Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr unbegreiflich, wie die Frau ihren alten Plan,
sie, als Tina, mit dem einfältigen Anton zu ver¬
binden, nicht aufgeben wollte, da Tinas Verlo¬
bung mit Staunitz weltbekannt war. Glaubte
sie vielleicht für ihren Sohn mehr erwarten zu
dürfen, oder hatte sie gar, -- nein, das war
unmöglich, rein unmöglich; und wie sollte die
Alte auch dazu kommen! -- Am Besten war es,
gegen die Drostin und Consorten freundlich und
zuvorkommend zu bleiben, weil mit bösen Mäu¬
lern nicht zu spaßen ist; gegen des Vaters etwai¬
gen Unwillen, wenn Tante Letty plauderte,
setzte sie kindliche Ergebenheit und zärtliche Liebe,
welcher der Vater nie widerstand, gegen die Tante
aber Kälte und abgemessenes Betragen, und
gegen alle übrigen, mogten sie reden, was sie
wollten, eine große Gleichgültigkeit. Daß diese
in vielen Verhältnissen oft unerträglich sei, und
mehr schmerze, als laute Verantwortung, wußte
Tina Schlauköpfchen recht wohl, und nahm sich
fest vor, von ihrem strategischen Plane nicht ab¬
zuweichen. Nur vor Allem ein Angriff mit der
leichten Reiterei zärtlichen Zuvorkommens auf des
Herrn Papas Herz, dann ging es mit schwerem
Geschütz auf Tante Letty los. Der Feinde wurden
vielleicht viel, das sah sie kommen; aber nur
sich nicht mit allen auf einmal geschlagen, das

ihr unbegreiflich, wie die Frau ihren alten Plan,
ſie, als Tina, mit dem einfaͤltigen Anton zu ver¬
binden, nicht aufgeben wollte, da Tinas Verlo¬
bung mit Staunitz weltbekannt war. Glaubte
ſie vielleicht fuͤr ihren Sohn mehr erwarten zu
duͤrfen, oder hatte ſie gar, — nein, das war
unmoͤglich, rein unmoͤglich; und wie ſollte die
Alte auch dazu kommen! — Am Beſten war es,
gegen die Droſtin und Conſorten freundlich und
zuvorkommend zu bleiben, weil mit boͤſen Maͤu¬
lern nicht zu ſpaßen iſt; gegen des Vaters etwai¬
gen Unwillen, wenn Tante Letty plauderte,
ſetzte ſie kindliche Ergebenheit und zaͤrtliche Liebe,
welcher der Vater nie widerſtand, gegen die Tante
aber Kaͤlte und abgemeſſenes Betragen, und
gegen alle uͤbrigen, mogten ſie reden, was ſie
wollten, eine große Gleichguͤltigkeit. Daß dieſe
in vielen Verhaͤltniſſen oft unertraͤglich ſei, und
mehr ſchmerze, als laute Verantwortung, wußte
Tina Schlaukoͤpfchen recht wohl, und nahm ſich
feſt vor, von ihrem ſtrategiſchen Plane nicht ab¬
zuweichen. Nur vor Allem ein Angriff mit der
leichten Reiterei zaͤrtlichen Zuvorkommens auf des
Herrn Papas Herz, dann ging es mit ſchwerem
Geſchuͤtz auf Tante Letty los. Der Feinde wurden
vielleicht viel, das ſah ſie kommen; aber nur
ſich nicht mit allen auf einmal geſchlagen, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="88"/>
ihr unbegreiflich, wie die Frau ihren alten Plan,<lb/>
&#x017F;ie, als Tina, mit dem einfa&#x0364;ltigen Anton zu ver¬<lb/>
binden, nicht aufgeben wollte, da Tinas Verlo¬<lb/>
bung mit Staunitz weltbekannt war. Glaubte<lb/>
&#x017F;ie vielleicht fu&#x0364;r ihren Sohn mehr erwarten zu<lb/>
du&#x0364;rfen, oder hatte &#x017F;ie gar, &#x2014; nein, das war<lb/>
unmo&#x0364;glich, rein unmo&#x0364;glich; und wie &#x017F;ollte die<lb/>
Alte auch dazu kommen! &#x2014; Am Be&#x017F;ten war es,<lb/>
gegen die Dro&#x017F;tin und Con&#x017F;orten freundlich und<lb/>
zuvorkommend zu bleiben, weil mit bo&#x0364;&#x017F;en Ma&#x0364;<lb/>
lern nicht zu &#x017F;paßen i&#x017F;t; gegen des Vaters etwai¬<lb/>
gen Unwillen, wenn Tante Letty plauderte,<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ie kindliche Ergebenheit und za&#x0364;rtliche Liebe,<lb/>
welcher der Vater nie wider&#x017F;tand, gegen die Tante<lb/>
aber Ka&#x0364;lte und abgeme&#x017F;&#x017F;enes Betragen, und<lb/>
gegen alle u&#x0364;brigen, mogten &#x017F;ie reden, was &#x017F;ie<lb/>
wollten, eine große Gleichgu&#x0364;ltigkeit. Daß die&#x017F;e<lb/>
in vielen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en oft unertra&#x0364;glich &#x017F;ei, und<lb/>
mehr &#x017F;chmerze, als laute Verantwortung, wußte<lb/>
Tina Schlauko&#x0364;pfchen recht wohl, und nahm &#x017F;ich<lb/>
fe&#x017F;t vor, von ihrem &#x017F;trategi&#x017F;chen Plane nicht ab¬<lb/>
zuweichen. Nur vor Allem ein Angriff mit der<lb/>
leichten Reiterei za&#x0364;rtlichen Zuvorkommens auf des<lb/>
Herrn Papas Herz, dann ging es mit &#x017F;chwerem<lb/>
Ge&#x017F;chu&#x0364;tz auf Tante Letty los. Der Feinde wurden<lb/>
vielleicht viel, das &#x017F;ah &#x017F;ie kommen; aber nur<lb/>
&#x017F;ich nicht mit allen auf einmal ge&#x017F;chlagen, das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] ihr unbegreiflich, wie die Frau ihren alten Plan, ſie, als Tina, mit dem einfaͤltigen Anton zu ver¬ binden, nicht aufgeben wollte, da Tinas Verlo¬ bung mit Staunitz weltbekannt war. Glaubte ſie vielleicht fuͤr ihren Sohn mehr erwarten zu duͤrfen, oder hatte ſie gar, — nein, das war unmoͤglich, rein unmoͤglich; und wie ſollte die Alte auch dazu kommen! — Am Beſten war es, gegen die Droſtin und Conſorten freundlich und zuvorkommend zu bleiben, weil mit boͤſen Maͤu¬ lern nicht zu ſpaßen iſt; gegen des Vaters etwai¬ gen Unwillen, wenn Tante Letty plauderte, ſetzte ſie kindliche Ergebenheit und zaͤrtliche Liebe, welcher der Vater nie widerſtand, gegen die Tante aber Kaͤlte und abgemeſſenes Betragen, und gegen alle uͤbrigen, mogten ſie reden, was ſie wollten, eine große Gleichguͤltigkeit. Daß dieſe in vielen Verhaͤltniſſen oft unertraͤglich ſei, und mehr ſchmerze, als laute Verantwortung, wußte Tina Schlaukoͤpfchen recht wohl, und nahm ſich feſt vor, von ihrem ſtrategiſchen Plane nicht ab¬ zuweichen. Nur vor Allem ein Angriff mit der leichten Reiterei zaͤrtlichen Zuvorkommens auf des Herrn Papas Herz, dann ging es mit ſchwerem Geſchuͤtz auf Tante Letty los. Der Feinde wurden vielleicht viel, das ſah ſie kommen; aber nur ſich nicht mit allen auf einmal geſchlagen, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/94
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/94>, abgerufen am 21.11.2024.