einmal wieder so ein rasches Anliegen, ein Drän¬ gen! -- Aber nur heraus damit!"
"Wo denkst Du hin! Mir fehlt in der Welt nichts," erwiederte Tina, "und daß wir nicht immer von Euch verstanden werden, ist im Grunde recht gut! Doch das gehört nicht hieher! -- Du weißt, daß der Vater heute Abend während der Tafel meine mit Staunitz längst bekannte Ver¬ lobung mit Pauken und Trompeten auf solenne Weise den Gästen zu eröffnen beschlossen, und das ist mir so recht widrig und obenein ängstlich!"
"Mein Himmel," rief Heinrich verwundert, "das ist ja die eigentliche Tendenz unseres schönen Balles, und die willst Du nun so frisch weg ver¬ nichten? Was wollte der Vater sagen, wenn ich davon anfinge?"
"Bitte, bitte, Onkelchen!" sagte Tina, und küßte den Aufgebrachten auf die rauhe Wange, "rede mit dem Vater! Nicht wahr, Du thust es?"
"Wer kann der Hexe etwas abschlagen!" erwiederte Heinrich freundlich, umschlang das süße Mädchen, und drückte ihm drei, vier feurige On¬ kelküsse auf die purpurnen Lippen. "Aber, mein liebes Kind, die Gäste können nun nicht lange
einmal wieder ſo ein raſches Anliegen, ein Draͤn¬ gen! — Aber nur heraus damit!“
„Wo denkſt Du hin! Mir fehlt in der Welt nichts,“ erwiederte Tina, „und daß wir nicht immer von Euch verſtanden werden, iſt im Grunde recht gut! Doch das gehoͤrt nicht hieher! — Du weißt, daß der Vater heute Abend waͤhrend der Tafel meine mit Staunitz laͤngſt bekannte Ver¬ lobung mit Pauken und Trompeten auf ſolenne Weiſe den Gaͤſten zu eroͤffnen beſchloſſen, und das iſt mir ſo recht widrig und obenein aͤngſtlich!“
„Mein Himmel,“ rief Heinrich verwundert, „das iſt ja die eigentliche Tendenz unſeres ſchoͤnen Balles, und die willſt Du nun ſo friſch weg ver¬ nichten? Was wollte der Vater ſagen, wenn ich davon anfinge?“
„Bitte, bitte, Onkelchen!“ ſagte Tina, und kuͤßte den Aufgebrachten auf die rauhe Wange, „rede mit dem Vater! Nicht wahr, Du thuſt es?“
„Wer kann der Hexe etwas abſchlagen!“ erwiederte Heinrich freundlich, umſchlang das ſuͤße Maͤdchen, und druͤckte ihm drei, vier feurige On¬ kelkuͤſſe auf die purpurnen Lippen. „Aber, mein liebes Kind, die Gaͤſte koͤnnen nun nicht lange
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einmal wieder ſo ein raſches Anliegen, ein Draͤn¬
gen! — Aber nur heraus damit!“
„Wo denkſt Du hin! Mir fehlt in der Welt
nichts,“ erwiederte Tina, „und daß wir nicht
immer von Euch verſtanden werden, iſt im Grunde
recht gut! Doch das gehoͤrt nicht hieher! — Du
weißt, daß der Vater heute Abend waͤhrend der
Tafel meine mit Staunitz laͤngſt bekannte Ver¬
lobung mit Pauken und Trompeten auf ſolenne
Weiſe den Gaͤſten zu eroͤffnen beſchloſſen, und das
iſt mir ſo recht widrig und obenein aͤngſtlich!“
„Mein Himmel,“ rief Heinrich verwundert,
„das iſt ja die eigentliche Tendenz unſeres ſchoͤnen
Balles, und die willſt Du nun ſo friſch weg ver¬
nichten? Was wollte der Vater ſagen, wenn ich
davon anfinge?“
„Bitte, bitte, Onkelchen!“ ſagte Tina, und
kuͤßte den Aufgebrachten auf die rauhe Wange,
„rede mit dem Vater! Nicht wahr, Du thuſt es?“
„Wer kann der Hexe etwas abſchlagen!“
erwiederte Heinrich freundlich, umſchlang das ſuͤße
Maͤdchen, und druͤckte ihm drei, vier feurige On¬
kelkuͤſſe auf die purpurnen Lippen. „Aber, mein
liebes Kind, die Gaͤſte koͤnnen nun nicht lange
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/58>, abgerufen am 16.02.2025.
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