und in der Mitte des Mastes schimmerten wie Sterne die Worte: "Treue Liebe," auf einem Transparente, das nach wenigen Minuten sammt dem Schiffe in lodernde Flammen aufging, die wunderbar im Wasser wiederglänzten, als habe sich die Fluth in ein Feuermeer verwandelt. Jeder deutete sich die erwähnten Worte nach seiner Weise; aber Staunitz zog die geliebte Tina an seine Brust, und eine Thräne inniger Rüh¬ rung glänzte in den Augen beider Liebenden. Blauenstein hatte keinen Sinn mehr für die Herrlichkeiten der Feuerwerkerkunst; es war ihm, als sei mit dem Verlöschen des blauen Sterns an den Wimpeln des durch die Flammen absicht¬ lich verzehrten Schiffs auch der Stern seines Lebensglückes untergegangen in die finstere Tiefe unseliger Verhältnisse. Umsonst bemühte sich Oncle Heinrich seine Feuerwerkstheorie dem weh¬ müthigen jungen Freunde zu entwicklen; er warf noch einen Blick auf den Lärm und die bunte Funkenpracht der Drehsonnen, Knallcapricen. Gi¬ randolen, Bomben mit blauen Sternen, Feuer¬ kastanien und alle die gedrängt vorüberschwebenden Herrlichkeiten, und war im Begriff, sich nach dem dunklen, lautlosen Lustwäldchen zu wenden, als Staunitz mit Oncle Heinrich zu ihm trat, und letzterer ihm sagte, es sei ein Fremder vor
und in der Mitte des Maſtes ſchimmerten wie Sterne die Worte: „Treue Liebe,“ auf einem Tranſparente, das nach wenigen Minuten ſammt dem Schiffe in lodernde Flammen aufging, die wunderbar im Waſſer wiederglaͤnzten, als habe ſich die Fluth in ein Feuermeer verwandelt. Jeder deutete ſich die erwaͤhnten Worte nach ſeiner Weiſe; aber Staunitz zog die geliebte Tina an ſeine Bruſt, und eine Thraͤne inniger Ruͤh¬ rung glaͤnzte in den Augen beider Liebenden. Blauenſtein hatte keinen Sinn mehr fuͤr die Herrlichkeiten der Feuerwerkerkunſt; es war ihm, als ſei mit dem Verloͤſchen des blauen Sterns an den Wimpeln des durch die Flammen abſicht¬ lich verzehrten Schiffs auch der Stern ſeines Lebensgluͤckes untergegangen in die finſtere Tiefe unſeliger Verhaͤltniſſe. Umſonſt bemuͤhte ſich Oncle Heinrich ſeine Feuerwerkstheorie dem weh¬ muͤthigen jungen Freunde zu entwicklen; er warf noch einen Blick auf den Laͤrm und die bunte Funkenpracht der Drehſonnen, Knallcapricen. Gi¬ randolen, Bomben mit blauen Sternen, Feuer¬ kaſtanien und alle die gedraͤngt voruͤberſchwebenden Herrlichkeiten, und war im Begriff, ſich nach dem dunklen, lautloſen Luſtwaͤldchen zu wenden, als Staunitz mit Oncle Heinrich zu ihm trat, und letzterer ihm ſagte, es ſei ein Fremder vor
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und in der Mitte des Maſtes ſchimmerten wie
Sterne die Worte: „Treue Liebe,“ auf einem
Tranſparente, das nach wenigen Minuten ſammt
dem Schiffe in lodernde Flammen aufging, die
wunderbar im Waſſer wiederglaͤnzten, als habe
ſich die Fluth in ein Feuermeer verwandelt.
Jeder deutete ſich die erwaͤhnten Worte nach
ſeiner Weiſe; aber Staunitz zog die geliebte Tina
an ſeine Bruſt, und eine Thraͤne inniger Ruͤh¬
rung glaͤnzte in den Augen beider Liebenden.
Blauenſtein hatte keinen Sinn mehr fuͤr die
Herrlichkeiten der Feuerwerkerkunſt; es war ihm,
als ſei mit dem Verloͤſchen des blauen Sterns
an den Wimpeln des durch die Flammen abſicht¬
lich verzehrten Schiffs auch der Stern ſeines
Lebensgluͤckes untergegangen in die finſtere Tiefe
unſeliger Verhaͤltniſſe. Umſonſt bemuͤhte ſich
Oncle Heinrich ſeine Feuerwerkstheorie dem weh¬
muͤthigen jungen Freunde zu entwicklen; er warf
noch einen Blick auf den Laͤrm und die bunte
Funkenpracht der Drehſonnen, Knallcapricen. Gi¬
randolen, Bomben mit blauen Sternen, Feuer¬
kaſtanien und alle die gedraͤngt voruͤberſchwebenden
Herrlichkeiten, und war im Begriff, ſich nach
dem dunklen, lautloſen Luſtwaͤldchen zu wenden,
als Staunitz mit Oncle Heinrich zu ihm trat,
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/80>, abgerufen am 24.11.2024.
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