großes Ziel im Auge hatte, es doch vorzog sich anfangs der vertheidigenden Form zu bedienen. Daß diese Vorstellung nicht ohne Realität sei, läßt sich durch den Feldzug von 1812 leicht beweisen. Der Kaiser Alexander hat vielleicht nicht daran gedacht, durch den Krieg, in welchen er sich einließ, seinen Gegner ganz zu Grunde zu richten, wie es nachher geschehen ist, aber wäre ein solcher Gedanke unmöglich gewesen? und würde es nicht dabei immer sehr natürlich geblieben sein daß die Russen den Krieg vertheidigungsweise anfingen?
Fünftes Kapitel. Fortsetzung. Beschränktes Ziel
Wir haben im vorigen Kapitel gesagt, wie wir unter Niederwerfung des Feindes das eigentliche absolute Ziel des kriegerischen Aktes verstehen, wenn wir es für
zu nehmen, deren naͤchſtes Ziel nur die Erhaltung des Beſitzes iſt; allein da wir durchaus dabei beharren muͤſſen, eine Vertheidigung ohne alles poſitive Prinzip in der Strategie wie in der Taktik fuͤr einen inneren Wider- ſpruch zu erklaͤren, und alſo immer wieder darauf zuruͤck- kommen daß jede Vertheidigung nach Kraͤften ſuchen wird zum Angriff uͤberzugehen, ſobald ſie die Vortheile der Vertheidigung genoſſen hat: ſo muͤſſen wir unter das Ziel, welches dieſer Angriff haben kann und welches als das eigentliche Ziel der Vertheidigung zu betrachten iſt, wie groß oder wie klein es ſei, doch auch moͤglicher Weiſe die Niederwerfung des Feindes aufnehmen und ſagen, daß es Faͤlle geben kann wo der Kriegfuͤhrende, ungeachtet er ein ſo großes Ziel im Auge hatte, es doch vorzog ſich anfangs der vertheidigenden Form zu bedienen. Daß dieſe Vorſtellung nicht ohne Realitaͤt ſei, laͤßt ſich durch den Feldzug von 1812 leicht beweiſen. Der Kaiſer Alexander hat vielleicht nicht daran gedacht, durch den Krieg, in welchen er ſich einließ, ſeinen Gegner ganz zu Grunde zu richten, wie es nachher geſchehen iſt, aber waͤre ein ſolcher Gedanke unmoͤglich geweſen? und wuͤrde es nicht dabei immer ſehr natuͤrlich geblieben ſein daß die Ruſſen den Krieg vertheidigungsweiſe anfingen?
Fünftes Kapitel. Fortſetzung. Beſchraͤnktes Ziel
Wir haben im vorigen Kapitel geſagt, wie wir unter Niederwerfung des Feindes das eigentliche abſolute Ziel des kriegeriſchen Aktes verſtehen, wenn wir es fuͤr
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ſpruch zu erklaͤren, und alſo immer wieder darauf zuruͤck-
kommen daß jede Vertheidigung nach Kraͤften ſuchen wird
zum Angriff uͤberzugehen, ſobald ſie die Vortheile der
Vertheidigung genoſſen hat: ſo muͤſſen wir unter das Ziel,
welches dieſer Angriff haben kann und welches als das
eigentliche Ziel der Vertheidigung zu betrachten iſt, wie
groß oder wie klein es ſei, doch auch moͤglicher Weiſe die
Niederwerfung des Feindes aufnehmen und ſagen, daß
es Faͤlle geben kann wo der Kriegfuͤhrende, ungeachtet
er ein ſo großes Ziel im Auge hatte, es doch vorzog ſich
anfangs der vertheidigenden Form zu bedienen. Daß dieſe
Vorſtellung nicht ohne Realitaͤt ſei, laͤßt ſich durch den
Feldzug von 1812 leicht beweiſen. Der Kaiſer Alexander
hat vielleicht nicht daran gedacht, durch den Krieg, in
welchen er ſich einließ, ſeinen Gegner ganz zu Grunde
zu richten, wie es nachher geſchehen iſt, aber waͤre ein
ſolcher Gedanke unmoͤglich geweſen? und wuͤrde es nicht
dabei immer ſehr natuͤrlich geblieben ſein daß die Ruſſen
den Krieg vertheidigungsweiſe anfingen?
Fünftes Kapitel.
Fortſetzung. Beſchraͤnktes Ziel
Wir haben im vorigen Kapitel geſagt, wie wir
unter Niederwerfung des Feindes das eigentliche abſolute
Ziel des kriegeriſchen Aktes verſtehen, wenn wir es fuͤr
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/146>, abgerufen am 24.11.2024.
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