"Sie verstehn es," entgegnete Tina in einem ruhigen Tone, als die Tante in ihrer Eiferrede still stand, "Sie verstehn es, sich in meiner Ach¬ tung zu befestigen, indem Sie auf eine mir jetzt sehr auffallende Weise ihre Eifersucht zeigen! Glauben Sie etwa, daß der Baron an Ihrer Seite lieber gesessen, als an der meinigen? -- Ich zweifle beinahe. Und was Staunitz betrifft, so hat er in meinem Betragen nichts Anstößiges gefunden, das zeigt mir seine Freundlichkeit, seine Liebe. Was aber die elenden Menschen aus der Residenz belangt, den Narren, den Anton, sammt seiner hochfahrenden Mamma, so gilt mir deren Meinung ganz gleich, das mögen Sie ihr selbst sagen, wenn es beliebt! Ich sollte überdieß auch meinen, ich sei zu sehr Herrin meiner Handlun¬ gen, als daß Sie sich berufen fühlen könnten, meine Hofmeisterin zu spielen; aus den Kinder¬ jahren bin ich heraus, und ich verbitte mir solche beleidigenden Äußerungen, wie Sie sich dieselben auf meinem Zimmer erlauben, das ich doch zu jeder Zeit gern für mich zu behalten wünsche!"
Das hatte Tante Letty nicht erwartet. Sie trat einige Schritte zurück, und fragte kleinlaut: "Also zieht es die gnädige Comtesse wohl vor,
„Sie verſtehn es,“ entgegnete Tina in einem ruhigen Tone, als die Tante in ihrer Eiferrede ſtill ſtand, „Sie verſtehn es, ſich in meiner Ach¬ tung zu befeſtigen, indem Sie auf eine mir jetzt ſehr auffallende Weiſe ihre Eiferſucht zeigen! Glauben Sie etwa, daß der Baron an Ihrer Seite lieber geſeſſen, als an der meinigen? — Ich zweifle beinahe. Und was Staunitz betrifft, ſo hat er in meinem Betragen nichts Anſtoͤßiges gefunden, das zeigt mir ſeine Freundlichkeit, ſeine Liebe. Was aber die elenden Menſchen aus der Reſidenz belangt, den Narren, den Anton, ſammt ſeiner hochfahrenden Mamma, ſo gilt mir deren Meinung ganz gleich, das moͤgen Sie ihr ſelbſt ſagen, wenn es beliebt! Ich ſollte uͤberdieß auch meinen, ich ſei zu ſehr Herrin meiner Handlun¬ gen, als daß Sie ſich berufen fuͤhlen koͤnnten, meine Hofmeiſterin zu ſpielen; aus den Kinder¬ jahren bin ich heraus, und ich verbitte mir ſolche beleidigenden Äußerungen, wie Sie ſich dieſelben auf meinem Zimmer erlauben, das ich doch zu jeder Zeit gern fuͤr mich zu behalten wuͤnſche!“
Das hatte Tante Letty nicht erwartet. Sie trat einige Schritte zuruͤck, und fragte kleinlaut: „Alſo zieht es die gnaͤdige Comteſſe wohl vor,
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„Sie verſtehn es,“ entgegnete Tina in einem
ruhigen Tone, als die Tante in ihrer Eiferrede
ſtill ſtand, „Sie verſtehn es, ſich in meiner Ach¬
tung zu befeſtigen, indem Sie auf eine mir jetzt
ſehr auffallende Weiſe ihre Eiferſucht zeigen!
Glauben Sie etwa, daß der Baron an Ihrer
Seite lieber geſeſſen, als an der meinigen? —
Ich zweifle beinahe. Und was Staunitz betrifft,
ſo hat er in meinem Betragen nichts Anſtoͤßiges
gefunden, das zeigt mir ſeine Freundlichkeit, ſeine
Liebe. Was aber die elenden Menſchen aus der
Reſidenz belangt, den Narren, den Anton, ſammt
ſeiner hochfahrenden Mamma, ſo gilt mir deren
Meinung ganz gleich, das moͤgen Sie ihr ſelbſt
ſagen, wenn es beliebt! Ich ſollte uͤberdieß auch
meinen, ich ſei zu ſehr Herrin meiner Handlun¬
gen, als daß Sie ſich berufen fuͤhlen koͤnnten,
meine Hofmeiſterin zu ſpielen; aus den Kinder¬
jahren bin ich heraus, und ich verbitte mir
ſolche beleidigenden Äußerungen, wie Sie ſich
dieſelben auf meinem Zimmer erlauben, das ich
doch zu jeder Zeit gern fuͤr mich zu behalten
wuͤnſche!“
Das hatte Tante Letty nicht erwartet. Sie
trat einige Schritte zuruͤck, und fragte kleinlaut:
„Alſo zieht es die gnaͤdige Comteſſe wohl vor,
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/91>, abgerufen am 27.07.2024.
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