empfing, welche von niemand anders, als von Staunitz sein konnte, denn hatte ihn sein Auge nicht getäuscht, so war sie braun gewesen, wie Staunitz Lockenkopf. So viel war gewiß, Tina blieb mit ihrem Betragen ein höchst räthselhaftes Geschöpf; und er konnte das eben nicht für Nai¬ vetät nehmen, wenn sie auch mit keinen buhleri¬ schen Künsten um sich warf. Blauenstein nahm sich vor, es koste auch, was es wolle, mit sich in Beziehung auf Tina in's Klare kommen zu wol¬ len. Eine zarte, silberhelle Trompete rief jetzt zur Tafel; Blauenstein suchte das augenblicklich Trübe seiner Stimmung zu vergessen, Staunitz führte ihn mit freundlicher Zuvorkommenheit, welche ganz den feinen Weltmann verrieth, seiner reizenden Braut entgegen, und unter einer rau¬ schenden Simphonie suchten die durch die Trom¬ pete aufgeregten Gäste ihre Plätze. Unglücklicher Weise fand die Drostin Steinburg ihren Platz in der Nähe des Hofrath Wernburg, dessen bei¬ ßender Satyre sie gar nicht auszuweichen wußte; aber die Geheimderäthin Wandler hatte ihren Sitz dicht neben dem alten Kammerherrn, dem hecktischen Canonicus Osdorf gegenüber, aufge¬ schlagen, und freute sich im Voraus einer Unter¬ haltung, die nur dann von ihr gerühmt wurde, wenn sie ihrem giftigen Herzen Luft machen
empfing, welche von niemand anders, als von Staunitz ſein konnte, denn hatte ihn ſein Auge nicht getaͤuſcht, ſo war ſie braun geweſen, wie Staunitz Lockenkopf. So viel war gewiß, Tina blieb mit ihrem Betragen ein hoͤchſt raͤthſelhaftes Geſchoͤpf; und er konnte das eben nicht fuͤr Nai¬ vetaͤt nehmen, wenn ſie auch mit keinen buhleri¬ ſchen Kuͤnſten um ſich warf. Blauenſtein nahm ſich vor, es koſte auch, was es wolle, mit ſich in Beziehung auf Tina in's Klare kommen zu wol¬ len. Eine zarte, ſilberhelle Trompete rief jetzt zur Tafel; Blauenſtein ſuchte das augenblicklich Truͤbe ſeiner Stimmung zu vergeſſen, Staunitz fuͤhrte ihn mit freundlicher Zuvorkommenheit, welche ganz den feinen Weltmann verrieth, ſeiner reizenden Braut entgegen, und unter einer rau¬ ſchenden Simphonie ſuchten die durch die Trom¬ pete aufgeregten Gaͤſte ihre Plaͤtze. Ungluͤcklicher Weiſe fand die Droſtin Steinburg ihren Platz in der Naͤhe des Hofrath Wernburg, deſſen bei¬ ßender Satyre ſie gar nicht auszuweichen wußte; aber die Geheimderaͤthin Wandler hatte ihren Sitz dicht neben dem alten Kammerherrn, dem hecktiſchen Canonicus Osdorf gegenuͤber, aufge¬ ſchlagen, und freute ſich im Voraus einer Unter¬ haltung, die nur dann von ihr geruͤhmt wurde, wenn ſie ihrem giftigen Herzen Luft machen
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empfing, welche von niemand anders, als von
Staunitz ſein konnte, denn hatte ihn ſein Auge
nicht getaͤuſcht, ſo war ſie braun geweſen, wie
Staunitz Lockenkopf. So viel war gewiß, Tina
blieb mit ihrem Betragen ein hoͤchſt raͤthſelhaftes
Geſchoͤpf; und er konnte das eben nicht fuͤr Nai¬
vetaͤt nehmen, wenn ſie auch mit keinen buhleri¬
ſchen Kuͤnſten um ſich warf. Blauenſtein nahm
ſich vor, es koſte auch, was es wolle, mit ſich in
Beziehung auf Tina in's Klare kommen zu wol¬
len. Eine zarte, ſilberhelle Trompete rief jetzt
zur Tafel; Blauenſtein ſuchte das augenblicklich
Truͤbe ſeiner Stimmung zu vergeſſen, Staunitz
fuͤhrte ihn mit freundlicher Zuvorkommenheit,
welche ganz den feinen Weltmann verrieth, ſeiner
reizenden Braut entgegen, und unter einer rau¬
ſchenden Simphonie ſuchten die durch die Trom¬
pete aufgeregten Gaͤſte ihre Plaͤtze. Ungluͤcklicher
Weiſe fand die Droſtin Steinburg ihren Platz
in der Naͤhe des Hofrath Wernburg, deſſen bei¬
ßender Satyre ſie gar nicht auszuweichen wußte;
aber die Geheimderaͤthin Wandler hatte ihren
Sitz dicht neben dem alten Kammerherrn, dem
hecktiſchen Canonicus Osdorf gegenuͤber, aufge¬
ſchlagen, und freute ſich im Voraus einer Unter¬
haltung, die nur dann von ihr geruͤhmt wurde,
wenn ſie ihrem giftigen Herzen Luft machen
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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